Blind Guardian - The God Machine

Review von Damage Case vom 22.09.2022 (10192 mal gelesen)
Blind Guardian - The God Machine Prolog: Meine Geschichte mit BLIND GUARDIAN ist eigentlich gar nicht existent. Obwohl ich sogar in Krefeld studiert und sie damals um 2003 in ihrem Wohnzimmer, der Krefelder KuFa, live gesehen habe, kann ich keine fünf Melodien von ihnen vorsingen. Und wenn, dann stammten diese alle von "Imaginations From The Other Side" - dem Meisterwerk von 1995, das ich als einziges jemals physisch besessen habe und ich anerkennend als eins der fünf besten Metal-Alben aus Deutschland bezeichnen würde. Nachdem ich einige Vorabsongs von "The God Machine" gehört habe und mitbekam, dass das Album wohl so etwas wie eine Rückkehr zu alten Stärken sein könnte (so jedenfalls habe ich auch die aktuelle Titelstory im Rock Hard gelesen), möchte ich mich einfach mal an einem Review aus unbedarfter Sicht versuchen. Die geschätzte Meinung des Kollegen Cornholio als Erstrezensent soll durch diese Zweitbetrachtung in keiner Weise Abrede gestellt werden. Dafür hat er auch viel mehr Ahnung von der Band als ich. Vielmehr ist dieses Review ein Blick auf "The God Machine" aus Sicht eines bekennenden und gleichsam verblüfften Nichtfans.

Irgendwann in den frühen 1990ern hieß diese Musik einmal Melodic Speed Metal. Die angesagten Kapellen waren "big in Japan" und "Krefelds Finest" wurden als die heißesten Nachfolger der dahin siechenden HELLOWEEN gehandelt. Ich jedoch habe die "Blinden Gardinen" für mich seit dem Erstkontakt, der EP "Past And Future Secret" (1995), stets als Tolkien-Metal abgespeichert. Das berührte mich mal weniger ("Imaginations From The Other Side") und mal mehr (alles danach) peinlich. Doch habe ich in jedes Album stets bei Veröffentlichung mehrfach reingehört - um dann wieder zu merken, dass es mit mir und den Jungs wohl einfach nicht über besagten One Night Stand hinauslaufen wird. Und so war ich auch im Sommer 2022 erneut "bester Dinge" ein weiteres Album aus Krefeld mit dem obligatorischen Reinhören abspeisen zu können. Doch weit gefehlt. Brecher wie der Opener 'Deliver Us From Evil', 'Violent Shadows' oder 'Blood Of The Elves' hauen dem Schwermetaller in mir fett ins Mark. Auch wurden die Orchesterelemente inklusive sämtlicher Bombastlasten auf ein Minimum heruntergefahren, was ja nach dem komplett von einem Orchester eingespielten Quasi-Vorgänger "Twilight Orchestra: Legacy Of The Dark Lands" (2019) ohnehin nicht mehr steiger- oder glaubhaft reproduzierbar gewesen wäre. Also konzentriert sich die Band auf ihre klassischen Stärken und rattert durch die knapp über 50 Minuten, wie sie es in den frühen Neunzigern zuletzt tat - das Dargebotene ist deutlich näher an melodischem Thrash denn an Symphonic Metal. Satt und deutlich entschlackt sowie aufs Wesentliche reduziert produziert von Charlie Bauerfeind holen BLIND GUARDIAN all jene Fans ab, die spätestens seit "Beyond The Red Mirror" (2015) ihre Gefolgschaft in Frage gestellt haben. Hierfür hagelt es immer noch Chöre satt, die Hansi geschickt an allen kitschigen Klippen vorbei dirigiert. Sein Organ ist mittlerweile rau und melodisch zugleich. Was im Lauf der Zeit doch so alles aus brauchbaren Bassisten werden kann? Das Songwriting des Gespanns Kürsch und Olbrich ist inzwischen wahrscheinlich über die deutsche Landesgrenze hinweg konkurrenzlos. Welche Band schreibt modernen mitreißenden Traditionsmetal der Marke 'Life Beyond The Spheres', der sechs Minuten lang powert, ohne sich gefühlt auch nur an einer Stelle zu wiederholen? Der musikalische Blick zurück über die eigene Schulter beinhaltet jedoch keine inhaltliche Rückbesinnung - Hobbits, Drachen und sonstige Fantasiefiguren müssen diesmal draußen bleiben. Nochmal in aller Deutlichkeit: Mit "The God Machine" zeigen die Krefelder mit all ihrem heutigen Können, wie sie den Stil ihrer ersten fünf Alben 2022 interpretieren - eine pure Machtdemonstration ohne Durchhänger oder Füllstoff. Ein letzter Satz zur Optik: Das farblich brillant umgesetzte Albumcover von Peter Mohrbacher ist erfrischend unkitschig und bedient keinerlei Hobbit-Klischees.

Fazit: Wo steht dieses Album im Gesamtschaffen der Band? Keine Ahnung, es spielt auch keine Rolle. Ein neues Album von BLIND GUARDIAN gilt stets zurecht als große mediale Nummer im Blätterwald und an der digitalen Front. Waren alle Alben nach 1998 doch eher zwiespältig aufgenommen worden, so schaffen es Hansi & Co. 2022 sogar, einen eingefleischten Nichtfan davon zu überzeugen, dass "Imaginations From The Other Side" keine Eintagsfliege im Plattenschrank bleiben soll. Die Vermischung von klassischem Speed Metal und innovativen Ideen gelingt der Band so mitreißend und schablonenfrei wie keiner anderen Band dieses Genres. Leider geil und bisher meine persönliche positive Überraschung 2022.

Drei Anspieltipps: 'Deliver Us From Evil' schiebt ab der ersten Sekunde und mag Stammfans in Verzückung bringen, die über die komplette Laufzeit nicht abflachen wird, dann das super komplexe und eingängige 'Secrets Of The American Gods' und das nachdenkliche 'Let It Be No More' sind noch die ruhigeren Momente von "The God Machine".

Gesamtwertung: 9.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Deliver Us From Evil
02. Damnation
03. Secrets Of The American Gods
04. Violent Shadows
05. Life Beyond The Spheres
06. Architects of Doom
07. Let It Be No More
08. Blood Of The Elves
09. Destiny
Band Website: www.blind-guardian.com
Medium: CD, LP
Spieldauer: 53:01 Minuten
VÖ: 02.09.2022

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Mir gefällt das neue Album auch sehr gut. Mir wurde es auf den letzten zwei, drei Alben schon zu viel mit dem Bombast. Das Orchesteralbum habe überhaupt ausgelassen.
9/10   (02.10.2022 von des)

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