Lindemann - Live In Moscow

Review von Elvis vom 17.06.2021 (5228 mal gelesen)
Lindemann - Live In Moscow Till Lindemann hat als Frontmann von RAMMSTEIN quasi alles erreicht, was man erfolgstechnisch im Musikbusiness erreichen kann. Vielleicht war das einer der Gründe, warum der charismatische Lyriker und Sänger mit Peter Tägtgren zusammen seine eigene Band LINDEMANN aus der Taufe hob. Sowohl das Debüt-Album "Skills In Pills" als auch der Nachfolger "F & M" gingen dennoch verkaufstechnisch auch absolut durch die Decke. Klar ist, dass es weiterhin eine erhebliche musikalische Schnittmenge auch mit RAMMSTEIN gibt, zumal natürlich der Gesang von Till Lindemann unverkennbar ist - grade auch wie im Debüt überwiegend in Englisch. Trotzdem gab der Input des PAIN- und HYPOCRISY-Mannes dem Projekt eine ganz spezielle Note, so dass hier vermutlich nochmals ganz neue Fanschichten Zugang zu der Musik bekamen. Hinzu kam, dass Till Lindemann - auch wenn er sich bei RAMMSTEIN keinesfalls inhaltlich bis dato zurückhalten musste - im Rahmen von LINDEMANN noch stärker und deutlicher seiner ganz eigenen dunklen Lyrik frönen konnte.

Und auch wenn es bis dato nur zwei Alben gab und im November 2020 Peter Tägtgren die Zusammenarbeit in der Band beendete, sprich: ausstieg - irgendwie rechtfertigte das bisherige Gesamtwerk natürlich durchaus vor allem die Livedarbietung. Die gab es dann - kurz bevor sich die Welt dank des allseits bekannten und verhassten Virus Sars-CoV-2 in eine nie gekannte Ruhe begab - in Europa und so auch in Moskau. Da Mitte März bereits klar war, dass es vorerst wohl mit Konzerten vorbei sein dürfte, wurde das Konzert in Moskau als Tour-Ende sogar bereits auf zwei Auftritte mit jeweils halber Kapazität aufgeteilt. Und wie wir alle wissen, seit dem 15. März 2020, als diese stattfanden, ist in der Tat in den meisten Ländern insofern nicht mehr viel passiert.

Und da es sich also deswegen durchaus um einen historischen Auftritt handelte, wurde dieser professionell mitgeschnitten und wird jetzt als "Live In Moscow" unters Volk gebracht. Allein die visuelle Orientierung der Veröffentlichung an realsozialistischen Darstellungen aus der Sowjetunion ist wunderbar liebevoll gemacht. Zwischen Intro und Outro gibt es mit 17 Songs fast das gesamte gemeinsame Werk von Till Lindemann und Peter Tägtgren zu sehen und hören, was dank der tighten Performance der Band klanglich ein Genuss ist. Die Live-Atmosphäre wird sauber, aber dennoch ziemlich authentisch wiedergegeben (ein Vergleich mit Fanvideos zeigt, dass zum Beispiel an den Vocals wenig geschraubt wurde). Visuell ist die Inszenierung natürlich längst nicht so bombastisch wie das, was RAMMSTEIN heutzutage, grade bei der Stadio-Show, auffahren, aber dennoch nicht minder hypnotisch und liebevoll mit Details gespickt - ein bisschen so wie damals Mitte der 80er, aber halt dezent professioneller. Die Band ist weiß gekleidet und geschminkt, was der Gesamtinszenierung der Performance eine eigene, expressionistische Note verleiht.

Die eingespielten Videos, die unzensiert gezeigt werden, weswegen die Konzerte tatsächlich erst ab 18 besucht werden durften, tragen natürlich in ihrer eigenen Originalität ihren Teil dazu bei. Klar, Till Lindemann geht in seiner Brachialpoetik mehr als nur einmal dorthin, wo es beißend weh tut, es tun sich immer wieder neue Abgründe auf, und dennoch, es sollte selbst zartbesaiteten Gemütern schwerfallen, sich dieser Synthese aus Klang, Bild und Charisma zu entziehen. Auch ohne seine Hauptband hat die Lyrik des wuchtigen Sängers eine unvergleichliche Mischung irgendwo zwischen vermeintlichem Stumpfsinn und echter Tiefe, die im musikalischen Bereich so ihren Vergleich sucht und wenn sie ihn finden sollte, nie scheuen braucht. Persönlich finde ich die komplett deutschsprachigen Songs sprachlich noch einen Ticken stärker als die vom Debüt, die dennoch gerade durch den Akzent und die andere Sprache ihren ganz eigenen Reiz haben.

In der Summe ist "Live In Moscow" damit ein bestechendes Live-Dokument einer wirklich besonderen Formation geworden, die sich auch mit nur zwei Alben diese Aufnahme mehr als verdient hat. Wer LINDEMANN oder RAMMSTEIN mag, muss hier defintiv zugreifen - Unterhaltung ist garantiert. Und ich bin sicher, dass Till Lindemann auch ohne Peter Tägtgren noch interessante Solo-Pfade beschreiten kann und wird. Hoffentlich auch wieder eher als nicht live!

Gesamtwertung: 9.0 Punkte
blood blood blood blood blood blood blood blood blood dry
Trackliste Album-Info
01. Intro (Live in Moscow)
02. Skills In Pills (Live in Moscow)
03. Ladyboy (Live in Moscow)
04. Fat (Live in Moscow)
05. Frau & Mann (Live in Moscow)
06. Ich weiß es nicht (Live in Moscow)
07. Allesfresser (Live in Moscow)
08. Knebel (Live in Moscow)
09. Home Sweet Home (Live in Moscow)
10. Cowboy (Live in Moscow)
11. Golden Shower (Live in Moscow)
12. Blut (Live in Moscow)
13. Platz Eins (Live in Moscow)
14. Praise Abort (Live in Moscow)
15. Fish On (Live in Moscow)
16. Ach so gern (Live in Moscow)
17. Gummi (Live in Moscow)
18. Steh auf (Live in Moscow)
19. Outro (Live in Moscow)
Band Website:
Medium: CD, LP, DVD/Blu
Spieldauer: 1:16:14 Minuten
VÖ: 21.05.2021

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten