Anomalie - Between the Light

Review von Zephir vom 08.03.2014 (7184 mal gelesen)
Anomalie - Between the Light Post Black Metal ist ein Modebegriff, der von AGALLOCH über LIFELOVER bis SÓLSTAFIR eine ganze Menge Variablen auf einen Nenner zu bringen versucht. Brauchen wir da noch ein weiteres Projekt in dieser schwer definierbaren Kategorie? Ja, brauchen wir, denn von manchen Dingen kann man einfach nie genug haben. Freuen wir uns also, dass der talentierte junge Österreicher, der sich Marrok nennt und unter diesem Namen in den nicht allzu bekannten Black-Metal-/Crossover-Combos SELBSTENTLEIBUNG und HARAKIRI FOR THE SKY aktiv ist, 2011 ein Soloprojekt startete. Er gab ihm den schrägen Firmennamen ANOMALIE und brachte kürzlich das Album "Between The Light" als Starterpaket auf den Markt. Hier wird Black Metal mit Depressive Rock gemischt in einer Weise, die man im Frühjahr 2014 wohl guten Gewissens als Spielart des Post Black Metal bezeichnen darf. Dabei unterscheidet sich ANOMALIE deutlich von anderen in ähnlicher Kategorie laufenden Bands aus dem deutschsprachigen Raum, wie etwa TRÄUMEN VON AURORA, die ungleich zarter und liebeshungriger zu Werke gehen, oder LANTLÔS, die dem jazzigen Experiment mehr Platz einräumen. Was aber genau ist ANOMALIE mit dem nächtlichen Düstertannenwald auf dem Plattencover?

Wenn etwas beim Hören von "Between The Light" ganz sicher nicht aufkommt, dann ist es Waldatmosphäre. Aus ANOMALIE spricht kein pagan-metaphysischer Eskapismus, sondern eine im Genre gar nicht mal so selten anzutreffende realitätsverhaftete Urbanität. Marroks Soloprojekt geht am ehesten in Richtung HERETOIR (für die er übrigens 2013 als Live-Bassist auf der Bühne stand), allerdings ohne deren romantisch-verträumte Klangszenerien. "Between The Light" gibt sich im Wechsel aus Melancho-Rock und melodiösem Schwarzmetall ruhelos depressiv; die Vocals kreischen und grollen, passagenweise raunen sie dumpf und dunkel in die verlorene Zivilisationslandschaft. All das übrigens auf Englisch und gerne auch mal acht Minuten lang.

Der Opener 'Blinded' steigt düsterrockig ein und geht nach einem guten Drittel in kreischigen Metal über, in dem auch die Gitarrensoli nicht zu kurz kommen. 'Not Like Others' beginnt mit Samples aus Polizeisirenen und Nachrichtensprechern - hier geht es offenbar um ein Sozialdrama an einer Schule. Der Song ist gefühlvoll gefüllt mit wohldosiertem Weltschmerz, Selbsthass und was noch alles für Schmerz und Hass. An manchen Stellen erinnert der Charakter an die der Welt leider bis auf Weiteres verloren gegangenen AMESOEURS, so zum Beispiel im Song 'Tales Of A Dead City', der zwischen urbanem Depri-Rock und Metal schwankt und dabei zügiges Tempo vorlegt. Hier kommt zusätzlich eine sanfte Frauenstimme zum Einsatz. Sie hält sich knapp genug, um nicht zu stören, passt mit ihrer spröden Intonation aber erstaunlich gut ins Gesamtkonzept.

'Oxymora' ist ein desolates, resignierendes Ding über "this fucking perverted world", dessen Schlussteil sich zum höchst Affirmativen wandelt ("I will live my life / without these inner strife"). In 'Recall To Life' schleppen sich die vom Piano untermalten Vocals in einer Art, die man aus dem finnischen Gothic Rock kennt, bevor auch hier heiseres Kreischen einsetzt und die Drums losknüppeln.

Last but not least kommen wir zu 'Hurt', einem Cover der NINE INCH NAILS, an dem sich außer dem großen JOHNNY CASH noch diverse Sternchen versucht haben. Ganz ehrlich: Das hätte man auch weglassen können. Hat man aber nicht. Und so höre ich 'Hurt' in seiner Gänze und finde es vergleichsweise seicht, was nicht an der Bearbeitung liegt, sondern an dem ausgenuckelten Teil an sich.

Zu kritisieren bleibt noch, dass sich hier und da ein leichter Anflug von Sentimentalität nicht leugnen lässt und dass die Texte passagenweise in ziemlich jugendlichem Stil daherkommen - hier gibt es noch Raum für Entwicklung und Reife. Davon einmal abgesehen hat mich dieser Start von ANOMALIE ehrlich begeistert. Das Album ist ein traurig-düsteres Kunstwerk, von dem man so schnell nicht mehr loskommt. Die langen Tracks geben viel Raum für sinnierende, introvertierte Passagen und diverse stimmige Stilwechsel. "Between The Light" ist, wenngleich in manchen Zügen noch juvenil und entwicklungsfähig, ein absolut gelungenes und vielversprechendes Album, das auf jeden Fall in meiner Playlist landet.

Gesamtwertung: 7.5 Punkte
blood blood blood blood blood blood blood dry dry dry
Trackliste Album-Info
01. Blinded
02. Not Like Others
03. Tales Of A Dead City
04. Oxymora
05. Recall To Life
06. Hurt
Band Website: www.facebook.com/The.Anomalie.Experience
Medium: CD
Spieldauer: 43:00 Minuten
VÖ: 28.02.2014

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten