Livebericht The 69 Eyes (mit Lacrimas Profundere ) |
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Ein Livebericht von Stormrider aus Frankfurt am Main (Zoom) - 24.11.2019 (33456 mal gelesen) |
Es gibt Bands, die funktionieren einfach sehr viel besser zu einer bestimmten Jahreszeit. Die Finnen THE 69 EYES sind so eine Band, die für mich erst mit Beginn des Herbstes auf dem Plattenteller landen. Das Quartett um Fronter Jyrki69 wandert immer auf dem schmalen Grat zwischen grenzenlosem Kitsch und angenehmer Morbidität und passt perfekt als Soundtrack für einen diesigen Herbsttag. Und so ist es nur konsequent, dass das Bleeding4Metal den bereits im Vorfeld komplett ausverkauften Abschlussgig der "West End"-Konzertreise im Frankfurter Zoom nicht verpasst. Pünktlich um 20:00 Uhr betreten LACRIMAS PROFUNDERE die Bühne. Die Band befindet sich weiterhin in einem beständigen Wandel, und heute steht mal wieder ein anderes Line-up auf der Bühne als bei den Gigs, die ich im Laufe der Jahre von der Band gesehen habe. Neben dem einzigen verbliebenen Gründungsmitglied, Oliver Nikolas Schmid, gibt es 2019 keinen zweiten Gitarristen mehr, und offiziell auch keinen Bassisten. Allerdings scheint Joey DeMaio für die Tour nun bei den Wagingern angeheuert zu haben, denn der Bassist heute sieht ihm nicht nur verdächtig ähnlich, auch das Stageacting mit dem Bass ähnelt dem unseres liebsten Fellhosen-Cheffe. Aber das ist nicht die einzige Neuerung. Der Sound der Band hat sich nach dem Wechsel am Mikrofon von Rob Vitacca zu Julian Larre ja schon auf dem wirklich starken aktuellen Album "Bleeding The Stars" (zum Review der Platte geht es hier) etwas in Richtung der Frühphase entwickelt und ist wieder etwas harscher geworden. Live wird das aber noch deutlicher, weil Julian viel mehr auf Growls setzt und damit der Band einen heftigeren Anstrich verleiht. Leider wirken die Songs dadurch etwas beliebiger als dann, wenn man sie mit düsterem Timbre der Albumversionen singt, anstatt zu schreien. Am Stageacting des Youngsters gibt es indes nichts auszusetzen. Ein exaltierter Frontmann, der genau weiß, dass er im Fokus steht und genau diesen auch permanent auf sich zieht. Er tänzelt, springt, animiert und ist der absolute Showmittelpunkt. Manchem mag das etwas überzogen vorkommen, aber ich persönlich mag Fronter die dieses Larger-Than-Life-Ego haben und auf der Bühne den Rockstar leben. Dafür geht man auf Konzerte. Das ist Livefeeling und unterscheidet das bloße Hören auf CD von einem Abend im Club. Das war bei seinem Vorgänger nicht anders, auch Rob hatte eine sehr charismatische Bühnenpräsenz. Aber die Art wie Julian performt, die ist noch ein Stück weit exzentrischer und theatralischer, lässt damit aber insgesamt auch wenig Platz auf der Bühne. So treten die anderen drei Musiker zwangsläufig etwas in den Hintergrund, aber man hat auch nicht das Gefühl, dass ihnen das Unrecht wäre. Die Setlist ist, und das ist nach Sängerwechsel und als Supportact wenig überraschend, zum Großteil auf den aktuellen Rundling ausgerichtet. Hier hat man sich die Perlen des Albums für den Liveset ausgesucht und um die größten Hits aus dem reichhaltigen Bandfundes ergänzt. Eröffnet wird die Dreiviertelstunde von 'Dead To Me', ein Song vom 2013er Albums "Antiadore", bevor mit 'Like Screams In Empty Halls' und 'Celestite Woman' zwei aktuelle Knaller in den kleinen Club auf der Frankfurter Zeil geschossen werden. LACRIMAS PROFUNDERE sind sowas wie ein perfect fit zum Headliner, was auch die Publikumsreaktionen zeigen. Diese gehen weit über den üblichen Höflichkeitsapplaus hinaus und das anschließende Hit-Doppel aus 'My Release In Pain' (Brett!!!) sowie dem immer wieder grandiosen 'Again, It's Over' zeigen, dass mehr als nur eine Handvoll Leute auch das Album "Filthy Notes For Frozen Hearts" zu kennen scheinen. Dem Album entspringt auch ein weiterer Hit der Band, der aus dem Liveset nicht wegzudenken ist: 'My Velvet Little Darkness'. Dieser wird als Ballade eingeleitet, bevor man dem Song die rockige Wendung wie auf der CD spendiert. Auch 'The Letter' und 'Ave End' sind alte Klassiker im Repertoire, bevor man den Gig mit 'Father Of Fate' beschließt und um 20:45 Uhr ein bestes auf den Headliner eingestimmtes Publikum zurücklässt. Setlist LACRIMAS PROFUNDERE: 01. Dead To Me 02. Like Screams In Empty Halls 03. Celestite Woman 04. My Release In Pain 05. Again It's Over 06. The Kingdom Solicitude 07. My Velvet Little Darkness 08. The Letter 09. Ave End 10. Father Of Fate 35 Minuten später gehen die Lichter erneut aus, und es ist Vampirzeit in Frankfurt. THE 69 EYES treten in Skeletten nachempfunden Lederklamotten auf die Bühne und hauen als erstes den Opener ihres aktuellen Albums, "West End", in den Saal. 'Two Horns Up' ist ja auf dem Album ein Duett mit Dani Filth (CRADLE OF FILTH), aber auch ohne den kleinen Engländer ist der Song ein cooler Kick-off in die nächsten 80 Minuten. Das Publikum ist sofort da und man merkt der Band nicht an, dass heute der letzte Gig der laufenden Tour ist. Dass Finnen nicht gerade die redefreudigsten Menschen unter dem Mond sind, das ist bekannt, und so spart man sich auch jegliche Ansagen während den ersten Songs. Man lässt einfach die Musik und die der Band typische Melancholie sprechen, und die Anwesenden wollen offensichtlich auch genau das. Viele dunkle Vampire, und wie bei THE 69 EYES üblich, ein vergleichsweise großer Anteil an Vampirinnen huldigen einfach der Referenzband des morbiden Gothic Rock. 30 Jahre sind die fünf nun am Start, und auch wenn nicht alle Alben in der Diskographie zum Klassiker dienen, live lässt man nichts anbrennen. Die Band sowie insbesondere Fronter Jyrki69 spielt gerne mit dieser kühlen Aura, bei der selbstverständlich die Sonnenbrille nicht fehlen darf. Es dauert ganze fünf Songs, also bis nach 'Betty Blue', bis die erste direkte Interaktion in Form einer kurzen Ansprache mit dem Publikum erfolgt. Bis hierhin ist der Gig einfach so geflossen - direkt in Nacken und Beine. Nun nimmt man mit 'Borderline' und 'Hell Has No Mercy' aber zunächst etwas Fahrt raus. Beide Songs sind nicht gerade richtige Livegranaten, bei denen man abrocken kann und laden eher zum Schunkeln oder Bierholen ein. Die anwesenden Liebespärchen nutzen die Chance indes zum Schmusen. Im Anschluss treten die Helsinki Vampires zum Glück wieder aufs Gaspedal. Und zu 'Crashing High' lässt man seine Holde wieder los, oder anders gesagt: Das eben noch bedächtig lauschende Publikum ist auf einen Schlag wieder da, sodass der Song als erstes Highlight verbucht werden kann. Was nun in der zweiten Hälfte des Sets folgt, ist dann ein kleines Hitfeuerwerk der letzten 30 Jahre. Egal, ob das von den Fans schon inbrünstig mitgesungene 'Cheyenna' (bei dem Gitarrist Bazie mit technischen Problemen zu kämpfen hat), '27 & Done', beide Songs sind vom aktuellen Album "West End" (zum Review der Platte geht es hier), 'Feel Berlin' oder das unkaputtbare 'Brandon Lee'. Man merkt, was die Fans hören wollen und das Stimmungsbarometer steigt in der Vampirgruft nach oben, während der Sauerstoffgehalt eher nach unten wandert. Nach einer knappen Stunde ist dann aber auch schon das erste Mal Ruhe im Sarg. Obwohl jeder irgendwie weiß, dass das ja noch nicht alles gewesen sein kann, weil da doch noch ein paar Hits fehlen, lässt sich Band vergleichsweise ewige vier Minuten Zeit. Aber was sind schon ein paar Minuten in der Ewigkeit eines Blutsaugerlebens? Zur Zugabe kommt zumindest Jyrki69 dann ohne Sonnenbrille auf die Bühne, während Timo-Timo die Nummer konsequent durchzieht, und wirkt komplett entspannt. So ein wenig, als würde jetzt drei Songs vor Tourende ein wenig der Druck von ihm abfallen. Er erzählt Geschichten, macht Witze und stellt fest, dass er sich gerade jetzt doch besser als Stand-up-Comedian eignet, als ihm das bisher bewusst war. Auch Jussi69 wird nochmal extra hervorgehoben. Es klingt so, als hätte man ohne den Drummer als treibenden Motor der Band vielleicht nicht drei Dekaden an Karriere geschafft. Apropos Jussi69: Der Mann ist natürlich ein Showdrummer, der alleine mit seiner Energie die Band nach vorne treibt, und dem es über die komplette Distanz einfach Spaß macht, zuzusehen, und er gleicht damit das recht statische Stageacting seiner Vorderleute zu einem Stück wieder aus. Wenn man etwas an der Show bemängeln möchte, was man aber eigentlich gar nicht muss, dann ist es die vergleichsweise statische Bühnenshow und Bewegungsarmut. Aber irgendwie passt es in Summe immer doch zum Gesamtkonzept der THE 69 EYES, und wenn man ehrlich ist, dann ist die Bühne des Zoom auch nicht gerade eine Festivalbühne mit besonders viel Laufwegen. Nachdem Jirky69 seine kurze Comedyeinlage beendet hat, geht es in den Abschlussdreier des Abends. Und da wird mit 'Framed In Blood', 'Dance D'Amour' und dem unvermeidbaren 'Lost Boys', vom 2004er Bandklassiker "Devils", nochmal richtig gezündet. Das Beste kommt zum Schluss? Ja, neben 'Cheyenna' ist das definitiv der Song, der die überschwänglichsten Reaktionen erntet. Es ist 22:40 Uhr, als die Vampire die Bühne endgültig verlassen und ihre Fans in die Nacht hinausschicken. Wer an diesem Herbstabend den Weg ins Zoom angetreten hat, anstatt auf der Couch einen schlechten Film zu schauen, der hat für mehr als faire 22 Euro ein absolut stimmiges Bandpaket zu sehen bekommen, welches im Bereich leicht morbider Gothic Rock zwei der besten Genrebands zusammen auf die Bretter gebracht hat. Two Horns Up! Setlist THE 69 EYES: 01. Two Horns Up 02. Never Say Die 03. Black Orchid 04. Perfect Skin 05. Betty Blue 06. Borderline 07. Hell Has No Mercy 08. Crashing High 09. The Chair 10. Cheyenna 11. Wasting The Dawn 12. 27 & Done 13. Feel Berlin 14. Brandon Lee Encore: 15. Framed In Blood 16. Dance D'amour 17. Lost Boys |
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