Erja Lyytinen - Waiting For The Daylight

Review von baarikärpänen vom 04.03.2023 (2951 mal gelesen)
Erja Lyytinen - Waiting For The Daylight LAURA COX wird ja im Moment selbst in der Metalpresse für ihr zweites Album abgefeiert (was sie sich absolut verdient hat), obwohl sie eigentlich nur am Rande in die Szene passt. Gleiches gilt auch für LARKIN POE. Ok, Classic Rock, auch Blues-beeinflußt, gehört ja doch irgendwie dazu. Nun möchte ich die Leistung von Miss Cox und von LARKIN POE natürlich in keinster Weise schmälern, sondern den geneigten Leserinnen und Lesern lieber eine weitere Künstlerin schmackhaft machen, die schon viel zu lange unter dem (metallischen) Radar geflogen ist: ERJA LYYTINEN.

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Die 1976 in Kuopio geborene ERJA LYYTINEN darf man getrost als Meisterin ihres Fachs bezeichnen. Sie war unter anderem die erste Frau, die an der renommierten Sibelius Akademie elektrische Gitarre studiert und mit einem Meiserbrief abgeschlossen hat. Neben nationalen Auszeichnungen belegte sie im Guitar World-Magazin den zweiten Platz in der Kategorie "Worlds Best Guitar Players Now" und bei den European Blues Awards gewann sie den Hauptpreis für "Guitarist Of The Year". Wenn man ihr dann noch das Prädikat "The Queen Of Slide Guitar" verpasst und eine Legende wie Carlos Santana meint "... she's the future!", dann sagt das eigentlich schon genug aus über ihre Qualitäten an den sechs Saiten. Wie die bereits erwähnten COX und LARKIN POE bezieht auch ERJA LYYTINEN ihre Haupteinflüße aus dem Blues Rock, wobei LYYTINEN auch öfters zu den Wurzeln dieser Musik tendiert. Bedeutet, der Großteil des Materials auf ihrem neuesten Album "Waiting For The Daylight" kommt deutlich tiefenentspannter daher oder "Laid Back", wie man es so schön nennt. Und trotzdem ist sie damit nicht mal weit entfernt von den Granden des "Female Fronted Classic Rock", wie BLUES PILLS oder SIENA ROOT.

Gut, "Waiting For The Daylight" ist mittlerweile schon fast fünf Monate auf dem Markt, aber es heißt ja nicht umsonst, dass es nie zu spät ist. Im Gegensatz zu ihren früheren Veröffentlichungen ist "Waiting For The Daylight" laut ERJA ein weitaus dunkleres und persönlicheres Album geworden, auch bedingt durch die Pandemie und den Verlust einiger ihr nahestehender Freunde. Neben ihren Inspirationen aus dem Blues hat die Sägerin/Gitarristin viele ihrer Faves aus ihren Teenagerzeiten, wie BLACK SABBATH oder LED ZEPPELIN, in ihre Riffs und Licks aufgenommen. 'Bad Seed' eröffnet diese bluesig-rockige Wundertüte und erinnert mich an die Zeiten Ende der 80er oder zu Beginn der 90er, als Sängerinnen wie ANNICA, JOANNA DEAN, ROBIN BECK oder ALANNAH MYLES enorm angesagt waren, nur mit dem Unterschied, dass ERJA LYYTIEN nicht nur eine mehr als gute Sängerin ist. 'Bad Seed' ist relativ straight und rockig gehalten und hat einen Chorus, der sofort im Ohr hängen bleibt. Ich bin mir nicht sicher, ob ERJA LYYTINEN das so unterschreiben würde, aber die ersten 20 Sekunden des nachfolgenden 'Last Girl' klingen verdächtig nach IRON MAIDEN zu "Somewhere In Time"-Zeiten, entwickelt sich aber zu einem netten Rocker mit einem ernsten Text, und spätestens in den Parts vor dem Chorus erkennt man, wie ERJA LYYTINEN auf LED ZEPPELIN als Bezugspunkt kommt. Spannend für mich klingt auf 'Run Away' die Verschmelzung von fast schon sakral anmutenden Strophen und rockigem Chorus. Respekt darf man der Finnin zollen für ihre Verbeugung vor Tony Iommi, dem Riff-Gott schlechthin, der sie nach eigener Aussage massgeblich im Titeltrack des Albums inspiriert hat. Zwar glänzt jeder Song auf "Waiting For The Daylight" mit brillanten Soli, aber im Titelsong zaubert ERJA LYYTINEN geradezu. Nicht mal so sehr technisch, sondern mit jeder Menge Gefühl. Wo wir schon beim Gefühl sind, darf 'Never Really Had You' nicht unerwähnt bleiben. Dieser Track wird für die B4M-Leserschaft zwar weniger ansprechend sein, aber wie ERJA LYYTINEN hier den Soul im Blues integriert, das hat schon was. Ein weiterer eher ungewöhnlicher Song im Metal-Kontext dürfte dann noch 'Love Bites' sein, der für mich wie eine Verbeugung vor Amy Winehouse klingt. Ungewöhnlich, aber gelungen. Auch wenn ERJA LYYTINEN das Album komponiert und produziert hat, steht und fällt natürlich alles mit den Musikern, die sie unterstützen. Mit Kasper Mårtenson (Keyboards), Tatu Back (Bass) und Iiro Laitinen (Drums) hat ERJA LYYTINEN die perfekte Mannschaft um sich versammelt, die ihre Songideen gekonnt umsetzen. Spannend übrigens auch, wie ERJA LYYTINEN bei der Gestaltung des Covers vorgegangen ist. Man hat einfach den Computer mit Zeilen aus den Lyrics gefüttert, Emotionen beschrieben, die die Songs ausdrücken sollen, Farbvorstellungen, und am Ende hat eine AI alle Vorgaben verarbeitet und das vorliegende Artwork kreiert.

Achteinhalb Punkte ist mir "Waiting For The Daylight" wert. Ganz einfach, weil ERJA LYYTINEN eine wirklich begnadete Sängerin, Gitarristin und Komponistin ist. Classic Rock, der zum einen tief im Blues verwurzelt ist, sich aber auch nicht davor scheut, Vorbilder der frühen hart rockenden Szene dezent zu zitieren. Das beschreibt es wohl ganz gut. Und weil die Metal-Gemeinde ja schon immer für ihre Offenheit bekannt war, sollte es doch mit dem Gehörnten zugehen, wenn ERJA LYYTINEN auch nicht hier ein paar offene Ohren findet.



Gesamtwertung: 8.5 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Bad Seed
02. Last Girl
03. Run Away
04. Waiting For The Daylight
05. Never Really Had You
06. Diamonds On The Road
07. You Talk Dirty
08. Love Bites
09. The End Of Music
Band Website: erjalyytinen.com/
Medium: CD, LP
Spieldauer: 48:39 Minuten
VÖ: 07.10.2022

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