Livebericht Ross The Boss (mit Pretty Maids und Ancillotti) |
---|
Ein Livebericht von Elvis aus Andernach (Juz-Liveclub) - 11.03.2017 (28264 mal gelesen) |
Ross Friedman mögen manche vielleicht noch aus seinen Anfängen bei THE DICTATORS kennen, doch die überwältigende Mehrheit wird wohl mit dem Beinamen "The Boss" seine Rolle bei MANOWAR verbinden. Für die ersten sechs Alben der New Yorker Metal-Legende war es der Gitarrist, der im kongenialen Duo mit Joey DeMaio für etliche Perlen und Genre-Alltime-Klassiker wie "Kings Of Metal" sorgte. Weil es eventuell mit dem Ego eines Mannes wie dem MANOWAR-Bassisten nicht einfach sein dürfte, verließ Ross die Band daher Ende der 80er Jahre. Bis zum heutigen Tag gibt es zahlreiche Stimmen, die manche Entwicklungen - auch im Songwriting - dem fehlenden Input von Ross zuschreiben. Sei's drum, MANOWAR gingen ihren Weg unbeirrbar und wollen ja nunmehr mit einer finalen Tour das Handtuch werfen. Nachdem es einige One-Off-Shows gab, bei denen Ross die letzten zehn Jahre auch einmal nur MANOWAR-Songs der alten Garde performte, lag sein Fokus doch im letzten Jahrzehnt auf seiner ROSS THE BOSS-Band. Die spielte zwar auch durchaus den ein oder anderen MANOWAR-Klassiker, veröffentlichte jedoch selbst ebenso zwei Alben mit eigenem Material von guter Qualität. Nachdem sich die Besucher teils vor Begeisterung regelrecht überschlugen, als Ross 2016 als Überraschungsgast beim "Keep It True" XIX ein reines MANOWAR-Set spielte, kam der Wunsch auf, das im etwas größeren Umfang weiterzuführen. Der Markt ist zweifellos da, denn nicht wenige, die MANOWAR heute sehr skeptisch gegenüberstehen, haben ja immer noch großen Respekt vor der 80er-Phase der Band ... eben der Zeit mit Ross "The Boss". Gut gebucht wird die neue Inkarnation der ROSS THE BOSS-Band jedenfalls, denn der Tour-Kalender der "The Discipline Of Steel"-Tour ist jedenfalls für 2017 gut gefüllt. So pilgern auch etliche hundert Fans an diesem lauen März-Samstag nach Andernach ins Juz, wo es ein Doppel-Headliner-Konzert mit den Kollegen von PRETTY MAIDS gibt. Die Kombination kommt offenbar so gut an, dass der Gig im Vorfeld bereits als ausverkauft gemeldet wird. Dennoch scheint man wohl noch ein paar Karten entdeckt zu haben, denn es gibt doch eine Abendkasse. Wo die Fans kurz vor dem Auftritt von ROSS THE BOSS allesamt im Juz hin sollen, ist mir allerdings nicht klar, denn die Halle platzt förmlich aus allen Nähten. Die Opener, die italienischen ANCILLOTTI, verpasse ich heute Abend leider, da ich erst kurz vor Ross und seinen Jungs ankomme. Einher mit der aktuellen Tour geht ein relativ großer Wechsel im Line-Up. War beim "Keep It True" noch insbesondere der Sänger Mike Cotoia (FATE BREAKS DAWN) herausgestochen, der offenbar einen fantastischen Job machte - ansonsten handelte es sich um New Yorker Musiker, die Ross angeheuert hatte - , so sind jetzt komplett andere Herren am Start. Allerdings sind das teils keine Unbekannten. Neben Mike LePond, den man noch von SYMPHONY X kennen dürfte, war es nur konsequent, für die Drums Kenny "Rhino" Earl anzuheuern. Der zwischenzeitliche MANOWAR-Drummer ist zweifellos eine mehr als sichere Bank und überzeugte schon auf "The Triumph Of Steel" als auch langjährig (und danach immer mal wieder phasenweise) live. Komplettiert wird das Line-Up durch Sänger Marc Lopes (LET US PREY). Die gespannte - wie gesagt, brechend volle Halle - bekommt zum Einstieg von ROSS THE BOSS gleich mal 'Blood Of The Kings' um die Ohren gehauen. Da darf Mr. Lopes am Mikrofon gleich beweisen, dass er scream-technisch einem Eric Adams (grade in der jüngeren Vergangenheit) mehr als nur das Wasser reichen kann. Kurz gesagt, die hohen Töne sitzen mehr als nur ein bisschen und das stellt der Mann auch über die gesamte Gig-Dauer eindrucksvoll unter Beweis. In diesen Regionen singt der gute Eric Adams in der Tat schon seit langem nicht mehr. Auch in den mittleren Lagen singt Mr. Lopes ziemlich ordentlich ... allerdings fällt er dort (jedenfalls nach meinem persönlichen Geschmack) doch deutlich hinter Eric Adams zurück. Zu prägnant für die Songs empfinde ich zumindest die "Standard"-Stimme des Sängers, die bei MANOWAR für meine Begriffe einen deutlichen Teil des Charmes ausmacht. Auch in den letzten zwanzig Jahren passt die Stimme bei Eric Adams nämlich immer noch und strahlt eine besondere Kraft aus, die den Charakter von MANOWAR immer noch hochhalten kann. Nicht, dass wir uns an dieser Stelle falsch verstehen: Marc Lopes macht hier einen guten Job und wird zu Recht dafür von der Menge abgefeiert. Bei einem mehr oder weniger Tribute an die eigene Vergangenheit des Gitarristen (und auch Drummers) der Band auf der Bühne muss der direkte Vergleich jedoch gezogen werden. Von daher finde ich es auch vollkommen okay, dass die Stärken hier unterschiedlich verteilt sind. Abmischungstechnisch hat man sich vermutlich bewusst dafür entschieden, es weder lautstärketechnisch noch von der Präsenz des Basses klangtechnisch in die Regionen von MANOWAR zu treiben. Klar, da mag auch noch ein gewisser Mangel an entsprechender PA hinzukommen, aber kurz gesagt: es klingt durchaus gut und angemessen old-school. Wie zu erwarten sitzen die Drums von "Rhino" bestens, doch neben den ständig locker aus der Hüfte geschüttelten Screams ist klangtechnisch der Star des Abends definitiv auch Ross Friedman. Auch mit Anfang 60 spielt der Mann die alten Klassiker mit einem bluesig anmutenden Gefühl und mehr Wärme als jeder andere, der ihm folgte. Auch Karl Logan macht seit 20 Jahren einen guten Job bei MANOWAR, doch das eher technische Spiel des heutigen Gitarristen ist nun mal viel steriler als das, was das Original hier heute runterzockt. Das allein ist schon das (übrigens fair bemessene) Eintrittsgeld hier wert. Bei der Setlist wird das Publikum heute auch reichlich beschenkt. So gibt es zahlreiche Songs zu hören, die man heute bei MANOWAR eher nicht mehr im regulären Set finden würde - und selbst wenn man es tut, zumindest so nicht mehr. Highlights für mich sind dabei etwa 'Thor (The Powerhead)' oder auch das an sich doch immer noch sehr schmissige 'Fighting The World'. Auch 'Battle Hymn' (für mich wohl unterm Strich tatsächlich mit der beste Song der Band) wird ja leider ob der stimmlichen Herausforderungen im letzten Teil heute auch nur noch sporadisch von MANOWAR gespielt. Die beste Version des Songs ("Earthshaker Fest" 2005 mit allen MANOWAR-Bandmitgliedern alt und neu gleichzeitig) kann man natürlich nicht übertreffen, aber zieht sich doch sehr achtbar aus der Affäre. Mit 'Hail And Kill' endet ein Set, bei dem von der Publikumsreaktion offenbar nur wenige Wünsche offenblieben. So wirken die Fans doch durch die Bank mehr als nur glücklich. Bemerkenswert übrigens - und auch ein schöner Kontrast zu MANOWAR selbst - scheint mir auch das an den Tag gelegte Maß an Bescheidenheit. ROSS THE BOSS wissen, dass sie einen guten Job machen, sparen sich aber etwa, 'Kings Of Metal' zu performen. Mag sein, dass dieser Song auch nur vom Original funktioniert und ansonsten peinlich rüberkäme (böse Zungen würden sagen, die Grenze zur Peinlichkeit wäre bei MANOWAR allgemein sehr dünn), aber dennoch muss man das Gespürt dafür haben, eben diesen Song zum Beispiel auszulassen. Chapeau für einen mehr als gelungenen Auftritt! Set List ROSS THE BOSS 01. Blood Of The Kings 02. Death Tone 03. Blood Of My Enemies 04. Kill With Power 05. Thor (The Powerhead) 06. Each Dawn I Die 07. Sign Of The Hammer 08. Dark Avenger 09. Fighting The World 10. Metal Daze 11. Battle Hymn 12. Hail And Kill Der Changeover dauert heute nicht allzu lange. Fakt ist auf jeden Fall, dass es mittlerweile richtig, richtig warm in der Halle geworden ist. Da es sich nicht großartig leert, scheint das Konzept, heute einen Doppel-Headliner-Gig einzulegen, in dieser Kombination offenbar nicht verkehrt gewesen zu sein. Neben diversen Fans von MANOWAR scheint es nach den T-Shirts gehend offenbar auch viele PRETTY MAIDS-Freunde hier zu geben. Die Dänen um Sänger Ronnie Atkins sind zwar nie die größten kommerziellen Abräumer gewesen, haben sich aber ihre Meriten seit dem Start 1981 zweifellos verdient. Auch in jüngerer Zeit hat man starke Outputs am Start und so ist der heutige Gig hier ein Teil der "Kingmaker"-Tour zum 2016er-Album, welches allgemein wohlwollend aufgenommen wurde. Immerhin vier Songs - also knapp 25% der Setlist - widmet die Band heute dem aktuellen 14. Album, was einerseits selbstbewusst und andererseits ob der Qualität des Materials auch wahrlich kein Beinbruch ist. Allgemein wird ein bunter Mix aus alten Klassikern und neuerem Material geboten. Chris Laney (als Songwriter und Produzent z.B. bei CANDLEMASS, CRASHDIET, BRUCE KULICK, EASY ACTION, als Gitarrist etwa ZAN CLAN) ist heute vor allem an den Keyboards, aber auch an der Gitarre aktiv. Dafür, dass er erst seit September 2016 dabei ist, wirkt das auf jeden Fall sehr eingespielt. Die PRETTY MAIDS geben heute trotz der Hitze im Juz alles und bekommen dafür auch viel Applaus vom Publikum. Klar, im Zugabenteil gibt es natürlich besonders viel Beifall, denn mit 'Future World', 'Little Drops Of Heaven' und 'Love Games' gibt es halt noch beliebte Songs, die nochmals deutlich zeigen, dass sowohl 1987 (da erschien "Future World") als auch 2010 (da kam "Pandemonium") Hitsongs bei den PRETTY MAIDS möglich waren. Auch ein gewisser Pop-Appeal ist dabei nicht abzusprechen. Aber das macht auch einen Teil des Charmes der Dänen aus. Unterm Strich bekommen die Fans auch mit der zweiten Headliner-Bands des Abends daher ein tolles Konzert geboten, bei dem wohl nicht nur Ronnie Atkins am Ende schweißgebadet die Halle verlässt. So bleibt am Ende nur die Erkenntnis, dass ein gutes Billing mit einem fairen Preis offenbar weiterhin Zugkraft besitzt und für ein volles Haus und glückliche Besucher sorgt. Das darf sich daher gerne wiederholen. Setlist PRETTY MAIDS 01. Mother Of All Lies 02. Kingmaker 03. Red, Hot And Heavy 04. Face The World 05. Heavens Little Devil 06. Yellow Rain 07. Rodeo 08. Bull's Eye 09. Savage Heart 10. Pandemonium 11. I.N.V.U. 12. Please Don't Leave Me (John Sykes Cover) 13. Eye Of The Storm 14. Back To Back Zugabe: 15. Future World 16. Little Drops Of Heaven 17. Love Games |
Alle Artikel