Lunar Funeral - Road To Siberia

Review von derkleinekolibri vom 06.10.2021 (5455 mal gelesen)
Lunar Funeral - Road To Siberia Tundra und Taiga, zwei aus der russischen Sprache nicht wegzudenkenden Worte, wenn man große Teile dieses riesigen Landes beschreiben möchte. Nicht ganz so groß und nicht ganz so wichtig, aber dennoch erwähnenswert sind die beiden Worte LUNAR FUNERAL. Die beiden Männer, die diese Band gegründet haben, heißen Evgeny Titov und Evgen Kalinichenko und stammen aus St. Petersburg. Die Veröffentlichung ihres Albums "Road To Siberia" war ursprünglich für den 24. Juli dieses Jahres vorgesehen, wurde aber um zwei Monate verschoben.

Ist unter den aktiven Doom-Hörern noch jemand dabei, der sich an den 30. Juni 1908 erinnern kann? Aus nachvollziehbaren Gründen vermutlich nicht, aber ähnliche Auswirkungen wie der damalige Asteroideneinschlag bei Tunguska (übrigens mal ein Albumtitel von GREYDON FIELDS) dürfte die Musik von LUNAR FUNERAL haben, würde man diese nur ausreichend verstärken können.

Das Duo lässt von der ersten Sekunde an einen gewaltigen Sound auf die begierige Hörerschaft los. Wer es nicht weiß, der vermutet niemals nur zwei Musiker hinter diesem Schwall an wabernden Klängen, die sich ausbreiten, als würden viele kleine Asteroiden auf Tundra und Taiga stürzen. Alles was nicht niet- und nagelfest ist, wird hinfort gefegt und in sämtliche Bestandteile zerlegt. Das sonore Spiel der Gitarren ist Synonym für die flüchtende Tierwelt, die dem Düsteren, was da auf sie zukommt und das sie instinktiv spürt, zu entkommen versucht.

Ortsansässigen russischen Bauern erzählte man Geschichten von Dämonen, die durch die Wälder wanderten und jeden ins Jenseits beförderten, der nicht rechtzeitig einen sicheren Unterschlupf fand. Vor meinem inneren Auge sehe ich jene Gestalten, die solche Geschichten verbreiteten, und zwar immer genau dann, wenn Gesang ertönt und vom schleppenden Rhythmus im Hintergrund überlagert wird. Werden die Gitarrenklänge rauer, sind es jene Momente, in denen die verängstigten Bauern Reißaus nehmen und zu entkommen suchen.

Jene, denen die Flucht nicht gelang, finden sich in den jammernden, quälenden Riffs wieder. Sie sind sehr zahlreich und man bekommt fast Mitleid mit ihnen. Doch auch für diese ruhelosen Seelen haben die beiden Russen Phasen der Erholung geschaffen, indem sie den Pegel der Musik sowie deren Aggressivität kurzzeitig herunterfahren.

Man muss sich auf LUNAR FUNERAL einlassen können. Wer das hinbekommt, erlebt einen genialen Trip auf der "Road To Siberia" und möchte diesen immer und immer wiederholen. Wer der „Eintönigkeit“ folgt, wird schnell merken, dass das hier gar nicht eintönig, sondern sehr vielschichtig ist. Da die Stimme in jedem Stück vermutlich anders elektronisch beeinflusst ist, dürfte klar sein, dass man sich Gedanken gemacht hat, wie man dem schleppenden, düsteren und stampfenden Rhythmus noch etwas gepflegte Härte beisteuern kann.

Das als Vinyl, Compact Disc und Cassette erhältliche Album reift mit jedem Durchlauf. Beim ersten Hören war ich mir noch nicht klar, ist das nun gut, oder welches Adjektiv entspräche am ehesten meiner (natürlich subjektiven) Beurteilung? Je öfter sämtliche Titel erschollen, um so tiefer konnte ich in deren Komplexität eintauchen; bei 'Silence' waren es dann leicht arabische Einflüsse, die mich aufhorchen ließen, schließlich eröffneten sich mir die Weiten von "Road To Siberia" und mir fielen die Parallelen zu Tunguska 1908 auf.

Gerne würde ich das Album mal während einer Fahrt in dunkler Nacht auf dem verschneiten Achensee-Pass hören. Wahrscheinlich gleitet man dann wie auf die Kufen die Serpentinen herunter.

Du stehst auf Doom? Dann ist das genau das richtige Album für dich!

Gesamtwertung: 8.5 Punkte
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Trackliste Album-Info
1. Introduce 4:54
2. The Thrill 11:10
3. 25th Hour 6:04
4. Black Bones 5:30
5. Silence 8:04
6. Your Fear Is Giving Me Fear 5:54
7. Don't Send Me To Rehab 11:44
Band Website:
Medium: CD, Vinyl, Tape
Spieldauer: 53:20 Minuten
VÖ: 24.09.2021

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