Gatekeeper - From Western Shores | |
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Review von baarikärpänen vom 22.03.2023 (3580 mal gelesen) | |
Es heißt ja oft, die geographische Herkunft einer Band wirke sich durchaus positiv auf den Sound aus. Die besten Beispiele lassen sich wohl im Black Metal finden. Denn wer könnte die klirrende Kälte und die Dunkelheit besser in die Musik einfließen lassen als zum Beispiel Norweger. Nun mag es durchaus auch Truppen aus dem Amazonasbecken geben, die sich den düsteren Klängen verschrieben haben und sich wirklich Mühe geben, ihren skandinavischen Vorbildern gerecht zu werden. Aber es ist nun mal ein Unterschied, ob man ganzjährig vor Schweiß trieft unter der brütenden Sonne des Äquators oder ob man die Hälfte des Jahres Gefahr läuft, am Boden festzufrieren - und das bei so gut wie keinem Tageslicht. So ähnlich dürfte auch Jeff Black, der Mastermind von GATEKEEPER, im Jahre 2014 gedacht haben, als er seine Homebase von Edmonton an die Westküste nach Vancouver verlegte. Wer epischen Metal zockt, sich lyrisch gerne auch mal den einen oder anderen Wikinger vorknöpft, der ist dort, in direkter Nähe zur Küste und zu den Bergen, am besten aufgehoben. Diese inspirierende Umgebung war schon auf dem Vorgänger "East Of The Sun" und der "Grey Maiden"-EP spürbar, wird aber nun mit "From Western Shores" ganz klar nochmals getoppt. Dabei hatte Jeff Black (oder besser GATEKEEPER) einige unerwartete Klippen zu umschiffen. So kam ihm nicht nur der noch auf "Grey Maiden" zu hörende Gitarrist Kenny Kroecher abhanden, der 2019 durch Adam Bergen ersetzt wurde. Noch schwieriger dürfte aber gewesen sein, dass mit Jean-Pierre Abboud ein echter Ausnahmesänger die Band verließ. Dass bei der Wahl eines Nachfolgers dann Tyler “Tex” Anderson das Rennen machte, darf jetzt schon getrost als weiseste aller Entscheidungen bezeichnet werden. Nichts gegen den über jeden Zweifel erhabenen Abboud, aber Anderson hebt GATEKEEPER für meinen Geschmack auf den nächsthöheren Level. Um zu erkennen, was Anderson für ein wandlungsfähiger Sänger ist, genügt dann auch ein Blick zu ODINFIST, bei denen er bereits seit 2006 am Mikro steht und eine völlig andere Art des Heavy Metals zockt. Auch auf den Sound des neuen GATEKEEPER-Langdrehers hatte Mister Anderson Einfluss, da er den Großteil der Lyrics und Melodien verfasst hat. Gerade was die Melodien angeht, hat Anderson sich einige der feinsten aus dem Ärmel geschüttelt, die ich seit Ewigkeiten in diesem Bereich, in Verbindung mit der Musik, nicht mehr in dieser Qualität gehört habe. Man lausche beispielsweise nur mal 'Exiled King'. Die Kombination Waters / Anderson scheint perfekt zu harmonieren. Fast ein Jahrzehnt waren im Bereich des episch-melodischen Metals ATLANTEAN KODEX mit ihrem "The White Goddess" die schier unerreichbare Referenz-Band schlechthin. Aber schon mit der "Grey Maiden"-EP konnten GATEKEEPER zumindest leicht am Thron kratzen, und spätestens jetzt, mit "From Western Shores", können sich die Bayern von ihrer Pole Position verabschieden. Das ist umso bemerkenswerter, weil die Kanadier - wie bereits ausgeführt - keine über Jahre gewachsene Einheit sind. Gerade einen Wechsel hinter dem Mikro stecken die wenigsten Bands so einfach weg. Aber herrje, ich möchte zu gerne wissen, in welchen Kupferkessel voll mit mystischem Zaubertrank der Vancouver-Fünfer da reingefallen ist, um mit so einem Album aufzuwarten, auf dem ein derart konstant hoher Qualitätslevel von der ersten Sekunde bis zum letzten Klang gehalten wird. Das eigentlich Aufregendste dabei ist, dass GATEKEEPER bis auf wenige kleine Ausnahmen darauf verzichten können, sich Inspirationen bei anderen Truppen zu holen. Nein, die Kanadier haben acht Songs auf dieses Album gepackt, die zu 99,5% so nur von GATEKEEPER stammen können. Und wenn dann doch mal ein Part irgendwie vertraut klingt, dann wird er nur deswegen eingebaut, weil er zur Auflockerung dient. So geschehen zum Beispiel beim abschließenden 'Keepers Of The Gate' (das wie der Titelsong den Fans der Band gewidmet ist), bei dem im hinteren Drittel des Songs RUNNING WILD verstohlen um die Ecke linsen. Oder aber die gelegentlichen Einflechtungen von mittelalterlich klingenden Passagen, die mich an die Briten ALBION erinnern, die wir auf unseren feinen Seiten auch schon reviewt haben. Darf man bei diesem Album einen einzelnen Track überhaupt rausgreifen? Eigentlich nicht, aber das für "From Western Shores" geradezu straighte 'Twisted Towers' hat es mir vor allem deswegen angetan, weil Anderson hier an bestimmten Stellen wie ein junger Jon Anderson (YES) klingt und diesem Song seinen Stempel ganz besonders aufdrückt. Aber es sind nicht die acht Songs alleine, die "From Western Shores" zu solch einem Überalbum machen. Duncan Storr entwickelt sich für GATEKEEPER so langsam zu etwas wie einem Roger Dean oder Stom Thorgerson, die beide ikonische Artworks für YES oder PINK FLOYD entworfen / gezeichnet haben. Alleine wegen des Artworks von Storr wird die Anschaffung des Vinyls fast schon zum Pflichtkauf, selbst für Menschen, die gar keinen Plattenspieler mehr besitzen. Duncan Storr hat "From Western Shores" ein Artwork spendiert, in das man (am besten untermalt von der Musik) eintauchen möchte. Und es ist natürlich auch die Produktion, die Jeff Black mit Unterstützung von Michael Kraushaar (verantwortlich für die Aufnahme der Drums und Gitarren) in den Händen hatte und die Arthur Rizk (unter anderem KREATOR, CIRITH UNGOL) perfekt abgemischt hat. Weil hier bis jetzt nur Black oder Anderson erwähnt wurden, ist es nur gerecht, auch die anderen beteiligten Musiker zu nennen, sei es Gitarrist Adam Bergen, Bassist David Messier oder Drummer Tomy Tro, die alle ihren Teil dazu beigetragen haben, GATEKEEPER auf die nächsthöhere Stufe zu heben. All diese Puzzleteile ergeben im Endeffekt ein Gesamtkunstwerk. GATEKEEPER bleiben sich und ihrem Epic Metal treu, aber bringen das Kunststück fertig, dass selbst Hörer, die mit diesem Genre absolut nichts anfangen können (soll es ja geben), die Kanadier in ihr Herz schließen dürften. Sicher, das Jahr ist noch jung, und es werden noch weitere Alben unter dem Banner des Epic Metal erscheinen. Aber alle werden sich an "From Western Shores" messen lassen müssen und dabei das Nachsehen haben. Solch eine Macht von Album zu veröffentlichen, kann Segen oder Fluch für GATEKEEPER sein, weil sie sich selbst damit - spätestens für den Nachfolger - die Latte in eine fast schon unerreichbare Höhe gelegt haben. Ich gehe einfach mal davon aus, dass GATEKEEPER "From Western Shores" als Segen sehen, der sie noch mehr anspornt. Es wird ja gerne gerätselt und gefragt, wer die Nachfolge der sogenannten Großen des Heavy Metal antritt, so sie denn in absehbarer Zeit die Segel streichen. Mit "From Western Shores" geben GATEKEEPER die Antwort auf diese Frage, und etwas anderes als die Höchstnote kann es hier nicht geben. Gesamtwertung: 10.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. From Western Shores 02. Death On Black Wings 03. Shadow And Stone 04. Exiled King 05. Nomads 06. Twisted Towers 07. Desert Winds 08. Keepers Of The Gate | Band Website: www.facebook.com/gatekeeperband Medium: CD, LP Spieldauer: 48:58 Minuten VÖ: 24.03.2023 |
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