Disillusion - The Liberation

Review von Opa Steve vom 16.09.2019 (8468 mal gelesen)
Disillusion - The Liberation Die Freunde einer großen Veröffentlichungsmasse waren DISILLUSION noch nie. Nach "Back To Times Of Splendor" erarbeiteten sie sich mit "Gloria" anno 2006 einen verdienten Durchbruch im avantgardistischen Metal und lieferten ein beeindruckend aufwändig arrangiertes Werk ab, was nicht viele Bands als quasi Zweitling hinkriegen. So rasant sich DISILLUSION steigerten, so abrupt kam das Ende. Es dauerte geschlagene zehn Jahre bis zu einem neuen Lebenszeichen (die Single 'Alea' konnte mich noch nicht rundum überzeugen), und jetzt - nach insgesamt 13 Jahren Auszeit - melden sie sich mit "The Liberation" zurück.

Und diese Scheibe ist mal wieder ein Füllhorn an Ideen und beeindruckenden Arrangements. Die avantgardistischen Ausflüge sind zwar immer noch enthalten und mit dem Titelsong stellen sie auch die Ur-Fans von "... Splendor" zufrieden. 'The Great Unknown' knüppelt dafür die meiste Zeit recht straight nach vorne und vertuscht, was auf dieser Scheibe noch alles kommen wird. Auch 'Wintertide' erspielt sich in aller Ruhe die alten Fans und klingt gigantisch aus, als wollten sie sagen: "Wenn ihr nicht mehr an uns geglaubt habt, solltet ihr nun mit offenem Mund dastehen." Denn ab der Mitte fahren DISILLUSION ein Programm auf, welches auf den bestehenden Stärken aufbaut, aber sie durch mächtig breite Harmonien und atmosphärische Arrangements noch mal in eine andere Breite bringt. "Gloria" war Full-HD und gestochen scharf. "The Liberation" ist dagegen 3D-Genuss, das Ohr fokussiert sich in Details, in mächtigen Weiten, in wunderbaren Harmonien, und der Hörer kann sich mehr als einmal einfach fallen lassen und sich in diesem Kunstwerk verlieren. Die Scheibe ist organischer als der Vorgänger, aber in den Harmonien einfach perfekt und fett.

Dabei müssen die Songs nicht einmal die mögliche Dynamik voll ausreizen. 'A Shimmer In The Darkest Sea' beginnt sehr TOOL-mäßig, dreht dann episch auf, ohne wirklich laut zu werden. Damit bauen sie Distanz und Weite auf, und die Mächtigkeit wirkt durch die Entfernung nicht weniger beeindruckend. So schafft man Platz für eine gigantische Orchestrierung aus zig Spuren, ohne alle Stimmen vordergründig auf eine künstliche Bühne zu quetschen. Andy dringt auch selten so nah ans Ohr wie auf "Gloria", sondern verlässt sich auch bei den Vocals auf viele Layer und entsprechend wohlausgesuchten Hall.

Die Songs sind - kurz wie lang - immer mit Highlights gesegnet. Der Titelsong bietet auf 11 Minuten eine ausgereizte Dynamik und ist sehr spannend, selten sperrig. Mein persönlicher Favorit ist aber 'Time To Let Go' - das auf der Gitarre gespielte Grundthema täuscht am Anfang noch stark und man kann die Entwicklung kaum absehen. Durch die Vocals wird der Song perfektioniert. Er hebt dich hoch, lässt dich schweben und lullt dich in songwriterischer Kunst ein, die dich trotz aller Verzierungen und Details sofort in seiner simplen Klarheit mitnimmt. Diese Epik im Refrain, das Crescendo in der Mitte mit den amoklaufenden Drums ... einfach überwältigend. Was die fünf hier aus einem simplen Grundthema aufgebaut haben, ist fantastisch. Man möchte nach den knapp sechs Minuten sofort wieder zurückskippen. Aber man wird auch belohnt, wenn man dem Rausschmeißer 'The Mountain' doch noch eine Chance gibt, gegen diese Überhymne zu bestehen. Dieser zieht noch mal 12 Minuten lang alle Spannungsregister. Kann von mächtig bis reduziert seine Geschichte erzählen und hat neben fetten (Keyboard)Chören in der stillen Mitte einen schönen Bläsereinsatz. Für Metal unüblich, aber für das Soundtrack-Feeling, welches DISILLUSION bisweilen mit ihrer Musik aufbauen, eine tolle Sache.

Ohnehin lässt die Musik - wie schon damals "Gloria" - Bilder vor meinem Auge vorbeiziehen. Weniger surreal diesmal, aber voller Natur, Weite, Ehrfurcht, Emotionen. So, wie sie es auch in ihrem Lyric-Video zu 'Wintertide' visualisieren. Es ist wirklich in den Krümeln gesucht, wenn ich der Scheibe wegen des etwas zu knüppeligen 'The Great Unknown' bei sieben Songs einen halben Punkt abziehe, aber selbstverständlich gilt hier eine uneingeschränkte Kaufempfehlung.



Gesamtwertung: 9.5 Punkte
blood blood blood blood blood blood blood blood blood dry
Trackliste Album-Info
01. In Waking Hours
02. Wintertide
03. The Great Unknown
04. A Shimmer In The Darkest Sea
05. The Liberation
06. Time To Let Go
07. The Mountain
Band Website: www.disillusion.de
Medium: CD
Spieldauer: 57:38 Minuten
VÖ: 06.09.2019

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten