Interview mit Marcus von Postmortem

Ein Interview von Opa Steve vom 11.01.2011 (7838 mal gelesen)
Nach der bärenstarken Abrissbirne "Seeds Of Devastation" plapperten wir mit Berlin über ein Metaller-Dasein mit Enthusiasmus statt prallen Kassen.

Grüsse nach Berlin! POSTMORTEM haben nun nach ca. zwei Jahren ein neues Album auf den Markt gebracht. Bedeutet der relativ kurze Abstand nach vorher ewig langer Pause, dass ihr wieder heiß seid und euch so richtig ins Zeug legen wollt?

Marcus: Wir waren immer heiß, konnten nur nicht immer alles so umsetzen bzw. veröffentlichen, wie geplant. Jetzt haben wir mittlerweile eine gut funktionierende Plattenfirma und mit Max an den Drums auch endlich den richtigen Kandidaten auf dem Hocker. Wir hatten eigentlich seit der Jahrtausendwende ein arges Schlagzeugerproblem, was uns immer wieder zurück geworfen hatte. Max hat uns immer wieder angeboten, den Posten bei uns zu besetzen, wir waren jedoch so langsam mit dem Gedanken schwanger, POSTMORTEM ruhen zu lassen. Es kostet Kraft und Zeit immer wieder neue Schlagzeuger einzuarbeiten, um dann zu sehen, dass es einfach nicht läuft. Naja, zum Glück haben wir es dann mit Max versucht und wir waren sehr schnell an dem Punkt angelangt, wo wir merkten, dass POSTMORTEM endlich wieder rund läuft. Die Bandchemie stimmt zu 100%, wir wissen genau was wir zusammen erreichen können und vor allem, wir können uns aufeinander verlassen. Jeder weiß im Prinzip, was der jeweils andere Teil der Band für Vorstellungen hat. Wir harmonieren sehr gut zusammen und da ist natürlich eine neue Platte schneller angegangen und letztendlich veröffentlicht.

Die fetten Riffs und das Drumming lassen den Groove-Faktor auf "Seeds Of Devastation" ziemlich hochleben. Nachdem euer Drummer nun 4 Jahre mit an Bord ist, dürfte er sich mittlerweile gut eingelebt haben - inwieweit hat sich sein inzwischen fester Platz auf das Songwriting für "Seeds...." ausgewirkt?

Marcus: Max hat schon bei "Constant Hate" mitgeschrieben! Unser Songwritingverständnis ist ziemlich identisch. Max weiß genau, was ich zum Beispiel für meine Gitarrenriffs hören möchte. Wir alle verstehen uns mittlerweile fast blind. Die Songs für "Seeds of Devastation" sind recht schnell entstanden. Die Grundriffs schleppe meistens ich an und im Proberaum testen wir dann zusammen aus, was wie am besten passt. Dieser Prozess läuft dann mit allen Bandmitgliedern zusammen und ist am effektivsten.

Würde es euch jucken, gerade für den wichtigen Live-Sound mal wieder einen zweiten Klampfer in die Band zu holen, wenn sich ein geeigneter Kandidat findet?

Marcus: Ha, Ha... unser altes Thema. Wir haben es hin und wieder versucht mit einem zweiten Gitarristen, aber es hat immer wieder gezeigt, dass POSTMORTEM am besten funktionieren, wenn ich alleine für die Gitarre verantwortlich bin. Nun kann man mutmaßen, ob ich das Arschloch bin und alle anderen Gitarristen neben mir vergraule, aber ich denke damit hat das nichts zu tun. Ha, Ha! Ich habe eine genaue Vorstellung vom typischen POSTMORTEM-Sound, habe kein Problem damit, untypische Gitarrenparts zu spielen und vor allem stecke ich meine gesamte Kraft in die Band. Manchmal juckt es mich schon, besonders für die Liveumsetzung einiger Songs, einen zweiten Gitarristen neben mir zu wissen. Mir fällt da jetzt der Song 'Nocturnal Prayer' ein. Zum ersten Mal habe ich einen Song eingespielt, welchen ich nicht alleine live spielen kann. Bisher sind unsere Songs so aufgenommen, dass ich das auf der Bühne immer alleine umsetzen kann und zwischen den Gitarrenparts wechseln kann, ohne dass ein Soundloch entsteht. Bei diesem Song geht das schlecht, da wir es mit drei verschiedenen Gitarrenspuren zu tun haben, die nur zusammen Sinn machen. Also wäre es zu überlegen, ob wir uns einen Live-Gitarristen "anlachen". Das bringt aber eigentlich nur Unruhe und ehrlich gesagt haben wir mit einer Gitarre einen super Live-Sound. Das klassische Line up halt mit Drums, Bass, Gesang und einer Gitarre. Außerdem säuft uns ein fünftes Bandmitglied nur die Biervorräte weg... ha, ha.

.... vielleicht stecken ja in Matthias noch ungeahnte 6-String-Talente?

Marcus: Die stecken auf jedem Fall in ihm. Zumindest hatte er noch in den Anfangstagen selber Bass gespielt. Bei POSTMORTEM muss es aber so bleiben, dass er "nur" singt, um seine Gestik und Mimik weiterhin live anbieten zu können. Ich denke, dass macht ja auch mit die typische POSTMORTEM-Show aus...

Mit eurem Status könnt ihr sicherlich nicht auf die prallen Budgets zugreifen - dennoch klingt die Produktion der neuen Scheibe verdammt geil. Wer hat hierfür die Weichen gestellt? Das Daily-Hero ist ja bisher noch nicht als berühmte Kultstätte für extreme Metalbands auf den Plan getreten.

Marcus: Das Studio haben wir uns selber ausgesucht! Schon bei "Constant Hate" hatten uns die Jungs den Endmix verpasst und wir waren sehr zufrieden. Es stand eigentlich für uns fest, im DailyHero "Seeds..." aufzunehmen. Unsere Plattenfirma WAR ANTHEM hat uns freie Hand gelassen und signalisiert, dass wir die Entscheidung letztendlich treffen. Wir als Band müssen uns schließlich wohl fühlen und unsere Vorstellungen umsetzen können. Ich denke das DailyHero könnte jetzt so langsam eine Kultstätte werden, wenn man die Reviews zu "Seeds of Devastation" liest. Es ist nicht so leicht ein gleichwertiges Studio zu finden, welches diesen druckvollen, organischen Sound auf's Band bekommt. Nicht zu vergessen ist dann aber auch die erneut sehr gute Arbeit von Andy Classen beim Mastering. Das ist quasi der "I"-Punkt auf der Produktion!

Ihr seid ja schon eine ganze Weile in der Szene aktiv. Sehnt ihr euch manchmal nach den Blütezeiten des Thrashs oder Death-Metals zurück, als junge Bands organischer klangen und sich nicht in der Technik verloren haben, die heute bezahlbar und allerorten zur Verfügung steht?

Marcus: Die Zeiten ändern sich nun einmal. Was nützt es, immer den alten Trends hinterher zu rennen. Wir leben heute, und da sollte man das Beste draus machen. Sicherlich waren früher einige Sachen besser, dafür haben wir heute jedoch auch viele gute Eigenschaften zu verbuchen. Es liegt doch nur an uns allen selber! Keiner sagt, dass man alles glauben muss, was in den Medien steht. Jeder kann sich selber ein Bild machen und die richtigen Bands supporten. Wer soll denn bestimmen, welche Band gut ist und welche nicht! Oder besser gesagt, wer hat das Recht zu behaupten, welche Band Alben veröffentlichen darf und welche nicht!? Was klingt richtig, was klingt nicht richtig? Wichtig ist, dass in unserer Metalszene die Leute selber entscheiden, Bands unterstützen und nicht den angeblichen Trends hinterher rennen. Thrash Metal war in meinen Augen eigentlich nie richtig weg vom Fenster! In den Medien wurde das gerne so dargestellt aber im Underground tummelten sich genug Bands. Ich finde nicht, dass alles was geschrieben steht auch so sein muss. Blütezeiten des Thrash oder Death Metal waren wann? Thrash Mitte der 80iger? Death Anfang der 90iger? Ich weiß nicht so recht, auch in den letzten Jahren sind viele geile Platten veröffentlicht worden.

Berlin war viele Jahre als Metal-Diaspora verschrien. Außer dem Halford waren kaum richtige Anlaufadressen bekannt. Bei meinen letzten Berlin-Besuchen ist mir aber aufgefallen, dass sich in Friedrichshain ein regelrechtes Metal-Bermudadreieck gebildet hat, welches abends zu ausgedehnten Headbanger-Touren von Live-Konzerten bis zum Versacken in diversen lauten Kneipen einlädt. Stellt ihr auch fest, dass sich das Blatt für Berlin wieder ein bisschen gewendet hat, oder ist es für Metaller dort immer noch schwer?

Marcus: Ehrlich gesagt empfinde ich das nicht so. Das Halford ist schon lange - immer wieder an anderen Plätzen - ansässig aber genauso gibt und gab es schon immer coole Bars und Kneipen bzw. Clubs, welche u.a. für Metalveranstaltungen da waren bzw. da sind. Für Berlintouristen sicherlich nicht leicht zu finden, aber dennoch immer präsent. Mir fällt da sofort das "Blackpoint" ein, welches dann zum "Access" wurde und mittlerweile als "Blackland" in Berlin beheimatet ist. In Friedrichshain gibt es u.a. wirklich eine Menge Bar's und Kneipen und natürlich auch das K17, wo immer wieder Metal-Konzerte laufen. Naja, und nicht weit von da ist dann natürlich auch das "Brutz&Brakel Zuhause", was auch schon mittlerweile seit knapp 3 Jahren für gute Stimmung sorgt und Metalheadz beglückt.

Apropos Brutz & Brakel: POSTMORTEM verbindet man ja mittlerweile auch unweigerlich mit dem "Zuhause" als Stammsitz. Inwieweit beflügelt euch diese Symbiose, oder stand jemals aus Zeitgründen eine Entscheidung zwischen Kneipe und Band an?

Marcus: Diese Entscheidung wird es nicht geben! Die Bar ist unser Zuhause, sagt ja der Name schon unweigerlich, und wird von einem guten Freund und mir betrieben. POSTMORTEM steht der Bar nicht im Weg und umgekehrt ebenfalls nicht. Eher unterstützen wir uns gegenseitig. Ich denke da nur an die limitierte Brutz&Brakel-Box zum "Constant Hate"-Album. Viele Fans kommen auf Grund der Tatsache ins Brutz&Brakel, weil sie dann mit den POSTMORTEM-Jungs zusammen saufen können. Außerdem rennen auch noch viele andere Bands im Laden rum und es gibt immer wieder lustige, spontane Partys im "Zuhause"...

Ihr hattet gerade euer Weihnachtskonzert zusammen mit den Krachanarchisten MANOS (sofern ihr nicht Opfer des Schneetreibens wurdet). Ich kann mir vorstellen, dass das eine steile Sache war, oder?

Marcus: Mit MANOS verbindet uns schon seit Anbeginn unserer Karriere eine tiefe Freundschaft. Gemeinsame Konzerte sind immer ein Highlight und alle haben ihren Spaß! So auch dieses Mal. Leider sehen wir uns viel zu selten und wenn es dann doch mal wieder zum gemeinsamen Konzert klappt, haben alle Beteiligten zuviel zu tun, um anschließend eine Party anzuzetteln. Dennoch hatten wir eine lustige Zeit in Eisleben. Durch das Schneetreiben und diversen widrigen Umständen mussten wir dann leider alleine im Hotel saufen. Alle anderen Bands mussten auf halbem Weg umkehren, um z.B. ihre Gitarristen aus dem Eis zu befreien oder waren woanders untergebracht. Da MANOS Mitveranstalter waren, hatten die Jungs leider nicht soviel Zeit. Das Konzert war sehr cool und die Fans, welche sich durch das Schneechaos nicht abhalten lassen wollten, bekamen eine heftige Show geboten und alle hatten ihren Weihnachtsspaß...

Trotz starkem Album und besten Rezensionen beschränkt ihr euch bisher auf einzelne Gigs. Hat sich noch keine lohnenswerte Tour aufgetan, die euch bald auch mal in die alten Bundesländer spielen könnte?

Marcus: Wir hatten diverse Touren in der Vergangenheit. Unsere letzte größere Tour war mit ONSLAUGHT und da waren wir auch in den alten Bundesländern unterwegs! Ist leider schon wieder etwas her, und du hast recht, wir müssen unbedingt wieder mehr in den alten Ländern gastieren! Zum "Seeds of Devastation"-Album ist leider noch nichts bestätigt. Wir haben keine Bookingfirma im Rücken oder andere Partner, welche uns eine Tour finanzieren würden. Es geht in der heutigen Zeit leider nur noch mit Geld. Wir haben jedoch nicht die Einsicht, uns auf einer Tour einzukaufen. Viele Fans wissen nicht, dass es leider so gang & gebe ist. Sicher wäre es gut gewesen, wenn zum Beispiel POSTMORTEM auf der Thrash Fest-Tour mitgespielt hätten, so wie es uns viele Fans nahe gelegt hatten, aber das lag leider nicht in unserer Hand. Sollten wir ein gutes Tour-Angebot bekommen, würden wir sofort einwilligen, aber wir können nicht unseren Lebensunterhalt dafür in den Topf werfen, um nach der Tour unter der Brücke zu pennen. Wir haben alle unseren Job, Familien mit Kindern usw., da muss man schon etwas aufpassen. Einzelshows machen da in manchen Fällen mehr Sinn, da wir den Unkostenfaktor besser unter Kontrolle haben. Wir spielen eigentlich fast überall, wenn die Konditionen halbwegs stimmen! Es macht jedoch keinen Sinn und ist in meinen Augen auch etwas dreist, wenn uns 200,- für ein Konzert angeboten werden, wo wir insgesamt 1300km fahren müssen. Damit sind noch nicht einmal die Benzinkosten abgedeckt. Von anderen Unkosten ganz zu schweigen... Solche Angebote müssen wir einfach ablehnen. Wie gesagt, es geht auch anders. Wir haben zum Beispiel schon recht häufig in Metalclubs gespielt, wo sich die Besitzer/Betreiber wirklich den Arsch aufgerissen hatten und alle Unkosten waren gedeckt. Fans und Band hatten eine geile Zeit und gut ist...

Vielen Dank für eure Zeit - die letzten Worte an unsere Leser gehören euch!

Marcus: Danke für das Interview und Danke an alle Fans da draußen, welche ihre Bands wirklich unterstützen! Informiert euch, lasst euch nicht alles vorschreiben, was in den Medien geschrieben steht, entscheidet selber und habt Spaß am METAL! Support the Underground! Prost, Metalheadz!

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