Interview mit Gitarrist Tim Born und Sänger Fares Rahmun von Geist

Ein Interview von Stormrider vom 12.02.2011 (7842 mal gelesen)
GEIST haben Ende Januar ihr zweites Album "Feuerengel" an den Start gebracht. Gitarrist Tim Born und Sänger Fares Rahmun standen für ein Interview zur Verfügung und gewährten uns Einblicke in die Entstehung des abwechslungsreichen Albums.

Hallo nach Köln! Als Erstes meinen Glückwunsch zum Einstieg in die Deutschen Clubcharts mit Eurer Single 'Feuerengel'. Ein toller Start ins neue Jahr für GEIST, oder?

Tim: Allerdings! Mit so einer Resonanz hatten wir und auch unsere Partner nicht gerechnet. Bis auf Platz 8 haben wir es mit der Single geschafft. Und genau auf diesem Platz befinden wir uns derzeit auch mit dem Album. Das freut uns natürlich ungemein, wenngleich so eine Platzierung in ihrer Bedeutung für uns nicht wirklich greifbar ist. In jedem Falle haben wir von einigen Club-DJs direktes, positives Feedback hinsichtlich der Dancefloor-Killer-Qualitäten unseres Titeltracks bekommen.

Wieso habt Ihr genau diesen Track als Opener und Titelgeber für das Album ausgewählt?

Tim: Hier war einfach die Stärke des Worts 'Feuerengel' ausschlaggebend. Uns gefiel das innewohnende Gefühl von Stärke, Atmosphäre, Leidenschaft, Chaos und eben auch einem Hauch Spiritualität. Das, was GEIST vielleicht letztlich auch auszeichnet. Titeltrack wurde es, weil das Drumstakkato zu Songbeginn ein idealer Kick-off für das Album ist. Mit dem darauffolgenden Riff sind Song, Platte und Band einfach direkt zu 100% da.

Fares, wer oder was ist der Feuerengel? Kannst Du bitte den lyrischen Inhalt etwas mehr aufschlüsseln, denn in den Strophen wählst Du gegensätzliche und kryptische Worte, während die letzte Bridge sehr direkt ist und einen fast schon selbstvorwurfsvollen und offenen Ton anschlägt.

Fares: Klar könnte ich den Text aus meiner Sicht genau aufschlüsseln, denn natürlich habe ich einen persönlichen Bezug dazu. Ich finde es aber schöner und wichtiger, wenn dem Zuhörer die Möglichkeit offen bleibt, sich seine eigenen Bilder und Interpretationen zu unseren Songs zu machen. Sagen wir nur so viel, dass es sich beim Feuerengel um ein Wesen handelt, das sich mit seinem Handeln selbst schadet und das man gerne davor beschützen möchte.

Der Song geht, Dank seinem eingängigen Refrain, ja sofort ins Ohr. Das ist für Euer Album aber nicht allgemeingültig. Wie schon in meinem Review erwähnt, habt Ihr ein Album abgeliefert, welches sich schwer in eine bestimmte Schublade stecken lässt. Ich weiß, dass Musiker sich immer schwer damit tun, das eigene Schaffen entsprechend zu bewerten, da Ihr aber zwischen einer Menge musikalischer Stühle sitzt, wie würdet Ihr selbst eure Musik charakterisieren?

Tim: Mit oft kolportierten Namen wie Tool oder Pearl Jam assoziiert zu werden ehrt uns natürlich, letztlich ist die Frage der Kategorisierung jedoch keine der unseren. Wenn ich gefragt werde, was GEIST für Musik macht, sage ich meist: sehr energetische und atmosphärische Rockmusik mit deutschsprachigem Gesang.

Ihr verwebt sehr viele unterschiedliche Musikrichtungen in den einzelnen Songs. Da bei so unterschiedlichen Stilen die man auf "Feuerengel " findet nicht davon auszugehen ist, dass Ihr alle vier exakt die gleichen musikalischen Vorlieben habt, wo seht Ihr selbst eure größten musikalischen Einflüsse?

Tim: Das ist schwierig, da es a) bei jedem Einzelnen von uns stark unterschiedlich ist und es b) ständigen Veränderungen oder Entwicklungen unterliegt. Das sieht man sehr gut an der derzeitigen Lieblingsplatte von jedem von uns. Fares: STINA NORDENSTAM "People Are Strange", Oli: CONSOLE "Herself", Tim: GOMER PYLE "Idiots Savants", Anton: TOOL "AEnima".

Wie kann man sich Euren Kreativprozess vorstellen? Werden alle Entscheidungen klassisch demokratisch getroffen oder gibt es doch jemanden der federführend agiert und die Richtung eines Songs vorgibt?

Tim: Unser Sound entsteht auf sehr organische Weise. Es gibt hier kein Kalkül, wie wir klingen wollen oder wie wir uns einordnen bzw. eben nicht einordnen wollen. Jedes Stück ist stets zu gleichen Teilen von uns allen. Bei GEIST gibt es keinen klassischen Songwriter. Unsere Musik entsteht im Kern aus dem spontanen Miteinander. Hier filtern wir die magischen Momente unserer Jams heraus und entwickeln daraus ein neues Stück. Manchmal entwickelt sich das auch so sehr von alleine, dass es hinterher auch kaum noch nachvollziehbar für uns ist, wie bestimmte Passagen und Stimmungen eigentlich entstanden sind. Vielleicht erklärt das ein wenig, warum wir rein kategorisch etwas schwer zu greifen sind. Letztlich stehen dahinter natürlich Bands und Einflüsse, die ein jeder von uns auf seine individuelle Weise verinnerlicht hat. Wir jammen sehr viel und nehmen alles auf was wir machen. Die Juwelen davon greifen wir auf und veredeln sie zu Songs. Das geht manchmal sehr schnell und wie von alleine, manchmal ist es extrem harte Arbeit und bedarf für den letzten Schliff auch mal einen Hint von außen. Insofern war unser Kreativproduzent Tim Buktu an der Produktion unseres Albums "Feuerengel" stark beteiligt.

Dann erläutere doch bitte den Einfluss von Tim Buktu auf das Album etwas genauer? Hat er zusätzlich in das Songwriting eingegriffen oder sich darauf beschränkt aus jedem von Euch die größtmögliche Kreativität und möglichst viel Gefühl herauszuholen?

Tim: Er war der Regisseur zu unserem Album. Das Drehbuch stammt zu 100% von uns, aber bei der Inszenierung hat er einen wertvollen Beitrag geleistet. Wir haben bereits Wochen vor den Recordings begonnen zusammen an Dynamik und Arrangements zu arbeiten. Im Studio herrschte dann eine höchst inspirierte Atmosphäre aus bereits erarbeitetem Masterplan und kreativem Chaos. Speziell im Bereich Sounds und Effekte haben wir sehr viel und unkonventionell experimentiert. Das Schöne war, dass wir auch, teils alle gemeinsam sowie in wechselnden Konstellationen, im Haus von Tim Buktu gelebt und gearbeitet haben. So kann man schöne Platten machen!

Ich möchte noch mal auf den lyrischen Teil des Albums zurückkommen. Die Texte decken, genau wie die Musik, ein breites Spektrum von sehr positiv, wie z.B. in 'Strom' bis hin zur Leck Mich Einstellung in 'Den Teufel Tun' ab. Fares, woher ziehst Du beim Texten Deine Ideen?

Fares: Erstmal vorab, nein, nicht alles über das ich singe, habe ich selbst erlebt oder gefühlt. Aber alle Songs sind sehr persönlich und spiegeln Erfahrungen, Gedanken oder Gefühle von mir oder aus meinem näheren Umfeld wider. Sagen wir, diesbezüglich wandere ich mit offenen Augen und anderen Antennen durchs Leben, sauge so etwas in mich auf und lasse es dann in Songs wieder heraus.

Zwischen Eurem ersten Album "Für Alle Zeit" und "Feuerengel" habt ihr 2008 noch eine Unplugged-EP veröffentlicht. Diese kann sehr fanfreundlich, mit komplettem Artwork und vor allem kostenlos, auf Eurer Homepage runtergeladen werden. Ist hier eventuell ein ähnliches Projekt mit Songs von "Feuerengel" geplant, oder gibt es gar (nicht für das Album verwendete) Songs aus den Recording-Sessions die auf einer weiteren EP veröffentlicht werden?

Tim: Wer weiß...

Lasst uns mal ein wenig in der Zeit zurückgehen. Eure Gründung im Jahr 2000 liegt ja nun schon ein paar Tage zurück. Von Newcomern kann man daher kaum noch sprechen. Was hat Euch auf eurem bisherigen Weg am meisten beeindruckt?

Tim: Da wir in den Bandjahren on und off the road so viele grundverschiedene und unvergessliche Momente erlebt haben, ist diese Frage unmöglich zu beantworten. Was nach wie vor sehr beeindruckend ist, ist das unfassbar nachhaltige Interesse oder besser noch, die große Liebe, die uns von vielen Fans bereits über eine lange Zeit entgegengebracht wird. Auch in der Zeit zwischen den Alben hörte der Zuspruch unserer treuen Fans nicht auf. Diese, unsere Basis hat also definitiv Substanz. Grundlegend dafür sind sicher, neben der Musik selbst, auch die Erlebnisse auf intensiven Konzerten. Hier gab es schlicht und ergreifend viele Ausnahmezustände, die wir niemals vergessen werden. Und so geht es unseren Fans wohl auch. Das Tolle daran, in einer Band zu spielen ist eben, dass du herum kommst, viele neue Leute kennenlernst und einfach tust, was du liebst. Im besten Fall wirst du dafür zurückgeliebt. Das erleben wir oft und dafür sind wir sehr dankbar.

Nach dem Blick zurück schauen wir nun nach vorne. Das Jahr hat ja gerade erst begonnen und auf Eurer Homepage werden für 2011 vielfältige Liveaktivitäten angekündigt. Ist mit einer längeren Tour zu rechnen oder werdet Ihr eher Einzelgigs und Festivals spielen?

Tim: Das liegt ehrlich gesagt nicht wirklich in unserer Hand. Wir sind mittlerweile von einer Mannschaft umgeben, die uns unterstützt. So haben wir auch im Booking-Bereich Partner, die versuchen das Optimale für uns zu organisieren. Ich kann nur soviel sagen: Wir werden in jedem Falle zu allen unseren Fanbastionen im Lande kommen und versuchen, darüber hinaus möglichst viele neue Flecken der Landkarte zu erobern. Auf www.geistreich.org und unseren anderen Portalen werdet ihr immer auf dem neusten Stand gehalten.

Wie sieht die Zukunft für GEIST aus, was sind Eure kurz- und mittelfristigen Pläne und was können wir von Euch in den nächsten Monaten noch alles erwarten?

Tim: Hör dir den Song 'Strom' auf unserem neuen Album an! Der sagt alles. Wir werden alles geben, um mit der Band soweit zu kommen, wie es geht. Das heißt kurzfristig: spielen, spielen, spielen! Also Leute, kommt auf unsere Konzerte und gebt uns die Chance euch zu packen. Und mittelfristig, wer kann denn schon wirklich mittelfristig planen?

Zum Schluss muss ich leider noch auf ein etwas unangenehmes Thema zu sprechen kommen. Bezüglich des Bandnamens gab es Querelen mit einer deutschen Black Metal Band gleichen Namens, die sich inzwischen umbenannt hat und sich daraufhin in Interviews ziemlich abfällig über Euch äußert. Wie geht ihr mit diesem Thema um und inwieweit hat sich die doppelte Namensnutzung für Euch bemerkbar gemacht bzw. welchen Einfluss hatte sie auf Euch.

Tim: Das möchte ich ganz knapp und sachlich abhandeln. GEIST existiert nachweislich seit 2000. Besagte Band benannte sich 2005 mit dem selben Namen und wurde kurz darauf von uns darauf hingewiesen, mit der Bitte um Änderung. Ganz ehrlich: Zu diesem Zeitpunkt hätte ich an deren Stelle direkt reagiert, da ich selbst kein Interesse an Verwechselbarkeit gehabt hätte. Die Herren waren anderer Ansicht, sicherten uns aber zu, mit der Band nur hobbymäßig unterwegs zu sein und ihre Platten niemals in einen Vertrieb zu geben. Diese Vereinbarung wurde gebrochen. Wir wurden von einigen Fans darauf aufmerksam gemacht, die fälschlicherweise deren Platten gekauft hatten, in der Annahme, sie wären von uns. Es herrschte (und herrscht leider teilweise immer noch) Verwirrung in den Musik-Katalogen. Daraufhin haben wir von unserem eindeutigen Namensrecht Gebrauch gemacht. Nicht mehr und nicht weniger.

Ich danke Euch für das ausführliche Interview und wünsche weiterhin viel Erfolg mit der Platte und ein spannendes Jahr an der Live-Front, die letzten Worte gehören selbstverständlich Euch.

Tim: Wir bedanken uns bei all unseren Fans und Unterstützern für ihre Liebe und ihre Geduld. Ich weiß, dass viele sehr lange auf unser neues Album gewartet haben. Ich hoffe, ihr mögt unsere neue Platte und bleibt auch weiterhin an unserer Seite. Wir werden alles tun, damit wir uns dieses Jahr noch sehen! Und an alle anderen, die uns noch nicht kennen: Wenn ihr auf Rockmusik steht und eine echte Live-Band zu schätzen wisst, macht eure Tür einen Spalt auf. Und wenn euch gefällt was ihr hört und seht, lasst uns rein! Über unsere Homepage kommt ihr in alle elektronischen GEIST-Gefilde. Zu Konzerten müsst ihr euren Arsch allerdings immer noch analog bewegen.

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