Mosaic - Secret Ambrosian Fire | |
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Review von Zephir vom 06.01.2020 (7048 mal gelesen) | |
Es gibt Platten, die fallen wie durch schicksalshafte Fügung dem richtigen Rezensenten in die Hände. Meine Entdeckung des Thüringer Projekts MOSAIC, ein Glücksgriff, fügte sich schlicht aufgrund der Tatsache, dass Pagan Black Metal aus Thüringen im (vor)vergangenen Jahrzehnt eine richtige Marke war, denken wir nur an Namen wie MENHIR oder GERNOTSHAGEN. Es folgten die ziemlich unpaganen Zehnerjahre, zu deren Beginn zu viele Stimmen nörgelten, bei zahlreichen neuen Formationen des Segments handele es sich um triviale heimatromantische hörnertragende Mettrinker und das Genre habe sich totgelaufen. Mag sein, dass da was dran war. Dieses Klischee strafen nun aber MOSAIC mit "Secret Ambrosian Fire" Lügen: Musikalisch hat das Werk auffallend wenig mit der einstmals so populären Strömung gemein. Zum Wechsel ins neue Jahrzehnt ist "Secret Ambrosian Fire" vielmehr eine absolut zeitgemäße, progressive und höchst eigenwillige Mischung aus Black Metal, Neofolk und Dark Ambient, die in ihrer Interpretation thüringischer Mythen weder wüsten Blast noch rätselhaft-okkulte Akustikklänge, weder dämonisches Gekreisch noch geheimnisvolle Beschwörungsrufe scheut. Der Mastermind vor und hinter MOSAIC ist Martin van Valkenstijn aka Martin Falkenstein, der sich bereits in diversen Projekten einen Namen gemacht hat: van Valkenstijn ist seit 2017 bei NACHTMYSTIUM aktiv und auf der 2018er EP "Resilient" zu hören, weiterhin stand er als Bassist mit EMPYRIUM, THE VISION BLEAK und SUN OF THE SLEEPLESS auf der Bühne. (Naheliegend, dass Markus Stock "Secret Ambrosian Fire" in seiner Klangschmiede Studio E gemixt und gemastert hat.) Van Valkenstijn spielt als Multiinstrumentalist Gitarre, Bass, Synthies, Nordische Lure, Percussion und allerhand mehr selbst und eigenhändig. Zudem hat er für das vorliegende Album eine Reihe von Gastmusikern um sich versammelt, die teils bereits an früheren Werken von MOSAIC beteiligt waren: unter anderem den schwedischen Musiker Erik Gärdefors aka Perditor, der 2015 EÏS seine Stimme lieh, oder Tobias Piater aka T.P., den Kundige von FARSOT kennen. Obzwar MOSAIC schon 2011 eine erste Split auf den Markt brachte und diesem Release zahlreiche weitere Splits, EPs und ein Live-Album folgten ("The Living Mosaic: Folklore & Mysticism Tour 2017"), ist "Secret Ambrosian Fire" der erste amtliche Langspieler. In neun Tracks widmet sich der Künstler den alten Überlieferungen über die thüringischen Hörselberge, die einst als Wohnsitz der Götter und auch des Fegefeuers galten und in denen die wilde Jagd der Rauhnächte wütete. Van Valkenstijns Musik ist mystisch, magisch, poetisch und geheimnisvoll: 'Am Teufelsacker' setzt anfangs auf reduziertes und teils akustisches Instrumentarium, der Gesang ist beschwörend-rezitativisch, Halleffekte und beklemmende Schreie im Hintergrund schaffen eine dämonische Atmosphäre. 'Brimstone Blossoms' behält den exorzierenden Percussioneinsatz bei, verzerrte Gitarrenklänge und eine wilder sich aufbäumende, bald wie im magischen Wahn schreiende Stimme steigern die Spannung bis zum Zerreißen. Die Entladung explodiert in dem wüsten Black-Metal-Geprügel von 'Cloven Fires', während das darauffolgende 'She-Water' sich wieder hypnotisch-rituell sammelt. Geht es hier zunächst um Mutter Huldas wilde Jagd, hören wir im letzten Viertel des Tracks eine Frauenstimme, die Rose Ausländers Gedicht Verweile nicht zitiert - eine gelungene Interpretation, die mehr ist als eine Montage, stellt sie doch verschiedene Mythen in einen neuen Zusammenhang. Die Überlieferung besagt, dass die Kräuter und Gewächse der Hörselberge in eine andere Welt entführen können. Der Verdacht beschlich den Hörer bereits in vorangegangenen Tracks; mit dem düster-gewaltigen, diabolisch-bedrohlichen 'Ambrosia XIX' wird es eindeutig. Spätestens nun ist man, betäubt von giftigen Pollen, völlig sinnesvernebelt in die okkult-atmosphärische Musik eingetaucht. 'Wetterdistel' ist musikalisch wieder reduzierter, ritueller, Tribal-ähnlicher. MOSAIC vertonen hier das Gedicht Spätherbst am Hörselberg des (zumindest in Westdeutschland) leider recht unbekannten Lyrikers Hanns Cibulka und betten auch dieses wieder in den eigenen Rahmen mythischer Bezüge. Düster und poetisch bleibt es mit 'Coal Black Salt', einem der inhaltlich unergründlichsten Titel des Albums. In einem Dark Folk-ähnliches Arrangement aus Akustikgitarre, Percussion und zweistimmigen Cleangesang finden sich Verse der sehr viel bekannteren Todesfuge von Paul Celan verarbeitet; die genaueren Zusammenhänge des rätselhaften Tracks erschließen sich mir leider nicht. Aus der düsteren Kontemplation werden wir mit 'The Devil's Place' unvermittelt herausgerissen: Hier triff uns wieder das mephistophelische Geknüppel des rohen, puren Black Metal. 'Im Kohlensud' schließlich verarbeitet Vogelstimmen und Waldgeräusche mit geheimnisvollem Ambient-Instrumentarium, abermals beschwörungsformelartigen Stimmen und einer durch und durch angespannten, spiritistischen Atmosphäre. Ein Meisterwerk! (Und zu diesem Schluss komme ich keineswegs allein deshalb, weil ich vor zwei Jahrzehnten zufällig den Dichter Cibulka für mich entdeckt habe und nun ob der Interpretation in 'Wetterdistel' aus dem Häuschen bin.) Die Entdeckung von MOSAIC ist für mich eine echte Überraschung, die weniger in die vergangenen Jahre des folkigen Pagan Metal führt denn in Welten, wie sie Bands wie OCTOBER FALLS oder A FOREST OF STARS erschließen. Wer die genannten Genres Ambient Black Metal, Dark Folk und Dark Ambient schätzt und zudem eine Ader für das mystische Heidentum hat, wird MOSAIC lieben. Gesamtwertung: 9.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Am Teufelsacker 02. Brimstone Blossoms 03. Cloven Fires 04. She-Water 05. Ambrosia XIX 06. Wetterdistel 07. Coal Black Salt 08. The Devil's Place 09. Im Kohlensud | Band Website: www.facebook.com/mosaicofthefallenone/ Medium: CD, LP Spieldauer: 48:49 Minuten VÖ: 13.12.2019 |
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