Dismal - Quinta Essentia

Review von baarikärpänen vom 31.12.2020 (8315 mal gelesen)
Dismal - Quinta Essentia Meret Becker ist eine tolle Schauspielerin, die auch abseits der Kamera, im Gegesatz zu manchen Kollegen, absolut authentisch und sympathisch rüberkommt. Ganz egal, ob sie in einer frühen Rolle die minderjährige und drogenabhängige Prostituierte spielt, wie im sträflich unterbewerteten "Happy Birthday Türke", oder die Kommissarin Rubin im Tatort aus Berlin. Warum ich jetzt auf Meret Becker komme? Frau Becker ist eben nicht nur Schauspielerin, sondern auch Sängerin. Als solche hat sie 1998 mit ihrem damaligen Lebensgefährten Alexander Hacke (EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN) ihr Album "Nachtmahr" veröffentlicht. "Nachtmahr" bot Gothic, Folklore oder Hörspiel (auf dem genialen 'Die Ballade Vom Kleinen Meretlein' mit Otto Sander als Erzähler), war aber letztendlich vor allem eines: avantgardistisch. Dementsprechend sprach das Album auch nur einen kleinen Kreis an. Genau der schließt sich dann auch, denn "Nachtmahr" fällt mir sofort ein, wenn ich das neue Album der Italiener DISMAL beschreiben soll.

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DISMAL existieren bereits seit 1995, konnten schon mit ihrem Debüt und seinem Mix aus Gothic und Doom durchaus überzeugen. Auch wenn die musikalische Ausrichtung auf den folgenden Alben verändert wurde, änderte das wenig am Zuspruch. Beleg dafür sollten auch die Auftritte auf dem Wave Gothic Treffen in Berlin und Leipzig sein. Wobei ich mich ehrlicherweise selbst erst mal durch jede Menge Presseartikel wühlen musste, da mir DISMAL bisher kein Begriff waren. Gerade im Metalbereich dürften DISMAL nur eingefleischten Szenekennern ein Begriff sein. Daran kann auch der fünfte Langdreher der Dame und Herren aus Italien nichts ändern, was aber nicht bedeutet, dass wir es hier mit einer schlechten Scheibe zu tun hätten. Eher das Gegenteil ist der Fall.

Um das 25-jährige Jubiläum gebührend zu feiern, liefern DISMAL also mit "Quinta Essentia" ein ambitioniertes Konzeptalbum ab, dessen Texte sich mit kulturellen, philosophischen und alchemistischen(!) Fragen beschäftigen. Ein gewagtes Unterfangen. Das gilt auch für die musikalische Umsetzung des Ganzen. Denn im Gegensatz zu ihren Frühwerken mischen DISMAL eine solche Menge verschiedenster Einflüsse in ihren Sound, dass es einem beim Hören geradezu schwindlig wird. Fängt bei Metal an, geht über Steampunk hin zu einer theatralischen Ausrichtung oder gelegentlich an Soundtracks erinnernd, dazu gesellen sich Ambient-Sounds oder Industrial und Spoken Words-Passagen, ja selbst vor Walzer oder Tango scheut man nicht zurück. Solch eine Vielfalt in nur einer knappen Stunde Spielzeit unterzubringen hat so manch anderer Truppe schon das Genick gebrochen, aber auf "Quinta Essentia" passt das alles irgendwie zusammen. Klar dürfte also sein, dass "Quinta Essentia" ein Album geworden ist, das mit Easy Listening wirklich nichts am Hut hat. Es ist, wie das bereits erwähnte "Nachtmahr" von Meret Becker, vom ersten bis zum letzten Ton avantgardistisch. Alleine im knapp siebenminütigen Opener 'Gold Leviathan Part I, II' passiert musikalisch so viel, dass man sich bereits nach drei Minuten fragt, ob das tatsächlich noch derselbe Song ist (sozusagen das berühmt-berüchtigte "hätte anderen Bands für eine ganze Karriere gereicht"). Schon hier beeindruckend ist Sängerin Rossana Landi (nebenbei auch noch am Kontrabass zu hören), die in einem Moment betörend-lasziv klingt, im nächsten wie BJÖRK, keine halbe Minute später wie eine Operndiva (eine nicht nervende wohlgemerkt!). Was unsere Zielgruppe ebenfalls abschrecken dürfte, sind die reduzierten metallischen Gitarren, am ehesten präsent in 'Hermes The Thrice-Greatest'. Das am ehesten zugängliche Stück, 'Pale Blue Dot', und das getragen-ruhige 'Leviathan Of Gold Part III Become...' beenden dieses wirklich spannende Album. Wenn man denn ernsthaft nach den Haaren in der Suppe suchen möchte, dürfte man bei den programmierten Drums und den englischen Lyrics fündig werden. Mit der englischen Sprache/ Aussprache hat ja so manche Band, deren Mitglieder weder Muttersprachler noch schulisch mit einer Vorbildung ausgestattet sind, so ihre Probleme. Da bilden DISMAL keine Ausnahme. Hört man sich 'Alma Mater (Alchimia Della Natura)' oder 'The Big Bang Is My Light' an, beide mit italienischen Lyrics ausgestattet, drängt sich die Frage auf, warum DISMAL nicht komplett auf ihre Muttersprache gesetzt haben. Logo, die meisten außerhalb Italiens hätten ihre Schwierigkeiten, aber die italienische Sprache ist nun mal solch eine schöne melodiöse Sprache und hätte zu 100% zum kompletten Material auf "Quinta Essentia" gepasst.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass "Quinta Essentia" ein forderndes Album geworden ist, das leider den Großteil der Hörer überfordern oder kalt lassen wird. Es braucht Ausdauer und Hingabe, sich diese knappe Stunde Musik anzuhören. Die Band selbst nennt es einen "bizarre epic limbo, a carnival of the mind". Treffender kann man "Quinta Essentia" nicht beschreiben! Mich persönlich hat es gepackt, weshalb die acht Punkte sehr subjektiv zu verstehen sind. Aufgeschlossene Leser sollten zumindest mal reinhören.



Gesamtwertung: 8.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Gold Leviathan Part I, II
02. Turin Black Light Act I, II, III
03. Alma Mater (Alchimia Della Natura)
04. Mind & Randomness
05. Hermes The Thrice-Greatest
06. Beyond The Matter
07. The Big Bang Is My Light
08. Pale Blue Dot
09. Leviathan of Gold Part III Become...
Band Website: www.facebook.com/DISMAL.TheWaltzOfMind
Medium: CD
Spieldauer: 57:35 Minuten
VÖ: 13.11.2020

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