Interview mit Tosin Abasi von Animals As Leaders

Ein Interview von Opa Steve vom 10.05.2012 (17171 mal gelesen)
Nach dem Gig im Kölner Underground hatte Tosin Abasi noch völlig relaxt Zeit für unsere Fragen.

Hallo Tosin, schön dass du Zeit für uns hast! Ich habe nun schon seit Herbst versucht, mit dir ein Interview auf die Reihe zu kriegen...

Tosin Abasi: ... echt?

Ja, ich hatte euch über den hiesigen Promoter im Herbst eine Mail zukommen lassen, denn "Weightless" war für mich die CD des Jahres....

Tosin Abasi: ... cooool! Danke!

... und ich sagte mir: mit dem Kerl musst du unbedingt mal quatschen. Aber leider wart ihr dann direkt auf Tour und nicht erreichbar.

Tosin Abasi: Oh, die meiste Zeit waren wir am Touren. "Weightless" kam im November raus, kurz davor haben wir schon paar Shows mit DEFTONES gespielt und wir hatten dann eine US-Tour. Also alles in allem eine Menge Shows. Da haben wir aber hauptsächlich Material vom ersten Album gespielt. Dies ist nun die erste Tour, auf der wir mehr von "Weightless" spielen.

Ich glaube, letztes Jahr wart ihr für eine einzige Show nach Frankfurt gekommen....

Tosin Abasi: Ja, das war unsere erste Show außerhalb der USA. Das war eine interessante und enge Location. Ähnlich wie hier das "Underground", aber hier spielen ja viel mehr bekannte Bands. Uns hat es auf jeden Fall sehr gut hier gefallen.

Dann kamt ihr im März zurück nach Frankfurt, aber dann auf die Internationale Musikmesse. Da laufen natürlich eine Menge Musiker herum. Was ist so der Unterschied, ob man vor normalem Publikum spielt oder auf einer solchen Messe?

Tosin Abasi: Auf normalen Gigs hast du natürlich deine Fans, spielst deine Musik, und die gehen ab. Auf der Messe hatten wir eher neugieriges Publikum, welches vorbeikam und dachte 'Was ist das?'. Junge Leute, alte Leute, Drummer, Mikrofontechniker, Manager, einfach alles. Man bekommt eine andere Aufmerksamkeit, aber ich glaube, die Shows waren OK. Es war der erste Auftritt unseres neuen Drummers Matt. Er war sehr nervös. Alle Leute von Tama und Meinl waren da, und die haben so viel Geld in unseren Gig gesteckt, und er wollte natürlich alles gut machen.

Ihr seid also durch diese Firmen zur Messe gekommen?

Tosin Abasi: Ja, Hoshino hat Tama und Ibanez, und Meinl vertreibt diese in Europa. Es ist ein sehr großer Konzern und hat natürlich eine entsprechende Präsentation auf der Messe.

Ich habe mal gehört, ANIMALS AS LEADERS gehen auf eine Idee von Prosthetic Records zurück. Stimmt das?

Tosin Abasi: Ja. Die Idee war ursprünglich, ein Gitarren-Soloalbum im Stil von Vai oder Satriani zu machen. Zu dieser Zeit fühlte es sich aber nicht gut an, denn bei REFLUX dachte ich schon, ich spiele alles, was ich spielen kann. Und dann einfach nur den Sänger wegnehmen? Ich wusste nicht, ob das gut werden würde. Ich verbrachte dann noch ein Jahr mit einem Musikprogramm, und danach schien die Idee eines Solo-Albums attraktiv. Wir machten aber eine kleine Änderung und stellten es als Band auf. Damit wir mehr Leute ziehen.

Es ist also kein Solo-Projekt, sondern eine echte Band?

Tosin Abasi: Tja, wie soll ich das erklären... ich bin für eine Menge verantwortlich. Es sind meine musikalischen Ideen. Aber ich wollte lieber immer mit den gleichen Leuten arbeiten und mit ihnen einen homogenen Sound entwickeln.

War es schwer, so gute Musiker zu finden, die diese Musik auch spielen können?

Tosin Abasi: Nein, überhaupt nicht! Das hört sich jetzt verrückt an, aber es gibt eine Menge Leute, die verdammt hart üben. Wenn du wirklich willst, findest du sie auch. Ich kenne Drummer, die notieren sich jeden einzelnen Schlag, und du siehst sie anschließend den Kram perfekt runterspielen. Navene Koperweis habe ich damals mit seiner alten Band ANIMOSITY gesehen. Das war ein anderer Stil, aber er hatte diese Energie. Und er war ein Freund. Das war natürlich noch besser. Und auch Javier kenne ich schon seit Jahren.

Habt ihr bei der zweiten CD etwas anders gemacht, z.B. was das Songwriting oder die Aufnahmen angeht?

Tosin Abasi: Ja, es gab eine Menge Änderungen. Das erste Album entstand durch mich und Misha Mansoor von PERIPHERY. Er ist Produzent und hat vor PERIPHERY eine Menge eigener Sachen veröffentlicht. Auf meinem ersten Album hat er vor allem das Schlagzeug eingespielt. "Weightless" wurde vor allem von Navene produziert. Er machte neben dem Schlagzeug auch die elektronischen Bestandteile, und auch die Arrangements haben wir zusammen gemacht. Es ist auf alle Fälle anders, enthält mehr Elemente, und der Hörer braucht einfach mehr Zeit. Das Witzige ist, dass ich die Ideen zum ersten Album schon hatte, bevor wir es machten; manche waren schon bis zu 5 Jahre alt. Was man nun bei "Weightless" hört ist, wie ich in der Zwischenzeit mein Gitarrenspiel verändert habe. Es ist in der Tat schon eine Menge, was die beiden Alben unterscheidet.

Wie gehst du ans Songwriting ran? Sammelst du Ideen oder hast du komplette Songs vorab im Kopf?

Tosin Abasi: Ich spiele andauernd Gitarre und sammle Ideen. Manchmal bringe ich mehrere davon zusammen in den Computer und wir setzen den Song zusammen. Es beginnt immer mit einer Gitarrenspur. Dann kommen die Drums und die Arrangements. Je mehr im Vorfeld komponiert ist, bevor wir ins Studio gehen, umso nahtloser ist die Komposition. Nehmen wir mal an, du hast zwei gute Parts, aber dazwischen ist eine Wand. Du brauchst einen neuen Abschnitt, der diese Parts auf natürliche Weise verbinden soll. Das kann einen schon bisschen aufhalten. Z.B. wenn du verschiedene Tonarten hast, das sind alles so Probleme, die dabei auftreten können. Das ist ein evolutionärer Prozess.

Von welcher Art Musik bist du persönlich beeinflusst?

Tosin Abasi: Ich höre zur Zeit eine Menge Jazz. Kurt Rosenwinkel, Adam Rogers; das sind Bebop-Gitarristen, aber ihr Jazz ist in meinen Augen genau das, was ich mit Metal machen möchte. Es ist nicht traditionell, sondern etwas progressiver und abenteuerlicher. Besonders die Verwendung von Melodien.

Mit der Metal Szene hast du dann ja nicht so viel zu tun, oder?

Tosin Abasi: Doch, früher schon, und ich glaube schon, dass ich noch dazugehöre. Metal ist wunderbar, die musikalische Aggression sehr befriedigend. Ich mag diesen Metal-Geist, diese Dunkelheit. Aber diese Erfahrung machst du auch bei anderer Musik. Und ich habe ja auch noch viel davon in meinem Gitarrenspiel; der ganze Shredkram und so. Aber ich höre gerne Musik außerhalb des Metals und schreibe dann Metal-Musik. Das erweitert deinen Sound.

Deine alte Band, REFLUX, ging aber wesentlich geradliniger nach vorn, so mit Death Metal und Hardcore. Macht dich beides gleichermaßen zufrieden?

Tosin Abasi: REFLUX war mehr eine Band. In ANIMALS AS LEADERS hab ich mehr kreative Kontrolle. Wir waren damals jünger, und wir wollten zur Hardcore-Szene mit KILLSWITCH ENGAGE und den ganzen Bands gehören. Die Musik war ein Korsett. Bei ANIMALS AS LEADERS spielt das alles keine Rolle. Ich möchte damit nirgendwo reinpassen. Ich denke, ich bin als Gitarrist in der Zwischenzeit gewachsen. Ich vergleiche das oft mit MESHUGGAH. Bei denen findest du auch diese einzigartigen Rhythmus-Sachen, und sie benutzen auch 8-Strings. Und bei Mathcore ist es dieses DILLINGER ESCAPE PLAN Ding. Sehr verrückt. Aber MESHUGGAH sind im Prinzip meine Metal-Butter und mein Metal-Brot. Als ich die zum ersten mal gehört habe, dachte ich zuerst, meine CD wäre kaputt. Aber ich musste an diesen Dingen auch erst einmal wachsen, verstehst du?

Du kennst sicher Devin Townsend? 'New Eden' erinnert mich stark an ihn.

Tosin Abasi: Yeah! Der macht auch faszinierende Musik! STRAPPING YOUNG LAD waren genauso fantastisch. Ja, stimmt, es gibt ein paar Parallelen. Wir könnten mal unsere Schnittmengen ausloten. Der Kerl ist klasse.

Kannst du dich noch an den Tag erinnern, als du dich entschieden hast, Gitarrist zu werden?

Tosin Abasi: Uff, nein, aber die ungefähre Zeit. Da war ich so zwölf. Ich hatte einen Skateboard-Kumpel, der hatte eine Gitarre und bekam Unterricht. Den hab ich mal gefragt, ob er mir was zeigen könnte. "Zeig mir METALLICA!" Immer, wenn ich zu ihm nach Hause kam, schnappte ich mir seine Gitarre. Und dann habe ich meinen Vater gefragt, ob er mir auch eine kaufen könnte.

Hast du dann auch Stunden genommen, oder dir alles selbst beigebracht?

Tosin Abasi: Alles selbst beigebracht. Ich hatte Videos mit so Hair-Metal-Gitarristen. Paul Gilbert, Yngwie Malmsteen.... - ich habe mir die Videos angesehen und die Finger beobachtet. Immer wieder zurückgespult und eine Menge geübt. Es war leicht, denn Technik kommt ohne Theorie aus. Du musst einfach nur so schnell sein wie du kannst. Es ist wie Leistungssport. Aber als ich später Allan Holdsworth hörte, wollte ich auch die Sachen dahinter verstehen.

Yngwie ist aber im Gegensatz zu dir ein großer Showman...

Tosin Abasi: Er kommt einfach aus einer anderen Zeit. Er ist mehr Rock'n'Roll. Mein Kram braucht einfach volle Aufmerksamkeit. In einer perfekten Show wäre die visuelle Erfahrung natürlich größer, aber du wirst uns nie über die Bühne rennen sehen. Es muss sich mehr in deiner Vorstellung abspielen. Zumal ich auch immer in Reichweite meiner Pedale sein muss.

Du bist ja auch mit bisschen Equipment unterwegs. Darunter auch einige 8-Strings. Zur Zeit spielst du Ibanez - sind das Custom Models oder reguläre Klampfen?

Tosin Abasi: Aktuell ist es ein Custom Model, es ist aber sehr nah an der Serie. Ich habe nur Details geändert. Das Body-Holz ist ein anderes, der Hals ist aus anderem Holz, aber die Hardware ist identisch. Ich finde die Serie sehr gut und hatte einfach die Gelegenheit, mir ein Custom-Modell machen zu lassen.

Spielst du außer Ibanez auch andere Marken?

Tosin Abasi: Ich habe um die elf Gitarren. Manche davon sind ziemlich durchgeknallt. Einige Headless-Modelle von einem schwedischen Gitarrenbauer namens Ola Strandberg. Dann von einem amerikanischen Gitarrenbauer, Rick Toone, der verbaut einen Hals aus Aluminium .... warte, ich zeig's dir! Das ist die verrückteste Gitarre, die du je gesehen hast. imgright

(Tosin verschwindet kurz im Nachbarzimmer und kommt mit diesem Teil wieder)

Verdammt abgefahren ....

Tosin Abasi: Mhm! Und das Griffbrett ist aus Plastik. Seine Maschinen nutzen ein CAD-System. Er arbeitet mit einer Firma zusammen, die Luftfahrt-Hardware aus Aluminium herstellt. So... yeah! Ich habe einige sehr interessante Gitarren....

(Es folgt noch eine ausführliche Demonstration der Gitarre inkl. Selbstversuch des Interviewers, der allerdings angesichts der 8 Seiten gnadenlos hilflos war....)

Tosin Abasi: Aber auf der Bühne darf ich das Ding nicht spielen. Obwohl .... mal gucken .....

Wieviele Gitarren nimmst du denn auf Tour mit?

Tosin Abasi: Drei. Die Ibanez, die du beim Gig gesehen hast, dann noch das Serienmodell davon als Backup, und hier die hab ich zum Komponieren mit, weil ich das Tuning umstellen kann. Sie inspiriert mich einfach am meisten. Total alienmäßig.

In welchem Tuning spielst du?

Tosin Abasi: Standard. Beinahe. Die achte Saite stimme ich als E. Normalerweise ist das F#. Mit E kann ich aber da unten die Quinte mit Powerchords spielen.

Und welche Effekte hast du so auf der Bühne dabei?

Tosin Abasi: Wir haben das Art-FX2 im Einsatz, da sind eigentlich alle Effekte drin. Dazu kommen nochmal individuelle Reverbs, Delays, Kompressoren für die cleanen Sounds und Tapping.... also nichts Besonderes. Mit meinem Pedal kann ich dann zwischen 5-7 Presets umschalten.

Und der Ersatz für die Bassgitarre wird dann also rein von den tiefen Gitarrenseiten übernommen?

Tosin Abasi: Ah, nicht wirklich. Wir nutzen dazu einen Synthie namens Massive. Das ist auch der Grund, warum wir nach Click spielen. Diesen Bass spielt also niemand wirklich. Wir sind ein Hybrid, bestehend aus Band und Elektronik. Für die Zukunft wollen wir das Thema "Bass" aber noch weiter ausbauen.

OK. Zum Schluss dann aber noch die Fragen aller Fragen: Röhrenamp oder Software-Modeller? imgright

Tosin Abasi: (lacht) Ähemmmm.... JA! (lacht). Reicht das? Also als Amp ist Röhre unschlagbar. Aber für andere Gelegenheiten, wie z.B. Recordings, willst du Software. Du bist damit so flexibel. Verbinde einem Gitarristen die Augen, spiele ihm einen aufgenommenen Marshall-Stack vor und danach eine Software-Variante davon. Er kommt nicht drauf. Das Gefühl beim Spielen über ein Amp ist zwar ein anderes, aber am Schluss zählt der Sound. Und du kriegst tollen Sound aus Software raus. Nimm nur das aktuelle MESHUGGAH-Album - da hörst du ein Steinberg-Plugin! Und es klingt einfach geil. Ich weiß zwar, dass sich Gitarristen in aller Welt die Köpfe über diese Frage zerbrechen, aber das ist wie Religion. Man sollte aber objektiv bleiben. Die Leute, die auf Röhren stehen, werden nie etwas anderes akzeptieren, weil sie nun mal daran glauben. Aber das ist doch nicht objektiv. Wenn etwas gut klingt, kann ich es auch nutzen.

Tosin, dann danke ich dir für deine Zeit, und freue mich schon auf's nächste Mal!

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