Ghosther - Ghosther | |
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Review von derkleinekolibri vom 15.10.2024 (11476 mal gelesen) | |
An den Anfang meiner Betrachtung der seit dem 4. Oktober 2024 erhältlichen EP "Ghosther" von GHOSTHER stelle ich ein Zitat von Willi Weindorf: "Wo gesungen wird, da lass dich nieder ... schlechte Menschen singen keine Lieder." Mindestens ein GHOSTHER-Mitglied würde jetzt gewiss verdutzt dreinschauen. Ob ihm das Zitat bekannt ist, weiß ich nicht, aber der Name Willi Weindorf dürfte Frank Stellmacher, dem Bassisten von GHOSTHER, noch geläufig sein - spielten die Jungs doch in der zweiten Hälfte der 90er Jahre bis ins neue Jahrtausend hinein Seite an Seite bei GLENROCK. Eine weitere Station von ihm war dann MODO, von denen mir zwei Demos aus den Jahren 2015 und 2017 vorliegen. Die damalige Formation mit Jenny Jansen (heute: Jenny Gaube) (Gesang), Andy Gaube (Gitarre und Gesang), Frank Stellmacher (Bass) und Ronnie Jansen (Schlagzeug) wechselte den Namen und ist seitdem als GHOSTHER sehr erfolgreich unterwegs. 2019 veröffentlichte das Quartett sein Debütalbum "Through Fire", das nicht nur musikalisch umwerfend war, sondern auch optisch so viel hermachte, dass es für mich bis heute zu den besten jemals gestalteten Covern überhaupt gehört, die ich kenne. 2022 schob man "Immersion" nach, ein weiterer Schritt auf dem Weg nach oben. Sogar eine limitierte "Liquid filled Vinyl"-Edition war erhältlich und binnen kürzester Zeit vergriffen. Und nun, als Vorspiel für ein hoffentlich bald folgendes drittes Album, hat man sich entschlossen, das Feuer weiter zu entfachen, indem man eine EP mit vier Stücken unter die nach mehr lechzende Fangemeinschaft streut. Der Opener 'Mindset Baby', bereits als Single veröffentlicht, besticht, wie auch die drei folgenden Titel, durch seine Vielschichtigkeit. Heftig rockend geht es los. Die Jungs fahren dann etwas zurück, bis ihr Mädel zum ersten Mal die Stimme erhebt. Nach einem Drittel der Laufzeit gibt es einen ersten atmosphärischen Moment, in welchem Jennys Stimme glasklar an die Ohren dringt. Wer sie einmal live erlebt hat, der kennt sie als Energiebündel mit einer Ausstrahlung, die jegliche Beleuchtung durch Scheinwerfer unnötig macht. Doch das ist noch nicht alles: In einer sehr basslastigen Phase kommt aus diesem Kehlchen ein rauer, rotziger Gesang, der deutlich werden lässt, wie groß die stimmliche Bandbreite des "Fräuleins" ist. Nach diesem ersten Titel kann man sich dem Sog nicht mehr entziehen, man wird automatisch in den Strudel der Musik gezogen, die mit 'Undertow' ihre Fortsetzung findet. Dieser Song, ebenfalls als Single ausgekoppelt, setzt besonders stark auf Abwechslung. Ronnies Schlagzeugspiel erzeugt Gefühlswallungen, die nicht jeder Drummer zu erzeugen in der Lage ist. Die Einführung ist GHOSTHER-typisch, Jennys cleaner Gesang nimmt einen mit und dann erschallt plötzlich und unvermittelt ihres Mannes Stimme, die an Rauheit kaum zu überbieten ist. Grandios, was der menschliche Körper in der Lage ist, hervorzubringen. Das Hin und Her brachialer Phasen, die sich mit ruhigen Phasen abwechseln und mit diversen verschiedenen "Singstimmen" durchsetzt sind, lässt einen staunend zurück. Einen maßgeschneiderten Song für die Vollgasdeppen der Nation hat man mit 'No Tomorrow' geschaffen. Beim ersten Hördurchgang wähnte ich mich in meinem alten Cabrio (GHOSTHER kennen es), mit dem ich schon gerne mal mit 240 Sachen über die Autobahn gebrettert bin. Den Verlauf des Songs stelle man sich so vor: Nach dem Beschleunigen auf der linken Spur wird man plötzlich ausgebremst, mahnende Worte der Beifahrerin erschallen, bevor sich Andy sein Gitarre schnappt und erneut beschleunigt. Beim riskanten Überholen eines Lastwagens kurbelt dessen Fahrer die Scheibe herunter und herrscht den Cabriofahrer mit bösartigem Gegrunze an, er möge sich doch rücksichtsvoller verhalten. Die Situation beruhigt sich, von der Beifahrerseite kommen dankbare, samtweiche Worte und ein Blick, dem man nicht ausweichen kann, verwandelt den Fahrer für kurze Zeit in ein willfähriges Etwas, nur um dann doch wieder ins ursprüngliche Schema des Rasens zurückzufallen, das von weiteren heftigen Shouts begleitet wird. 'Bleed Me Out' schließlich beginnt wie in einem Übungsraum aufgenommen, dann kommt einer der ganz großen Momente von Frank, der seinem Bass alles abverlangt. Was anschließend an Brachialität folgt, geht auf keine Kuhhaut. Auch bei diesem Stück wieder Stimmungs-, Rhythmus- und Dynamikwechsel ohne Ende. Ronnie zerhackt alles zu Kleinholz, Andys sägende Gitarre treibt ihn zur Höchstleistung an. Und dann? Ist leider Schluss. Anhand des ehemaligen GLENROCKers Frank kann man sehen, zu was man alles in der Lage ist, wenn man nur einen unbändigen Willen hat. Die anderen Bandmitglieder mögen mir verzeihen, dass ich hier Frank in den Vordergrund stelle, aber von ihnen ist mir halt so gut wie nichts bekannt, halt nur, dass sie live zusammen mit ihrem Bassmann der absolute Hammer sind. Überzeugen könnt ihr euch demnächst von ihren Live-Qualitäten, denn während der letzten drei Monate des Jahres 2024 supporten GHOSTHER die hochgelobten APRIL ART. Psst! Mal ganz im Geheimen: Jenny, Andy, Frank und Ronnie spielen mindestens auf Augenhöhe mit APRIL ART und werden vielleicht genau diese irgendwann als ihren Support auf die Bühne holen. Die EP gibt es in zwei auf jeweils 150 Stück limitierte Vinylvarianten (Grey Black Marbled und Orange) sowie in einem schicken Digipack. Das kleine, aber feine Label "Doc Gator Records" hat schon vor Jahren die Qualität GHOSTHERs erkannt und sie unter ihre Fittiche genommen. Gesamtwertung: 10.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Mindset Baby 02. Undertow 03. No Tomorrow 04. Bleed Me Out | Band Website: Medium: CD, EP Spieldauer: 14:55 Minuten VÖ: 04.10.2024 |
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