Feuerseele - Erntezeit

Review von Contra vom 26.10.2012 (6030 mal gelesen)
Feuerseele - Erntezeit "Metalaltercore" schreiben sich FEUERSEELE auf die Fahnen. Innerhalb weniger Hundertstelsekunden stellt sich massive Skepsis ein. Nicht nur Mittelalter-Folk ist 'ne ganz schwer verdauliche Sache, auch Metalcore steht auf meiner persönlichen Liste ziemlich weit unten. Und so genannte "kreative Neologismen", insbesondere jene, die die unfassbar fantastische Individualität einer Band hervorheben sollen, meist aber darauf hinweisen, dass diese Band exakt denselben Kappes macht, wie 16.478 andere hochindividuelle Bands auch, stehen noch weiter unten auf der Liste als "St. Anger". Aber bitte, ich habe "Erntezeit" auf dem Schreibtisch liegen, also wird das jetzt auch rezensiert. Also Augen zu und durch.

Dachte ich, doch das Debütalbum des jungen Fünfers hat mit von obskuren Instrumenten überladenem Mittelalter-Folk-Gedöns und Coregezücht deutlich weniger zu tun, als es der Name vermuten lassen würde. Mit Metal hat das auch herzlich wenig am Hut, stattdessen kommt "Erntezeit" mit erstaunlich knackigem, verspieltem Rock daher. Zwar dienen sowohl Dudelsack als auch Geige als tragende Instrumente, jedoch wechseln sich beide in dieser Funktion ab und werden nicht derart ad nauseum eingesetzt, wie es beispielsweise IN EXTREMO tun. Vielmehr werden die oben angesprochenen obskuren Instrumente angenehm sparsam und gut durchdacht eingesetzt, so dass sie die Songstrukturen akzentuiert unterstützen, ohne einem schon nach zehn Minuten auf den Senkel zu gehen. Dadurch, dass die Gitarren nur selten einen Leadpart übernehmen, entsteht so ein straighter, aber eben doch immer folkiger Rock, der das Prädikat "Mittelaltergedöns" auch aufgrund der erfrischend klischeefreien Texte nur selten verdient. Für eine Band dieser Gewichtsklasse sind außerdem die gute Produktion und das erstaunlich starke Songwriting hervorzuheben. Weit entfernt von immer gleich klingenden Dudelsack-Overkills schaffen es FEUERSEELE, von melodischen Leads über rockige Arschtritte bis hin zu einer an ERIC CLAPTON erinnernde Bluespassage in 'Tango' wahnsinnig viele Einflüsse unterzubringen, ohne in Soundbrei zu versinken.

Zeit für ein aber: der Sänger. Wenn man beim Folk Rock den Fokus auf den Rock legt, dann sollte man sich auch eine dazu passende Stimme suchen. Nicht, dass Frontmann Markus nicht singen könnte, aber er wäre bei einer Boyband dann doch besser aufgehoben. Nur selten passt der Gesang wirklich zur Musik. In den Strophen geht's noch, aber in den Refrains würde ich mir die Cohones dann doch ein Stockwerk tiefer wünschen. Wenn er dann die paar Male ins rauhere Stimmspektrum abrutscht, ist das auch gar nicht schlecht. Aber mehr eben auch nicht. Dass ich beim langen Intro von 'Fiebertraum' dachte "geil, ein Instrumental" und dann enttäuscht feststellen musste, dass dem nicht so war, spricht Bände. Auch zwei weitere Songs müssen an den Pranger: 'Erntezeit' ist mit seiner pseudomystischen Darstellung des Beischlafes eher lächerlich. 'Hetzjagd' ist ein Livesong. Und zwar nicht im Sinne von "kommt live besser als auf Platte", sondern im Sinne von "lass uns mal auf Teufel komm raus einen Song machen, der auf live zugeschnitten ist." Überhaupt sind erst die letzten drei Songs wirklich gut, die Mitte des Albums ist ein Paradebeispiel für einen Durchhänger. Nichtsdestotrotz bin ich sehr gespannt, wie es mit FEUERSEELE weitergeht. Denn dadurch, dass sie den Folk Rock deutlich rockiger interpretieren als viele andere vergleichbare Bands und den Dudelsack zwar als tragendes, aber nicht überpräsentes Instrument sehen, könnten sie ein wenig frischen Wind in ein recht ausgelutschtes Genre bringen. Daseinsberechtigung haben sie auf jeden Fall.

Anspielen: 'Tango', 'Fetisch II'

Gesamtwertung: 7.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Kein Sonnenstrahl
02. Mutter
03. Ego
04. Verfluchte Karibik
05. Hetzjagd
06. Erntezeit
07. Fiebertraum
08. Tango
09. Krieg der Blicke
10. Fetisch II
Band Website: www.feuerseele.de
Medium: CD
Spieldauer: 37:54 Minuten
VÖ: 19.10.2012

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