Interview mit Lutz de Putter von Mandrake

Ein Interview von Opa Steve vom 03.06.2010 (6255 mal gelesen)
Der Kopf hinter MANDRAKE gab uns die Einblicke in eine angenehm pragmatische Sicht des Musikerdaseins und die Metal-Szene.

Hallo Lutz! Wie fühlt ihr euch jetzt, nachdem die CD endlich auf dem Markt ist. Aufgeregt, oder eher entspannt?

Lutz de Putter: Oh, wir sind schon froh, dass sie endlich draußen ist, denn wir haben sie ja schon im Juli 2009 aufgenommen. Im September stand dann auch das Artwork, und es war auch noch das Release für Ende 2009 geplant. Das ging aber wegen der Plattenfirma aus irgendwelchen Gründen nicht. Nun, jetzt ist sie endlich draußen, die ersten Reviews sind da - teilweise durchwachsen, aber auch einige erfreuliche - und jetzt hoffen wir halt, dass sich das auch in den Verkaufszahlen niederschlägt. Schließlich steckt da ja auch eine Menge Herzblut drin und man verbindet emotional eine Menge damit. Gerade da ich der einzige bin, der die Songs schreibt, fühle ich mich schon persönlich angesprochen, wenn das Album in einem Magazin niedergemacht werden sollte.

Was ist denn deine persönliche Meinung über das Album? Unsere Kritik hast du ja schon gelesen...

Lutz de Putter: Ich habe schon während des Songwritings gemerkt, dass die Richtung etwas düsterer wird, weg von der Leichtigkeit von "Mary Celeste". Ich halte "Mary Celeste" immer noch für ein gelungenes Album, vielleicht sogar besser als "Innocent Weakness". Letzteres ist nicht so homogen, sondern vermischt düstere Elemente mit poppigen. Einige finden es gut, dass es abwechselungsreicher ist, andere meinen halt "Hmmm, OK, das Gegrunze hätte er sich sparen können.", hahaha. Daher warten wir wie immer erst einmal ab.

Ihr hattet ja mit "Mary Celeste" einige fantastische Kritiken eingefahren. Hat euch das unter Druck gesetzt?

Lutz de Putter: Ja, ich hab auch überlegt, was ich nach diesem Album machen soll. Das Thema "Meer" war schon etwas ausgelutscht, und ich wollte mich nicht einschränken lassen. Das war schon schwierig, weil "Mary Celeste" das wichtigste Album für uns alle war.

Und deswegen lotet ihr auf dem neuen Album die Extreme aus. Ihr habt wieder die Growls der Death-Metal-Wurzeln drin, und Birgits Gesang ist poppiger. Das Gothic-Element tritt etwas in den Hintergrund - ist das Absicht?

Lutz de Putter: Nein, das ist irgendwie so passiert. Wir nehmen immer mit Gitarre und Drums im Proberaum eine Rohversion auf, die wir dann rumschicken und jeder sich ein paar Ideen dazu ausdenkt. Entschieden wird aber erst im Studio. Wir haben z.B. gesagt, dass wir mal weniger Keyboard unter die Gitarren legen wollten, und allein deswegen war das Album schon mehr Metal als Gothic. Ich halte den Gothic-Markt auch etwas für überlaufen und sagte mir "Hey, du kommst aus einer Death-Metal-Richtung", und da wollten wir auch wieder hin zurück.

Auf der anderen Seite wurden viele Chöre wie im 80er Pop arrangiert...

Lutz de Putter: Ja, für den Gesang geb ich dir völlig Recht. Das war aber eine völlig ungeplante Entwicklung. Das ist Birgits freie Möglichkeit, sich ins Songwriting einzubringen. Ich kann aber mit beiden Stimmen leben, sowohl ihrer tiefen, als auch mit der hohen poppigen. Es geht ja mehr um den Ausdruck als um hochpolierte Dinge wie z.B. Tarja Turunen.

Ihr seid also nicht so die klassische Proberaum-Band. Woran liegt das?

Lutz de Putter: Wir wurden damals in Emden gegründet, und es war eine totale Kumpelmannschaft. Das ging 2 Jahre gut, aber dann fingen wir an, uns auf den Sack zu gehen, weil jeder noch irgendein tolles Riff irgendwo einbauen wollte. Das ständige Basteln an den Songs hat dann irgendwann zu Frust geführt, und ich habe nach dem ersten Album die komplette Mannschaft gewechselt. Dann hat der Studiomensch gesagt, "Hey, ich komme von RUMBLE MILITIA und bin Drummer, lass uns das doch mal machen", und wir hatten damit ein Studio zur Verfügung. Ich konnte mit paar Riffs vorbeifahren, er schaltet das Mikro ein, und dann fahr ich wieder heim. Und ich habe gemerkt: das geht ganz gut! Und daher haben wir seit 2001 keinen Proberaum mehr. Deswegen muss ich leider immer absagen, wenn uns mal jemand in 14 Tagen auf die Bühne schicken will.

Ist das der Grund, warum ihr euch live so rar macht?

Lutz de Putter: Richtig, wir sind da überhaupt nicht flexibel, da wir erst die Mannschaft im Vorfeld zusammenbekommen müssen, die total verteilt in Deutschland lebt. Und den Aufwand betreibe ich nicht für irgendeinen einzelnen Gig vor 20 Besoffenen, wo wir noch auf den Spritkosten sitzenbleiben. Was für uns mal interessant wäre, ist wenn eine größere Band wie XANDRIA oder ELIS mit einem freien Opening-Slot auf uns zukämen. Dann hätten wir auch die Chance, mal 2 Wochen am Stück zu spielen. Was uns auch fehlt ist der Kontakt zu anderen Leuten. Wir klüngeln uns immer selber einen zurecht. Wir haben bisschen Kontakt zu DEW SCENTED oder auch einigen Bands in Griechenland, aber wir gehören nicht zu den Leuten, die den ganzen Tag im Internet rumhängen und andere Bands kontaktieren. Wir sind gar nicht richtig in der Szene drin. Ich höre meinen Heavy Metal zuhause, gehe arbeiten, mähe noch Rasen, und dann ist gut. Die Leute werden alle älter, einige arbeiten sich bei VW den Buckel krumm, und so ist es halt. Für mich ist Metal ein guter Ausgleich, ich mach das gerne, aber es ist heute einfach nicht mehr mein Ding, jedes Wochenende einen draufzumachen und nach all meiner Arbeit noch bis Freiburg zu düsen und vor einem JUZ-Stammpublikum zu spielen, dem die Band sowieso egal ist. Man ist halt keine 20 mehr.

Das geht uns allen so. Und am Ende des Tages soll ja auch noch was zu futtern auf dem Tisch stehen. Was mich aber noch sehr interessiert ist der MANDRAKE-Sound. Man erkennt ihn sofort. Hast du für deine Riffs ein besonderes Rezept?

Lutz de Putter: Zuerst hab ich mal eine total seltsame Gitarrenstimmung. Dadurch kann ich ganz anders greifen, und wir sind in der Lage, ganz komische Dinge zu mischen, und die Riffs hören auch nicht nach 4 Takten auf. Und das merkt kaum jemand, deswegen finde ich das total geil, dass du das ansprichst. Ich bin kein Gitarrist, der Noten lesen kann, aber wenn man das alles nicht gelernt hat, hat man auch viel mehr Freiheiten, mal was nicht schulmäßiges einzubauen.

Du hast ja Death-Metal-Wurzeln wie du eben erwähntest, Jörg war bei RUMBLE MILITIA, was haben denn die anderen so für Backgrounds?

Lutz de Putter: PARADISE LOST's "Gothic" war eine Einstiegsdroge für mich, und ich kam sehr schnell zum düsteren Metal wie MY DYING BRIDE oder TIAMAT. Julius ist relativ jung und kommt aus einer Musikerfamilie. Der ist normalerweise in irgendwelchen Jazz-Geschichten unterwegs. Dem musste ich erst einmal zeigen, wie man im Metal schrubbelt, das kannte der gar nicht....

Wie bekommt man denn solche Leute denn motiviert, Metal zu spielen?

Lutz de Putter: Er hat damals mit seiner Band im gleichen Studio aufgenommen. Wir haben ihn gefragt, weil er gut spielen kann, und er hat einfach zugesagt, hahaha! Er ist halt ein echter Freak, und für uns ein echter Glücksfall. Birgit kommt aus dem Rock/Metal-Bereich, ich glaube DREAM THEATER war so ihr Einstieg. Jörg kommt aus einer reinen Rock'n'Roll-Schiene, ist mit KISS groß geworden - geradeaus und laut. Garvin hat früher bei MEPHISTOPHELES gespielt, einer sehr experimentellen und anspruchsvollen Black Metal Band.

Lass mich noch eine Frage zu eurem Seefahrts-Image stellen. Lag das an eurer Region, dass ihr euch darauf eingelassen habt? Denn das Thema ist im Metal bisher eigentlich nur durch RUNNING WILD besetzt gewesen - wenn auch völlig anders.

Lutz de Putter: Wir haben das nie richtig als Image gesehen. Als Kinder haben wir noch mitbekommen, wie Schiffbrüchige auf dem Wattenmeer gestrandet sind. Auch durch die Arbeit auf Fischkuttern, teilweise auch in der Familie, sind wir damit verbunden. Auch heute verschwinden noch Fischkutter. Und ich habe gemerkt, dass das ein interessantes Thema ist, weg von allem Gothic-Klischees. Wir haben es bei "Mary Celeste" natürlich auf die Spitze getrieben, aber ansonsten war das überhaupt kein Plan für ein Bandimage. Ich habe aber in der Zwischenzeit festgestellt, dass das Thema "Einsamkeit" und auch Anonymität in unserer Gesellschaft immer mehr ein ganz reales Thema werden. Ausgrenzung durch HartzIV, aber auch Alleingelassen-werden von älteren Menschen... das ist für mich der falsche Weg, und diese moderne Isolation kann als Thema genauso einfließen. Aber auch "Mary Celeste" hatte ja einen sehr realen Bezug. Mich hat die Geschichte fasziniert, die dahintersteckt. Was auf diesem Schiff passiert ist. Und da wir uns schon drauf eingelassen haben, haben wir das auch durchgezogen. Inklusive der Fotos. Aber allein mit einem Image kommt man nicht voran. Irgendwann gehen die Ideen aus, und das werden Bands wie THE VISION BLEAK auch merken. Daher werden wir sicherlich nicht nochmal ein Album über einen Kutter machen. Viel wichtiger sind die Songs, und wohin die Thematik geht, werden wir sehen.

Dann bin ich auch mal gespannt, wie es mit MANDRAKE weitergeht.

Lutz de Putter: Du, das ist ehrlich gesagt eine reine Kostenfrage. Mittlerweile gibt es ja fast nur noch Bandübernahmeverträge, d.h. ich muss als Band die Produktion vorfinanzieren. Aber ich werde mich mit Homerecording noch etwas befassen - vielleicht bin ich ja dadurch in der Lage, schon mal Vorproduktionen selbst zu machen, und das spart ja auch wieder Geld. Irgendwie geht's natürlich immer weiter, denn aufhören kann ich nicht. Und das ist ja auch gut so, denn es ist ein Teil meines Lebens.

Ja, damit wären meine Fragen auch alle beantwortet - jetzt darfst du noch die berühmten letzten großen Worte an unsere Leser richten!

Lutz de Putter: Oh Gott, die letzten großen Worte.... für mich ist es einfach wichtig, dass die Leute mal reinhören und Notiz nehmen. Dann werden sie vielleicht feststellen "Neee, das ist überhaupt nichts für mich", oder auch denken "Vielleicht kauf ich mir das Album". Aber dass sie merken, da ist eine Band, die nicht nach WITHIN TEMPTATION, XANDRIA und wie sie alle heißen klingt.

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