Owlbear - Chaos To The Realm

Review von baarikärpänen vom 30.08.2023 (3785 mal gelesen)
Owlbear - Chaos To The Realm Wäre ich ein Gamer, hätte mir natürlich sofort "Dungeons & Dragons" einfallen müssen, als ich den Namen OWLBEAR gelesen habe. Da ich das aber nicht bin, "Mensch ärgere dich nicht" bei mir immer zu Gewaltausbrüchen geführt hat und meine "sozialistische Einstellung" nie zu "Monopoly" gepasst hat, sagte mir der Name natürlich nichts. Dankenswerterweise hat OWLBEAR-Gitarrist Jeff Taft per Mail Licht ins Dunkel gebracht (ich hoffe, der hält mich jetzt nicht von Vorvorgestern). Jeff selbst spielt seit knapp 30 Jahren begeistert "Dungeons & Dragons". Irgendwann scherzten er und Sängerin/Gitarristin Katy Scary am Telefon darüber, dass es cool wäre, mal ein reinrassiges Metal-Album aufzunehmen, das sich komplett um Rollenspiele, Videospiele, Comics und so weiter dreht. Kurze Zeit später, genau gesagt 2019/vor Ausbruch der Pandemie, landete ein Demo von Katy zum Song 'Fiend Of Fire' in seinem Postfach, und die Sache nahm ihren Lauf. Was nun ein Owlbear ist, kann jeder, der es nicht weiß, selbst im Netz recherchieren. Jeff hat den Namen gewählt, weil dieses Mischmonster aus Bär und Eule für ihn zu den besten Figuren im Spiel zählt.

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Jeff Taft selbst dürfte einigen Leuten noch von seiner alten Band ADAMANTIS bekannt sein, deren "Far Flung Realm" mit seiner Mischung aus US-Power Metal und gutem alten deutschen Stahl und einem Schuß Epik durch die Bank großartige Kritiken einfahren konnte. Katy Scary dagegen war für mich ein recht unbeschriebenes Blatt, aber mit einiger Recherche lässt sich das ja ändern. Auch sie hat schon einige Veröffentlichungen mit KLAYMORE vorzuweisen, ebenfalls im Bereich Power Metal. Empfehlenswert auch ihr Kanal auf Youtube, wo Miss Scary mit ihren eigenen Songs eher Richtung oldschooligem Black Metal/Black Thrash tendiert. Was sie aber auf "Chaos To The Realm" abfackelt - da können einem schon mal vor Freude die Ohren schlackern. Abgerundet wird die Besetzung mit Estee Slaughter (kurzfristig eingesprungen für den aus privaten Gründen abgängigen Drummer) und Leona Hayward am Bass. Es gibt nicht wenige, die Leona Hayward für das next big thing halten, und genau das stellt Leona auf dieser Scheibe eindrucksvoll unter Beweis. Es muss eben nicht immer Prog Metal sein, um die dicken Saiten so einzusetzen. "Chaos To The Realm" ist ein Album, das laut gespielt gehört, aber vor allem Leona Hayward ist ein Grund dafür, sich das Ding auch mal konzentriert unterm Kopfhörer reinzuziehen (schade, dass sich PROJECT: ROENWOLFE, die Thrash-Band, wo Leone aktiv war, aufgelöst haben). Jeff Taft hat völlig recht, wenn er Leona Hayward als beste Musikerin bezeichnet, die er kennt.

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Es ist also alles angerichtet für ein richtig gutes Album. Spätestens wenn der letzte Song vorbei ist, wird klar, dass "Chaos To The Realm" nicht nur eine richtig gute Scheibe, sondern für mich das Beste ist, das ich in diesem Bereich seit langem gehört habe. Dabei startet "Chaos To The Realm" mit dem an MAIDEN erinnernden 'Fiend Of Fire' gar nicht mal so originell. Sicher, ein starker Opener ist das allemal. Was aber hier schon auffäll,t sind die tollen Gitarren und vor allem das Solo. Jeff Taft hat entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten einfach drauflos gespielt und nach eigener Aussage die Soli so rough wie möglich gehalten. Wenn das also dabei rauskommt, wenn man seine Soli "rough" einspielt, dann bitte mehr davon! Kleine Abstriche gibt es trotzdem, dazu später mehr. Aber bereits das direkt nachfolgende 'Bastard Sons' macht deutlich, mit was für einer geilen Scheibe wir es hier zu tun haben. Eine echte Abrissbirne, die nicht mal so viel mit Power Metal zu tun, sondern eher mit Speed Metal der Marke SAVAGE GRACE (also aus einer Zeit, als die noch relevant waren). Den Eindruck bekräftigt das direkt nachfolgende 'The Night Below', das zwar in der Geschwindigkeit reduzierter ist, aber massiv an SAVAGE GRACE auf "After The Fall From Grace" denken lässt. 'Cult Of The Hidden Serpent' aus der Feder von Katy Scary soll sich laut Jeff an 'Aces High' von MAIDEN orientieren, ich für meinen Teil höre da aber mehr neuere ACCEPT raus, vor allem deren schnellere Nummern. Ist ja immer so eine Sache mit den persönlichen Eindrücken. So ganz kann sich Jeff Taft nicht von ADAMANTIS und deren Hang zu epischem Stoff lösen, was man prima auf 'Tyrant's Fall (The Death Of The Sorcerer King)', einem der beiden langsamen Songs der Scheibe, hören kann. Aber was soll's, wenn dann so ein Stück dabei rumkommt? 'Steel At My Side' und 'Iuz The Old' sind dann klasse Beispiele für US-typischen Power Metal. 'Steel At My Side' mit ordentlich Dampf auf den Kesseln (hör' ich da die schnelleren Sachen von OMEN?) und 'Iuz The Old' bauen eine dunkle Stimmung auf, wie sie vor allem WARLORD auf den ersten Alben perfekt in Szene gesetzt haben. Tja, und dann kommt 'Voyage Of The Wraith'. Wer da sofort an RUNNING WILD denkt, darf sich 'nen Keks nehmen. Lustig aber die Entstehungsgeschichte des Songs: Jeff Taft schrieb für ADAMANTIS den Track 'Puppeteer's Bane', und in sämtlichen Kritiken wurde dann geschrieben, dass dies wohl eine Hommage an RUNNING WILD sein solle. War es aber gar nicht, weil Jeff sich vielmehr an FALCONER orientiert hatte. Also dachte sich der gute Jeff, dann schreib' ich für OWLBEAR halt mal einen Song, der sich zu 100 Prozent bei den Hamburger Freibeutern bedient. Der direkt danach folgende Titelsong ist eher unspektakulär (würde bei anderen Bands aber zum Highlight der Scheibe gehören), bevor 'Fall On Your Blade' dieses Album mit einem Paukenchlag beendet. Hier gibt's nochmal all das, was "Chaos To The Realm" zu einem er besten Debüts dieses Jahres macht: Tempo, Doppel-Leads, eine Leona Hayward in Hochform.

Noch ein paar kurzer Anmerkungen zu den vorher erwähnten kleinen Abstrichen in Sachen Soli. Das klingt bei einigen Songs total neben der Spur, besonders auffallend in 'Voyage Of The Wraith'. Das gibt Jeff auch ganz offen zu und schiebt zur Erklärung nach, dass sämtliche Aufnahmen während des Corona-Lockdowns entstanden sind, sämtliche Mitglieder ihre Parts in Eigenregie eingespielt haben. Die einzelnen Aufnahmen selbst standen soweit im Spätherbst 2021, aber aufgrund von unerwarteten privaten Problemen lagen die Sachen bis dieses Jahr unberührt in der Schublade. Jeff wollte dann so schnell wie möglich das Album veröffentlichen, und es fehlte schlicht die Zeit, sämtliche Parts nochmals zu bearbeiten. Kann man bemängeln, aber ich persönlich find es gar nicht mal so tragisch. Dafür hat man mit "Chaos To The Realm" ein Album, das zwar nicht perfekt ist, aber dadurch auch seinen ganz eigenen Charme hat. Und die tollen Songs an sich entschädigen ja auch.

OWLBEAR haben mit "Chaos To The Realm" ein Wahnsinnsdebüt in der Hand. Da müssen sich verdiente Recken der Szene ganz schön lang machen, um das in naher Zukunft noch zu toppen. Für mich jetzt schon ein Anwärter für "Album des Jahres" in Sachen traditionellen Stahls. Und ja, "Chaos To The Realm" soll keine Eintagsfliege bleiben, auch wenn sämtliche Mitglieder weit verstreut über die USA leben. Aus den Aufnahmen von "Chaos To The Realm" gibt es noch Songs, die die Band gerne veröffentlichen würde und neue Songs stehen ebenfalls bereits. OWLBEAR, bis jetzt ohne Unterstützung eines festen Labels, verdienen wirklich eure Unterstüzung, und deshalb ganz schnell mal bei Bandcamp vorbeischauen. Die Vinyl-Erstauflage ist bereits vergriffen, aber im Oktober gibt es Nachschub. Wer den Stress mit den Zollbestimmungen für Bestellungen aus den USA umgehen will, der bestellt bei Alone Records. Für mich kratzen OWLBEAR auf jeden Fall ganz knapp an der Höchstnote.



Gesamtwertung: 9.5 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Fiend Of Fire
02. Bastard Sons
03. The Night Below
04. Cult Of The Hidden Serpent
05. Tyrant's Fall (The Death Of The Sorcerer King)
06. Steel At My Side
07. Iuz The Old
08. Voyage Of The Wraith
09. Chaos To The Realm
10. Fall On Your Blade
Band Website: www.facebook.com/OwlbearMetal/
Medium: CD, LP, Downloa
Spieldauer: 45:45 Minuten
VÖ: 04.08.2023

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