Tigertailz - Knives | |
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Review von Elvis vom 07.11.2013 (6214 mal gelesen) | |
TIGERTAILZ sind eine Band, die für mich ganz besonders ist. Mit wenigen Bands verbinde ich so viele persönliche Erinnerungen seit sie das erste Mal in mein Bewusstsein getreten sind. Die gesamten Umstände zu schildern würde hier den Rahmen definitiv sprengen, doch kann man sicherlich sagen, dass das 1990er Über-Album "Bezerk" wohl für immer zu meinen liebsten Alben überhaupt gehören wird. Die mitunter auch als walisische Antwort auf MÖTLEY CRÜE bezeichnete Band überzeugte nach den Anfängen mit Sänger Steevi Jaimz und dem Debüt-Album "Young & Crazy" mit einem konsequent überdrehten Look in extremster Hairmetal-Optik und tollem Songmaterial. Nach der Trennung vom Frontmann folgte ihm der Mann am Mikrofon, der fortan neben Bandchef und Universal-Genie Pepsi Tate das Gesicht und ein ganz besonders prägendes Element von TIGERTAILZ sein sollte: Kim Hooker. "Bezerk" wäre wohl niemals das geworden, was es letztlich wurde, wäre da nicht das ikonische Cover mit Kim und vor allem sein prägender Gesang. Leider ereilte TIGERTAILZ ein ähnliches Schicksal wie die Kollegen von PRETTY BOY FLOYD, die mit "Leather Boyz With Electric Toyz" ebenfalls um 1990 ein ganz großes Album an den Start brachten: sie waren musikalisch einfach zu spät, um noch den Einschlag hinzulegen, der an sich verdient gewesen wäre. So blieb es eher beim Szenetipp und nach diversen Problemen folgte der musikalisch deutlich andere, aber dennoch sehr gute Nachfolger "Wazbones" in nur noch halber Besetzung. Trotzdem blieben die 90er für TIGERTAILZ kein großer Erfolg und so dümpelte die Band vor sich hin, bis man im Jahr 2005 im neuen Jahrtausend einen Comeback-Versuch hinlegte. Dafür gab es - abgesehen vom durch Neuzugang Matt Blakout ersetzten Original-Drummer Ace Finchum - immerhin die Originalbesetzung. Neben einigen Gigs u.a. auf großen Festivals folgte 2006 dann "Bezerk 2.0", ein durchwachsenes Comeback-Album zwischen "gut" und "mittelprächtig". Immerhin war der Wille zurückzukehren da, doch folgte ein mehr als herber Schicksalschlag, als sich fortlaufende gesundheitliche Beschwerden bei Pepsi Tate als Bauchspeicheldrüsen-Krebs entpuppten. Das hastig noch produzierte Album "Thrill Pistol" konnte leider musikalisch kaum überzeugen, enthielt aber immerhin eine deutlich mehr nach "Bezerk" klingende US-Abmischung des "Wazbones" Albums als Bonus. Angesichts der leider immer noch dramatisch schlechten Prognose bei dieser Erkrankung starb der kreative Bassist daher zwei Monate nach einem ebenso furiosen wie herzzerreißendem letzten Auftritt beim "Gods Of Metal" 2007 in Mailand. Nachdem einige Zeit nicht klar war, ob das nicht das - sicherlich verständliche - Ende der Band sein sollte, entschlossen sich die verbliebenen Mitglieder, im Namen des gefallenen Gründers weiterzumachen und u.a. auch viel für die neu gegründete Stiftung der Hinterbliebenen zur Erforschung von Bauchspeicheldrüsen-Krebs zu spenden. Neben einigen Gigs und Besetzungswechseln am vakanten Bass und am Schlagzeug kam musikalisch die letzten Jahre leider abseits einer Live-CD nichts Neues mehr von TIGERTAILZ. Nachdem die zwischenzeitlich feste neue Bassistin Sarah Firebrand gefeuert worden war, folgte 2012 der erneute Super-GAU als Kim Hooker die Band verließ. Grundsätzlich wäre das wieder ein Zeitpunkt gewesen, an dem mit der Band nicht mehr zu rechnen gewesen wäre. Entgegen der allgemeinen Erwartungen wollte Gitarrist Jay Pepper jedoch noch nicht das Handtuch werfen und stellte ein neues Line-Up zusammen. Sänger wurde unerwartet der Australier Jules Millis, der weiterhin auch bei seiner regulären Band WHITE WIDDOW singt. Nach einer ersten Tour schied auch Ace Finchum wieder als Drummer nach einigen Querelen aus und wurde wieder von Matt Blakout ersetzt. Sofern noch irgendjemand bis hierher mitgekommen ist: jetzt sind wir ungefähr beim bandtechnischen Status Quo angekommen. Während Gerüchten zufolge Kim Hooker eine neue Band plant, haben die nunmehr mit Jay Pepper nur noch ein Originalmitglied an Bord habenden TIGERTAILZ im 2013er Line-Up eine neue EP am Start, die auf den Namen "Knives" hört. Tja, da ist es dann also, das musikalische Lebenszeichen der "neuen" TIGERTAILZ. Die Messer sind gewetzt, sozusagen, doch wie scharf ist das Ergebnis geworden? Der erste Song nennt sich 'Shoe Collector' und basiert auf einem Kurzfilm, den der multitalentierte Pepsi Tate zu Lebzeiten noch als Konzept produzierte. Man hört schnell, dass Pepper hier stark versucht, sich an die alten Trademarks von "Bezerk" anzulehnen, sei es das Intro oder der ein oder andere Effekt. Leider ist der Song nicht so stark, dass ihn das wirklich retten oder auch nur ansatzweise in die Nähe der Klassiker der Band bringen würde. Unterm Strich ist er zu lang und der Refrain ist bei weitem nicht so packend, wie er wohl sein soll. Man mag sich sein eigenes Urteil bilden, von wie viel Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten es zeugt, auf ein noch nicht mal unbedingt musikalisches Konzept des verstorbenen Bandchefs für den ersten von fünf neuen Songs zurückzugreifen. Auf mich wirkt der Song jedenfalls krampfig um Anschluss an alte Glanztaten bemüht und scheitert dabei - "ganz nett" ist für TIGERTAILZ einfach zu wenig als Prädikat. Der zweite Song 'One Life' ist eine Power-Ballade, die mir schon deutlich besser gefällt und wohl vom aktuellen Bassisten Rob Wylde geschrieben wurde. Der Song gefällt mir unterm Strich insgesamt am besten auf "Knives", ist letztlich jedoch kein typischer TIGERTAILZ-Song. Trotzdem ist es meines Erachtens der Song mit dem meisten Repeat-Potential, was schon was heißt, denn mit Balladen werde ich eigentlich eher selten warm. Zur Mitte der EP gibt es 'Bite The Hand', einen eher unspektakulären Midtempo-Rocker, der weder besonders positiv noch besonders negativ auffällt. Mit Highlights der Band-Historie kann er jedenfalls nicht mithalten. Es folgt 'Spit It Out', ein noch mit Kim Hooker zusammen geschriebenes Outtake, welches bislang nicht aufgenommen worden war, weil man nicht übermäßig von diesem Song überzeugt war. Leider zurecht, denn der Song ist wirklich einfach nur mittelprächtig. Zum Abschluss gibt es noch eine namenstechnische Glam-Ladung mit 'Punched In The Gutz', einem etwas härteren Rocker. Der Song ist zwar kein totaler Kracher, aber immerhin auch kein Totalausfall und geht eher in die in den 90ern eingeschlagene Richtung. Dennoch kann er auch zu keiner Zeit an alte Glanztaten heranreichen. Musikalisch ist das Gebotene ebenso wie die Produktion so weit ok, der Band selber ist insofern kein Vorwurf zu machen - aber das Songmaterial ist insgesamt leider einfach zu dürftig. Jules, den ich bei WHITE WIDDOW wirklich schätze, liefert auch eine gute Gesangsleistung ab. Leider ist sein Hauptproblem, dass vor ihm nun mal Kim Hooker da war und diese Schuhe sind bei TIGERTAILZ nicht zu füllen. So wie Bruce Dickinson nun mal die Stimme von IRON MAIDEN ist (auch wenn da vor ihm mal ein gewisser Paul DiAnno war), so ist Kim Hooker eben die definitive Stimme von TIGERTAILZ. Letztlich ist "Knives" leider kein Überhammer geworden und wenn hierauf ein Album folgen sollte, muss noch einiges mehr kommen. Unter einem anderen Namen wäre das Ganze vielleicht gar nicht mal so verkehrt, aber im Maßstab dessen, was von TIGERTAILZ in der Vergangenheit kam (zumindest der klassischen Phase), ist es einfach zu wenig. Gut, besser als das im Rohr krepierte "Thrill Pistol" Album ist "Knives" schon, aber das ist auch - mit Verlaub - nicht schwer. Angesichts der vollmundigen Ankündigungen scheitert Jay Pepper hier leider an den eigenen Ansprüchen und für mich zumindest ist das alles mehr gewollt als gekonnt. Eine Band ist im Ergebnis nun mal mehr als die Summe ihrer Teile und den 2013er TIGERTAILZ fehlen offenbar ein paar wesentliche Elemente. Schade, aber das ist einfach nicht genug, um dem großen Namen gerecht zu werden. Gesamtwertung: 5.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Shoe Collector 02. One Life 03. Bite The Hand 04. Spit It Out 05. Punched In The Gutz | Band Website: www.tigertailz.co.uk Medium: EP Spieldauer: 21:31 Minuten VÖ: 20.10.2013 |
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