Maïeutiste - Veritas | |
---|---|
Review von grid vom 22.10.2019 (4365 mal gelesen) | |
Futter fürs Hirn, Wärme fürs Herz und Balsam für die Seele, so empfinde ich "Veritas" von MAÏEUTISTE, die auf ihrem zweiten Langspieler erneut ihrer Lust frönen, eine Fülle an Stimmungen und Stilen zu mixen und überfallartig Genregrenzen einzureißen. Allerdings nicht, um auf dem eroberten Terrain zu verharren, sondern um weiterzuziehen, so dass federleichte (zuweilen popaffine) Melodien mit brettharten Eruptionen um die Aufmerksamkeit buhlen und staunen lassen, dass dieses (nur auf den ersten Hör scheinbar) chaotische Kuddelmuddel einem kühn gedachten System unterliegt, das es zu entdecken gilt. Wer vom selbst betitelten Langspieler aus dem Jahr 2015 angefixt wurde, der wird mit "Veritas" endgültig süchtig nach den komplexen Kompositionen, die wieder mit Unterstützung von Gastmusikern verwirklicht wurden. "Veritas" startet locker fluffig, raukehlig und höchst schwarzmelodisch, dass mir MISTUR in den Sinn kamen, doch einige Wendungen heben sich neben dem Klargesang mit Latino-Anleihe vom gewohnt Vertrauten ab und der Song hat seinen Zweck erfüllt: Der Hörer ist an der Angel und verfängt sich in 'Infinitus', in welchem sich das songschreiberische Talent noch mehr offenbart. Hardcoriges Poltern und heftige Shouts konkurrieren mit zartem Klargesang und Akustiksaiten und einem Riffmassiv, gegen das ein seichter Chorus ansingt. So was muss man sich erst mal trauen. Fast acht Minuten betreiben MAÏEUTISTE ihr wechselwütiges Kontrastprogramm, ohne dabei den Faden oder den Hörer zu verlieren, denn auf den hat sich die Energie längst übertragen, so dass er beim heftigen Schlussdrive nicht anders kann, als freudig erregt zu zappeln. Der nächste Kontrast heißt 'Spiramus' und der wärmt das Herz und streichelt die Seele, dass man es fast schon kitschig nennen könnte, würde die fein ziselierte Traurigkeit aus Klargesang, Cello und Geige nicht so verdammt unter die Haut gehen und berühren. 'Universum' hält das nächste Wechselbad bereit. Ziemlich gegen Strich gebürstet glänzt Ruppigkeit mit Popappeal verpaart, wie man es auch von SOLEFALD kennt. 'Vocat', fünfzehn Minuten lang, steigt mit progressiven Gitarren ein und sucht die Nähe zum Chaos. Doch ein klares Riff hier und Raugesang dort, im freundlichen Midtempo und mit klarem Chorgesang gespickt, halten den Song in der Spur zwischen poppiger Eingängigkeit und irritierenden Strukturen. Dem etwas länglich geratenen Mittelteil gewinne ich allerdings auch nach vielen Durchgängen nichts ab. Da kann die Akustikgitarre noch so zärteln, ein paar Minuten weniger hätten es auch getan. Mit dem einsetzenden Klargesang gewinnt der Song Atmosphäre und Wehmut zurück und bevor Tränen fließen, greifen MAÏEUTISTE in die Riffkiste, steigern Tempo und regulieren Tanzbarkeitsfaktor und Aggro-Level ein Stück nach oben. Klagende Cellotöne mischen am Ende noch einmal mit und bereiten den Weg in ein verrückt/vertracktes Ende, das vor Übermut und Leidenschaft überschwappt. - Mit leichten postmetallischen Gitarren beginnt der zweite Teil des Titeltracks und wer jetzt auf einen Ausklang voller Harmonie hofft, bekommt einen Tritt vors Schienenbein, denn MAÏEUTISTE packen die Keule aus und zeigen, dass weder eine klare Stimme noch ein Cello dem aggressiven Treiben der Instrumente den Schneid abkaufen können. Das besorgt die ab Minute fünf einsetzende Stille, die wahlweise Zeit lässt, das Gehörte zu verdauen oder sich über die Tonlosigkeit zu wundern oder gar zu ärgern, bis eineinhalb Minuten vor Schluss Atmosphäre nachgeladen wird mit sphärischen Klängen, in die sich Dissonanzen drängen, die ein letztes Mal verdutzen und doch nach fast einer Stunde kein anderes Fazit zulassen als: bravo … bravissimo. Gesamtwertung: 9.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Veritas I 02. Infinitus 03. Spiramus 04. Universum 05. Vocat 06. Veritas II | Band Website: Medium: CD Spieldauer: 54:33 Minuten VÖ: 04.10.2019 |
Alle Artikel