Interview mit Steve Beatty von October File

Ein Interview von Opa Steve vom 05.04.2010 (6429 mal gelesen)
Steve Beatty, der Bassist der Truppe, lässt sich kaum bremsen, wenn die Sprache auf das neue Album kommt - und er möchte natürlich auch den langsamen unter uns eine Chance geben, den Titel doch noch zu verstehen....

Dieses ist das erste Album, welches von der gleichen Besetzung geschrieben wurde, die es auch aufgenommen hat. Hatte dies Einfluss auf das Ergebnis?

Steve Beatty: Es dauerte lange, dahin zu kommen. Ich und Matt waren der Kern, und Ben ist vom ersten Tag dabei. Wir sind alle Organisierertypen und hofften, die Band durch ähnliche Menschen vervollständigen zu können, aber das gelang nicht. Wenn du in einer Band bist, brauchst du einen Drummer, aber er muss weg. Das war nicht OK, schließlich waren wir eine Band. Wie lange wartest du dann für die richtige Person? Das ist wie mit dem Verlieben - du kannst das nicht einfach probieren. Es passiert. Und dann kam der nächste Typ und war genauso ein Albtraum. Wir sind keine Snobärsche, aber wir reden gern über Politik, Ereignisse, Religion, die Welt... wie halt Erwachsene. Wir fragten ihn "Welche Bücher hast du gelesen?" und er antwortet "Was ist ein Buch?". Matt wollte das ignorieren, denn er ist ein guter Dummer, aber auch diesen Job hat er nicht gemacht. Am Schluss kam John vorbei, musste sich ein bisschen an uns gewöhnen (da er etwas zurückhaltend ist), aber dann hat's Klick gemacht. Er ist nun seit 3 Jahren dabei.

Das letzte Album, "Holy Armour In The Jaws Of God", versprach ein großer Erfolg zu werden, aber ihr konntet nicht touren. Warum?

Steve Beatty: John kam, wir machten die CD, bekamen gute Presse, aber leider zog ich mir eine Ohreninfektion zu und konnte nicht touren. Ich hatte einen üblen Tinnitus, und mein Ohrenarzt meinte, ich müsse es in völliger Stille auskurieren, bis meine Ohren wieder stark genug sind. Und dann war eine Tour mit "Holy Armour...." leider kein Thema mehr - wir haben das Schiff verpasst, und nach 1,5 Jahren hatte niemand mehr Interesse. Also nutzten wir die Zeit für eine neue Scheibe, ganz ohne Druck. Das war das erste Mal, dass ich mit einer Band 30 Stücke geschrieben hatte, mich aber für 10 entschied. Wir haben so viel weggeworfen. Ben wollte mehr Kontrolle über die Texte, John arbeitete zuhause an Drumpatterns, und trotzdem fühlte sich alles als Einheit an. Das war wirklich toll.

Wenn ihr Songs schreibt, arbeitet ihr dann zusammen?

Steve Beatty: Hmmm, wir könnten jetzt sagen, was du erwartest. Es war nicht wie "Some Kind Of Monster", denn wir sind kein Muppet-Haufen wie METALLICA, die sich im Film selbst darstellen wollen, aber wir hatten einige dieser Momente. Wie "Spiel einfach das verdammte Riff!" und so. Aber es war eine angenehme Erfahrung. Als wir loslegten dachte ich, das Ding wird wirklich gut. Wir waren guter Hoffnung. Als es fertig war, ging ich ins Studio, wo John Mitchell seine Arbeit beendet hatte, und ich konnte nicht glauben, dass wir das sind. Unabhängig davon, wie es klingt, sind wir alle sehr stolz darauf. Wir wollten niemals Geld oder Ruhm. Wir können uns zurücklehnen und sagen, dass wir darauf sehr stolz sind, und das reicht uns.

"Our Souls To You" hat eine sehr klare Richtung, ist aber auch vielseitig - war das eure Intention?

Steve Beatty: Weil wir über den langen Zeitraum Songs schrieben kamen all die Einflüsse zusammen. Ich stand gerade wieder auf Anarcho-Punk, als wir 'Public Display...' geschrieben haben. Ben und ich sprachen über die 80er, als es schien, die Jugend könnte die Welt ändern. Er meint, es sei eine Schande zu jung zu sein, und all dies verpasst zu haben, denn heute wollen Kids nicht einmal wählen gehen! Wir diskutierten, und irgendwann stand er kurz davor, allein loszulatschen und einen Aufruhr anzuzetteln, also haben wir einfach einen Song darüber gemacht! Der Titel 'Riot' wäre ein bisschen zu platt 80er-like gewesen, also hieß er 'Publik Display Of Anger'.

Es muss für euch befriedigend sein, eine Schublade sowohl textlich als auch konzeptionell gefunden zu haben...

Steve Beatty: Jede Musik, mit der ich mich beschäftigt habe, hat nicht nur meine Ohren, sondern auch meinen Verstand angesprochen. Wir können nicht einfach eine Scheibe über Girls machen. Wir sind natürlich kein Haufen Depressiver, aber es ist dieser Zorn in uns Vieren, und wir müssen uns Debatten, Inspirationen und Diskussionen stellen. Niemand soll sagen "Ah, schon wieder ein Album mit 10 Songs über Leichenfledderei". Ich bin 42, John ist 24 und fühlt genauso. Ich würde gerne glauben - ganz selbstlos - dass wir vielleicht jemanden inspirieren. Wir wollen niemandens Leben umkrempeln, aber wenn es etwas zu sagen gibt, sagen wir es. Mehr muss es gar nicht sein, ganz ohne Entschuldigung. Wer das nicht hören will, soll es lassen.

Was hat euch dazu gebracht, zwei Versionen vom Album herauszubringen?

Steve Beatty: Tja, auf den ersten beiden Alben ist produktionstechnisch einiges schief gelaufen. Matt ist ein einzigartiger Gitarrist, kann Classic Rock und Zeppelin... aber er hört den ganzen Josh Homme-Kram und mag BIG BLACK, frühe STRANGLERS, KILLING JOKE und so. Johnny ist ein waschechter Metal-Drummer. Das sind unsere zwei Lager. John und Ben sind jünger, mögen auch vergleichbaren Metal-Stoff und wollten eine große Produktion, während ich und Matt es etwas spartanischer wollten - so roh wie möglich, wie einst 1982. Wir wollten eine Band in einem Raum. Egal, ich kannte Justin Broadrick, und Matt und ich mögen GODFLESH, also warum nicht ihn fragen? Wir schickten ihm die Songs, damit er schauen kann, was geht, und das wurde dann seine Version des Albums. So sind beide Lager zufrieden. Metal Fans bekommen die fette Rockscheibe, und die Indie-Fans werden genauso bedient. Und du bekommst die Doppel-CD für den Preis von einer Scheibe!

Gibt es etwas, was ihr in Zukunft genauso wiederholen wollt?

Steve Beatty: Auf der nächsten Scheibe werden wir vielleicht beide Seiten unseres Sounds mehr vereinen. Ben und John sind nicht wirklich begeistert vom Broadrick-Mix, aber werden langsam warm. Vielleicht ist es ein Teil unserer Weiterentwicklung, diese beiden Seiten im Mix zu vereinen. Vielleicht definiert das, wohin wir uns entwickeln. Bands brauchen regelmäßig neue Ideen. Ich höre mir die Broadrick-Scheibe an und denke 'Hey, das ist ganz schön mental!'. Es klirrt unglaublich. Aber es ist nun mal eine Scheibe, und wir wollten die Broadrick-Version nicht getrennt anbieten, denn das Album sollte für sich stehen. Vielleicht kapiert das nicht jeder, aber irgendjemand wird dich immer lieben oder hassen. Was die Leute darüber denken, ist uns eigentlich egal.

Jetzt mit der neuen Chance auf eine Tour, habt ihr schon Bands im Kopf, mit denen ihr spielen möchtet?

Steve Beatty: Wir haben gerade mit NASHVILLE PUSSY gespielt - mehr Gegensatz geht wohl kaum. Aber die Leute mochten es. Es ist lustig, wenn man auf die Bühne geht und erwartet, dass man gehasst wird, und sie tun es einfach nicht! Ich sage nicht, dass ich ein Metalhead bin, ich bin Musikfan. Ich höre DISCHARGE oder PIL oder BIGELF oder FEAR FACTORY. Es ist einfach gute Musik. Ich glaube, "Run To You" von BRYAN ADAMS ist eine gute Scheibe. Ich mag "Born To Run" von BRUCE SPRINGSTEEN, aber ich möchte deswegen nicht auch jede andere Platte kaufen müssen. Wir können mit jedem spielen, und das ist eine gute Sache. Wir bekommen tolle Angebote, und wenn die Scheibe rauskommt, wird es sicher noch besser werden. Wir haben auch gerade mit FEAR FACTORY getourt. Es scheint also erst richtig loszugehen.

Victor Safonkin hat wieder einmal ein wunderbares Cover für "Our Souls..." entworfen. Könntet ihr überhaupt mit jemand anderem arbeiten?

Steve Beatty: Ohne Victor geht es kaum. Wie könnte man nach dem "Holy Armour" Cover weitermachen? Ein Bild von einem Ford Fiesta? Hahaha! Das Ding ist, er bringt uns sehr gut auf den Punkt, und das ist großartig. Victor zerfließt zwischen Welten, und das müssen tolle Welten sein, denn seine Imagination ist unglaublich. Das Bild passt zum religiösen Thema des Titels, obwohl komischerweise noch nicht jeder verstanden hat, was "Our Souls To You" bedeutet....

Ähem... "Arseholes to you"

Steve Beatty: Einige schnallen's immer noch nicht! Ha! Victor passt wirklich gut. Das Artwork sieht so ernst aus, obwohl es total Banane ist, aber das funktioniert. Wenn die Leute den Titel nicht schnallen, schnallen sie auch nicht das Cover oder den Typ, der den großen Fisch trägt, hahahaha! Das ist einfach unglaublich. Wir überlegten, ob wir dieses mal etwas anderes machen sollen, aber was? Er hat diese unglaubliche Vorstellungskraft und malt prima! Er kann's mit jedem Künstler aufnehmen. Das ist keine Campbell'sche Suppendose, das ist real. Das ist der Unterschied zwischen 3-Akkorde-Punk und Beethoven. Er versucht genau das, was wir als Band versuchen: einzigartig zu sein. Wer möchte schon wie alle anderen klingen? Davon gibt's doch schon genug....

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten