Früher war (fast) alles besser! Part 2

Ein Artikel von Warlord vom 24.07.2012 (13182 mal gelesen)
Inspiriert durch den famosen (Dokumentar-)Film "Lemmy" (mit...ja genau, Herrn Ian Kilmister in der Hauptrolle) kam mir die fast ebenso famose Idee, mein kürzlich mit der MSG eröffnetes Serien(killer!?)-Special "Früher war (fast) alles besser!" mit des Meisters kleiner Kapelle fortzusetzen. Bin ich doch schon seit einigen Wintern Besitzer der fantastischen Doppel-CD/Expanded Editionen (fast) aller (Bronze-)Frühwerke dieser unverzichtbaren Band. Ich muß zugeben, eine ganzes Album am Stück habe ich mir selten angehört, wichtig für den Heavy Metal waren und sind sie aber unbestreitbar, das hat mir "Lemmy" wieder eindringlich vor Augen geführt. Hier soll es um das vielumjubelte "Trio Infernale" gehen, beginnend mit "Overkill" und endend mit "Iron Fist", also die "klassische" Besetzung mit Phil(thy) "Animal" Taylor an den Drums und "Fast" Eddie Clarke an der Kreissäge. Vorhang auf für eines der großen Ensembles des Hard-Rock'n'Roll-Heavy-Metal: MOTÖRHEAD!

Text:
"Overkill" ist die zweite Scheibe der Band (das Debüt "Motörhead" erschien auf dem CHISWICK-Label und ich habe es nicht!), die ich im jugendlichen Alter zu hören bekam, und der Titeltrack ist heute noch mein Alltime-Favorit unter allen MOTÖRHEAD-Knüllern. Die Double-Bass klang ja für damalige Hörgewohnheiten unglaublich. Zur Erinnerung: das Album wurde im März 1979 (!) veröffentlicht. Damals gab es keinen Heavy Metal, nimmt man mal BLACK SABBATH aus, aber die hatten sich gerade aufgelöst. Der knarrende Bass und die verwaschene Gitarre, bei der man die gespielten Akkorde kaum ausmachen kann, ein einziges Inferno! Der Sound ist für mich der beste auf allen MOTÖRHEAD-Alben (Produzent: Jimmy Miller), das ballert auch heute noch zeitlos aus den Boxen. Mit 'Stay Clean' folgt ein weiterer Live-Klassiker der Band, den kurzen energischen Song inklusive Basssolo fand und finde ich einfach geil. Gleiches gilt für '(I Won't) Pay Your Price', einer vergessenen kleinen Perle mit schrägem Rock'n'Roll-Riff. Eben nicht nur Dampfhammer à la 'Overkill' sondern schön dreckige Rock'n'Roll Songs, wie man sie bis dahin kaum gehört hatte. 'I'll Be Your Sister' ist vielleicht nicht der beste Song, zeigt aber deutlich mit welcher Vehemenz Lemmy damals seinen Bass bearbeitete, fast wie auf einer Rhythmusgitarre drischt er Akkorde. 'Capricorn' hat es ja sogar auf "No Sleep 'Til Hammersmith' geschafft und das ist schon ein schwerer Brocken von einem Song, den ich im jugendlichen Alter noch nicht so richtig verstehen konnte. Im Prinzip ein Blues, mit einem schrägen Schlagzeugrhythmus unterlegt bietet er viel Raum für Eddies Gitarrenkünste und Lemmys unglaubliches Organ. Sehr mystisch und einer der ungewöhnlichsten MOTÖR-Songs. 'No Class' ist da schon eingängiger und war damals auch die Single des Albums (mit dem gekürzten 'Overkill'). Kennt jeder, findet jeder gut und ist wohl ein bisschen von ZZ Top geklaut, deswegen gleich zu 'Damage Case', den Lemmy in "Lemmy" mit METALLICA zockt. Ein unterschätzter Klassiker mit seinem Dampfhammer-Rhythmus und Minimal-Riff (wiederum mit liebevollen Rock'n'Roll-Anleihen). Ein Rock'n'Roll-Nümmerchen ist auch 'Tear Ya Down' aber leider etwas unscheinbar, ebenso wie das anschließende 'Metropolis', das mich immer etwas gelangweilt hat. 'Limb From Limb' ist dann die deutlichste Verneigung vor dem Blues-Rock, den MOTÖRHEAD jemals machen sollten. Ein klasse Groove-Rocker, auf dem "Fast" Eddie wirklich mal zeigen darf, was er drauf hat und Lemmy den knackigsten Bass seiner Karriere schlägt. Leider stört mich der Uptempoteil ein bisschen, insgesamt hätte die Nummer etwas gekürzt werden können aber immerhin gibt Lemmy hier das zweite Gitarrensolo.

Insgesamt also ein mehr als ordentlicher Einstand für die Band, kein echter Filler, aber mindestens die Hälfte der Scheibe Hits. Das wurde von Presse und Fans honoriert, kein Wunder also, dass James Hetfield 'Overkill' für den besten MOTÖRHEAD-Song hält und sich als Cover 'Damage Case' aussucht.

Die Bonus-CD enthält gleich drei Versionen von 'Louie Louie'. Chuck Berry ist für Lemmy nicht der größte Rock'n'Roller (sondern Little Richard!), aber in diesen drei sehr unterschiedlichen Versionen dieses Klassikers gibt er alles als Rock'n'Roll-Sänger. Macht Spaß und unterstreicht deutlich die Bedeutung dieses heutzutage fast vergessenen Genies für den harten Rock. Von 'Tear Ya Down' gibts danach ebenfalls nicht weniger als 3 Alternativ-Versionen, wurde der Song doch als einziger nicht von Jimmy Miller und in einem anderen Studio produziert was man auch auf der Album-Version (obwohl von Jimmy Miller "remixed") hörte. Der Song ist einfach nicht stark genug, immerhin zählt Lemmy so noch dreimal mehr mit "eins, zwei, drei, vier" ein. Für Komplettisten, ansonsten schnell weitergeskippt zu 'Too Late Too Late' und 'Like A Nightmare', beides B-Seiten zu 'Overkill' und 'No Class'. Ersterer ein Minimal-Riffrocker der mit seinem Saitengeschrubbe wohl James Hetfield ebenfalls Kompositions-Inspirationen beschert hat. 'Like A Nightmare' ist ebenfalls in zwei Versionen vertreten von denen mir die alternative aufgrund des druckvolleren Sounds wesentlich besser reingeht. Eine düstere Nummer im 'Capricorn'- und 'Metropolis'-Stil, nicht übel. Zu allem Überfluss erhält der geneigte Hörer noch drei Songs einer BBC-John Peel-Session aus dem Jahr 1978 (!), kurioserweise rockt man sich durch weitere Versionen von 'Louie Louie' und 'Tear Ya Down' sowie das unauffällige 'I'll Be Your Sister'. Spektakulärer fällt da schon das abschließende BBC-Radio 1-In Concert aus dem Mai 1979 aus, engagiert prügelt sich die Band bei ansprechendem Sound durch Songs des Albums, leider fehlt 'Overkill', aber man kann ja nicht alles haben.

"Bomber" ist ja sowas wie das Stiefkind der alten Alben, kein Song ausser dem Titeltrack schaffte es auf das Live-Monument "No sleep 'til Hammersmith'. Zu recht?

Erneut produziert von Jimmy Miller macht die Band das meiste richtig und variiert geschickt die Erfolgsformel des Vorgängeralbums. 'Dead Men Tell No Tales' ist ein idealer Opener. Nicht so brutal wie 'Overkill' aber mit genug fiesen Riffs und im lässigen Uptempo. Während 'Lawman' im Stil von 'Stay Clean' daherkommt, setzt 'Sweet Revenge' in noch perfekterer Form die Bluesrock-Tradition von 'Limb from Limb' fort. Böse schwingend, mit einem groovenden Schlagzeug, das regelmäßigem Herzschlag gleicht, ist die Nummer ein Geheimtip für alle Freunde von coolen Songs, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt. 'Sharpshooter' und 'Poison' ziehen das Tempo dann wieder an, sehr solide Nummern, die speziell in letzterem Fall eine Menge Spaß machen. Und es geht auch prächtig weiter mit 'Stone Dead Forever', einer weiteren Hymne, bevor der Durchhänger des Albums über 3 Titel eintritt. Vor allem 'Step Down' sticht da heraus, handelt es sich doch um eine Solonummer von Eddie Clarke, der hier den Bluessänger gibt. Nicht übel aber irgendwie deplatziert. 'Talking Head' und 'All The Aces' sind unauffällige Rocker in B-Seiten Qualität, aber der abschließende Titeltrack entschädigt dann natürlich für einiges, was für eine verrückte Rock'n'Roll-Parodie, früher hielt man das ja für Speed-Metal, aber es IST Rock'n'Roll (wie Lemmy ja auch bei jeder Liveshow betont!).

Die Bonus-Disc beginnt mit der Single B-Seite 'Over The Top' solide aber unspektakulär. Es folgen vier Alternativversionen von Albumtracks und zumindest bei einem scheint nicht Lemmy zu singen. Der Bass ist weniger präsent und das Schlagzeug hört sich noch zappeliger als auf den Albumversionen an. Interessant ist das allemal, ob man aber 'Step Down' in einer Alternativversion braucht weiß ich nicht. Der Heavy-Blues kommt hier etwas energischer. Unbedingt nötig für die Sammlung ist dagegen die legendäre 'Golden Years' Live-EP. Die Seiteneröffner des Albums gibt es dort plus 'Too Late Too Late' und 'Leaving Here', eine schnelle Rock'n'Roll-Nummer vom ersten MOTÖR-Album (noch ohne Eddie Clarke). Recht chaotisch geht es da zu und man versteht, warum alle Punks sich auf die Motörköpfe einigen konnten. Man fragt sich immer, warum es ausser 'Bomber' nichts von dem Album auf "No Sleep 'Til Hammersmith' geschafft hat, denn 'Dead Men Tell No Tales' und 'Stone Dead Forever' ballern alles weg, schön roh und unperfekt zeigen sie die Power einer MOTÖR-Live-Show jener Tage. 'Too Late Too Late' groovt auf einmal mehr und Eddie gibt im Solo alles, beste Version dieses (bisher) mediokren Songs. Und zum krönenden Abschluß: ja, nochmal 'Step Down', diesmal (in bescheidener Qualität) live und von Lemmy als "Eddie's Song" angekündigt.

Da wären wir also schon beim ominösen dritten Album. In Businesskreisen wird dieses ja stets mit besonderen Erwartungen bedacht, gilt doch im allgemeinen: "Make it or break it!". Bei MOTÖRHEAD natürlich Letzteres, denn das dritte Album (auf BRONZE!) hieß: "Ace Of Spades"! Den Titelsong einem Metaller zu beschreiben verbietet sich, jeder kennt die berühmten Zeilen "If you want to gamble, I tell you I'm your man, you win some, lose some, it's all the same to me...that's the way I like it baby, I don't wanna live forever". Der perfekte Heavy-Metal-Song und sowas wie ein Evergreen.'Love Me Like A Reptile' ist 'Too Late Too Late', aber mit einem besseren Refrain. Der von Vic Maile produzierte Sound ist härter und konzentrierter als auf den beiden Vorgängern, die Songs bis auf das stampfende 'The Chase Is Better Than The Catch' alle um die drei Minuten. 'Shoot You In The Back' ist eine simple aber gute Midtempo-Walze während 'Live To Win' im 'Bomber'-Speed-Boogie daherkommt und der federnde Bass-Rhythmus Laune macht. Gleiches gilt für das groovende 'Fast And Loose'. Der Sound ist gerade bei dieser Nummer hörbar verfeinert, genauso kraftvoll und natürlich wie auf "Overkill", aber mehr Metal. Das hört man auch bei der Hymne auf die treuen Crew-Mitglieder, 'We Are The Roadcrew'. Hier haben sich VENOM doch eine ganze Menge abgeschaut, doch das soll an anderer Stelle genauer beleuchtet werden. Eddie erzählt in "Lemmy", wie ihn die Lautstärke bei den Konzerten damals fast von der Bühne gedrückt hätte. Beim abschließenden wüsten Gitarrensolo kann man das gut nachempfinden. 'Fire Fire' ist eine Speed-Metal-Nummer, für damalige Verhältnis wahnwitzig schnell und Gott-sei-Dank noch ohne Doublebass-Geklacker. 'Jailbeat' erinnert entfernt an 'No Class' und ist mindestens genauso geil. Ein klassisches Metal-Riff ist das. Phil zeigt während des Gitarrensolos, wie man die damals noch relativ neuen Double-Bass-Drums effektiv einsetzt um noch mehr Druck zu erzeugen. Millionen von heutigen Metal-Drummern sollten sich diesen unterbewerteten Kollegen anhören und zumindest eines lernen: weniger ist oft mehr! Lemmy bekommt seine geliebte Rock'n'Roll Nummer in Form des lustig betitelten 'Dance'. Diese präsentiert die humorige Seite der MOTÖRCATS und lockert das bisher doch knallharte Programm angenehm auf. Ist auch nötig, denn danach folgt das tödliche Triple 'Bite The Bullet'/'The Chase Is Better Than The Catch' plus 'The Hammer', irgendwie ein Tryptikon (und auf der Expanded-Edition von "No Sleep 'Til Hammersmith' nun zwar komplett enthalten, leider aber voneinander getrennt), eine Heavy-Metal-Sternstunde sind diese drei Songs allemal, zeigen sie die Band doch von ihrer bisher schwermetallischsten Seite. Die zwei Abgeh-Nummern mit den programmatischen Titeln umrahmen dabei 'The Chase Is Better Than The Catch', den einzigen Titel des Albums, der die Vier-Minuten-Marke überschreitet. Nicht zufällig, denn die Nummer ist das Herzstück des Albums, der heavy stampfenden Beat ging mir in den güldenen 80ern schon gut röin. 'The Hammer' ist Punk-Metal-Rock'n'Roll, bei dem Eddie einen merkwürdigen Sologitarrensound auffährt und man zwischendurch ein LITTLE RICHARD-Piano zu hören glaubt. Ob mit dem Hammer der Tod gemeint ist, entzieht sich meiner Kenntnis.

"Ace Of Spades" ist für viele das Referenzwerk von MOTÖRHEAD und vieles spricht dafür. Insbesondere die zweite Seite ist (man entschuldige das Wortspiel) 'The Hammer', auf der ersten sitzt ein Evergreen (naja, mit der Roadcrew sind's zwei), die restlichen Songs sind (siehe oben) auch mehr als ordentlich. Die Band ist sehr tight und hat einen Mörder-Sound. Ich finde: man muß sich nicht entscheiden, ich persönlich halte zwar weiter aus Nostalgiegründen zu "Overkill", aber "Ace Of Spades" ist schon eine Keule und absolutes Muss.

Das Bonusmaterial ist wieder relativ umfangreich und gehaltvoll. Die B-Seite der "Ace Of Spades'-Single 'Dirty Love' ist ein etwas unscheinbarer Rocker mit immerhin zwei Gitarrensoli (zwei weitere Versionen folgen etwas weiter hinten), interessanter ist da schon die Alternativ-Version von 'Ace Of Spades', denn die unterscheidet sich doch GEWALTIG von der Album-Version. Das Riff ist anders, die Strophe erst lässt den Song erkennen. Höchst interessant, (fast) alles ist hier anders und man erkennt, wie sorgfältig MOTÖRHEAD an ihren besten Songs gefeilt haben. Immer wieder tauchen da Elemente auf, die später dann anders verwendet wurden. Gleich zwei Alternativen gibt es zu 'Love Me Like A Reptile', die erste eine volle Minute länger, enthält es doch eine etwas lockeres Gitarrensolo und eine etwas endlose Schlussbridge. Danach gröhlt Lemmy zum Dezibelschluss, das ist Asi-MOTÖRHEAD at its best! In der zweiten Versionen wird die Nummer plötzlich mit anderem Riff ('Live to Win'? 'Stay Clean'?) gespielt, köstlich. Das Bass-Solo fetzt dann alles weg. Zwei sinnvolle Ergänzungen der Sammlung. 'Shoot You In The Back' ist auch eine halbe Minute länger als die bekannte Version und Lemmy sagt kurz etwas, dann kommt die Nummer mit etwas relaxterem Groove und leicht verändertem Bass-Riff daher, nicht so zackig marschierend wie das Original und keinesfalls schlechter als dieses. 'Fast And Loose' und 'We are The Roadcrew' verlieren dagegen etwas, sind aber ebenfalls allemal interessant, da verspielter und nicht so heavy. Die kurzen Einwürfe von Lemmy sind dagegen Gold wert, das war halt noch live damals im Studio. Bis auf 'Dance' und 'Bite The Bullet/The Chase Is Better Than The Catch' bekommt man im Folgenden das gesamte Album alternativ geboten, immerhin ist das tödliche Doppel noch beim abschliessenden BBC Radio 1-Auftritt enthalten und kickt dort zusammen mit 'Fast And Loose' und 'Live To Win' ordentlich Arsch. Eingespielt etwa ein Jahr nach Veröffentlichung des Albums (November 1980) und NACH den Aufnahmenen in Newcastle und Leeds, (die auf dem "Hammersmith" Album verewigt wurden) entstanden, bekommt man hier das fehlende Programm von "Hammersmith". Fazit: Klasse-Album, klasse Bonusmaterial, einfach kaufen sobald in Sicht.

MOTÖRHEAD waren auf dem Rockstar-Zenith angelangt und veröffentlichten folgerichtig (wie KISS) nach vier Studioaufenthalten (das Debüt ohne Eddie mit Larry Wallis mal ausgenommen) ein Live-Album. Dieses fasste sich wie die bisherigen Veröffentlichungen der Band kurz, soll heissen: es erschien eine Einfach-LP mit der damals handelsüblichen Spielzeit von rund 40 Minuten. Ich hatte Glück. Die komplette Platte wurde damals im Radio in einer Sendung mit Konzertmitschnitten komplett durch den Äther gejagt und somit konnte ich mein knappes Taschengeld anderweitig verplanen (die Kassette habe ich sehr oft gehört!). Zu diesem Live-Klassiker an sich muß man nicht viel sagen, den Titel kennt jeder echte Metaller und für mich ein sicherer Anwärter für die Top 10 der rockigen Live-Alben . Als "Overkill"-Einsteiger fand ich auch die drei Songs vom Debüt in den kraftvollen Liveversionen sehr anständig ('Motörhead' war ja damals in der Live-Version sogar die Single des Albums). Genug der Nostalgie, nun gibt es die sogenannte 2-CD-Complete Edition mit jeder Menge zusätzlichem Material. Kann man ein perfektes Live-Album komplett machen?

Als Bonustracks auf CD 1 erwarten den geneigten Hörer noch vier Nummern vom damals aktuellen "Ace Of Spades" Album, die zwei Single B-Seiten 'Over The Top' und 'Too Late Too Late' sowie 'Leaving Here', eine alte Rock'n'Roll Nummer, die auch auf dem allerersten MOTÖR-Album "On Parole" vertreten ist (damals noch ohne Eddie Clarke, der das meiste Material für das "eigentliche" Debüt "Motörhead" noch einmal einspielte, diese Nummer aber erst hier nachholte). 'Over The Top' passt gut direkt nach 'Motörhead', der rockige Groove ist der gleiche. Das Zusammenspiel und der Sound sind (im Gegensatz zu den "Outtakes", dazu gleich) auf dem Niveau des Albums. Da fallen dann die nachfolgenden Titel etwas ab, Lemmys Bass wird immer unhörbarer, was insbesondere 'Bite The Bullet/The Chase is better Than The Catch' nicht gut tut, zumal Eddie auch das eine oder andere mal daneben greift. Die Auswahl der Songs ist in Ordnung, 'Leaving Here' macht Laune. Ärgerlich ist aber immer noch, dass immer noch kein Bomber-Material vertreten ist, nutzlos zu erwähnen, dass sich hier einiges angeboten hätte. Auch das Material auf CD 2 bringt da keine Besserung, wird doch bis auf eine zweite Version von 'Bite The Bullet/The Chase Is Better Than The Catch' lediglich dasselbe Album (mit Ausnahme von 'Iron Horse') in schlechterer Qualität noch einmal gegeben! Eigentlich eine Frechheit, aber wahrscheinlich haben MOTÖRHEAD damals nur den Set von CD 1 gespielt. Diese Out-Takes sind natürlich unbearbeitet und das hört man ganz deutlich an den Spielfehlern und der fehlenden Ausgewogenheit im Klang der Instrumente. Ob man diese unverfälschten MOTÖRHEAD nun braucht ist Ansichtssache. Manche finden sicher, dass dadurch, wie auch schon durch die "Bonus-Tracks" die Geschlossenheit des ursprünglichen Albums zerstört wird. Ich bin da irgendwo in der Mitte: es ist wie immer nett, Alternativaufnahmen der Band zu hören, aber sehr oft werde ich mir die zweite Disc wohl nicht anhören.

"Iron Fist" kam, nachdem "No Sleep 'Til Hammersmith" die Nummer-Eins-Position der UK-Album-Charts erobert hatte, ein unglaublicher Erfolg für diese Art von Musik, noch dazu mit einem Live-Album. Es schien so, als ob nichts und niemand MOTÖRHEAD aufhalten könnte. Ich habe mir das Album damals schnell gekauft und war etwas enttäuscht. Natürlich legte 'Iron Fist' gleich ordentlich los und mit 'Heart Of Stone' schob man gleich noch ein Pfund nach. Der Rest des Albums kam mir aber dann etwas eintönig bis nervig vor und ich hörte die Platte im Gegensatz zu "Overkill" oder "Bomber" nicht sehr häufig. War dieser erste Eindruck berechtigt? Da es sich um das Abschiedsalbum der klasssichen Besetzung handelt, schaue ich noch einmal genauer hin: 'I'm The Doctor' ist ein typischer MOTÖR-Rocker und 'Go To Hell' hat schon in Ansätzen die melodischen Anwandlungen des Nachfolge-Albums. 'I'm a Loser' wird auch nach Jahrzehnten nicht viel besser, der Songtitel ist hier Programm, wahrscheinlich der Tiefpunkt des Albums. 'Sex & Outrage' ist ein cooler Uptempo-Song mit Schmackes und einem Text den man nur genial oder aber debil finden kann. 'America' ist wieder ein Rocker im Stil von 'Iron Horse' oder 'Metropolis' in dem Lemmy eine etwas andere Facette seiner Stimme zeigt und an so etwas wie Melodien arbeitet. Finde ich heute besser als damals. Der sehr gute Sound darf hier einmal erwähnt werden, die Band spielt tight, jedes Instrument ist gleichberechtig, einen guten Job haben Eddie und Will Reid Dick (der auch SAXONs Klassiker produzierte) da hingekriegt. Leider ist 'Shut It Down' wieder nur ein etwas flotterer 'Bomber'-Aufguss, 'Speedfreak' erinnert auch an vieles aus dem Back-Katalog, alles nicht schlecht, aber die echten Hits wollen sich eben nicht einstellen. Dazu kommen die eher unterdurchschnittlichen drei letzten Nummern, darunter das dümmliche (Don't Need) Religion. "Fast" Eddie spricht ja in "Lemmy" über die Kombination von Speed und Haschisch, die wohl möglicherweise auch für den grotesken Split dieses Line-Ups sorgten: da ist man eben beleidigt, wenn der Boss eine Single mit Wendy O. Williams aufnimmt (Zitat aus Lemmy: "A sex maniac!"). Es beisst die Maus keinen Faden ab: "Iron Fist" ist das "schlechteste" MOTÖRHEAD-Album der klassischen Besetzung, zu uninspiriert und die gleiche Formel wiederholend sind fast sämtliche Nummern. '(Don't let them)Grind Ya Down' ist zum Beispiel ein dreister Verschnitt von 'Overkill'- und 'Stay Clean'-Riffs, wie man gut an der Alternativ-Version nachhören kann. Positiv und sicher sehr einflußreich für die aufkommende Speed-Metal-Welle sind sicher die beiden Eröffnungstracks, wobei insbesondere noch einmal 'Heart Of Stone' erwähnt werden muß. Dieses ist auch in einer ordentlichen Alternativ-Version enthalten. Zum Bonus Material: Hier hat der Warlord gepennt und im Glauben, es gäbe hier nur eine Einfach-CD Version, die 2-Disc-Deluxe-Expanded Edition liegenlassen. So beschränken sich hier die weiteren Extras auf 'Remember Me I'm Gone', wahrscheinlich eine Single B-Seite und dem Durchschnitt des Albums angepasst. Der traurige Rest ist ein Alternative-Take zu diesem Song und eine Instrumental-Version von 'Sex & Outrage', ebenfalls nicht der Rede wert.

Jetzt noch ein kleiner Nachschlag und entgegen der Eröffnung hier ein kleiner Ausflug in die Zukunft von MOTÖRHEAD: "No Remorse", das erstmals 1985 veröffentlichte Doppel-Best-Of-Plus-Album, die erste LP-Auflage war noch in Schweinsleder gebunden. Hierbei handelt es sich NICHT um eine lieblos von der Plattenfirma in einer Kreativitätspause veröffentlichte Zusammenstellung alter Erfolge. Nein, mit viel Geschmack wurden hier die Highlights aus sämtlichen Phasen der Band zusammengetragen und aufeinander abgestimmt. Zusätzlich in die ohnehin schon abenteuerliche Mischung gab es noch vier neue Tracks der damals aktuellen Inkarnation von MOTÖRHEAD, also Post-Kilmister/Clarke/Taylor, stattdessen hiess es damals Kilmister/Burston (a.k.a. "Würzel")/Campbell/Gill hinter den Songs. Hier finden sich immerhin der Knüller 'Killed By Death' (den ANTHRAX' Scott Ian immerhin als besten MOTÖR-Song empfindet)oder 'Steal Your Face', das auch ordentlich rockt. Aus dem Album mit Brian Robertson an der Gitarre sind immerhin zwei Nummern auf diesem Supersampler gelandet, darunter der geheime Klassiker 'Dancing On Your Grave'. Löblich auch 'Please Don't Touch' und 'Emergency', zwei Zusammenarbeiten mit GIRLSCHOOL, macht Lust wieder mal wieder in "Demolition" oder "Hit And Run" reinzuhören. Ansonsten sind hier nur (No)Class-Killer enthalten, ebenso einige Nummern die in neuem Kontext noch besser munden als zuvor ('Like A Nightmare', 'Too Late Too Late'). Noch mehr "Bomber"-Titel wären zwar wieder wünschenswert ('Dead Men Tell No Tales', 'Sweet Revenge'), aber man kann sich ja auch "Bomber" kaufen. Interessant auch das Bonusmaterial meiner 2-CD-Ausgabe aus dem Jahr 1996: drei Zusammenarbeiten mit Wendy O. Williams und den PLASMATICS, darunter ein wirklich räudiges 'No Class' mit Wendy am "Gesang" und das infame (eigentlich sehr lustige und mit ordentlichem Gitarrensolo versehene) 'Stand By Your Man', weswegen "Fast" Eddie Clarke ja damals angeblich seinen Hut genommen hat. Wenn das keine anständige Ergänzung und Schlußpunkt zu diesem Kapitel MOTÖRHEAD ist! Wenn nur ein Album, dann "No Remorse", ansonsten bitte alle einzelnen Alben. Jedenfalls die von Kilmister/Clarke/Taylor. Vielleicht auch "Another Perfect Day". Dazu vielleicht ein andermal mehr.

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a) Was möchte mir der Autor mit diesem Artikel sagen? b) Und warum? Enormes Hintergrundwissen finde ich ja cool, aber damit hausieren gehen eher nicht. An der richtigen Stelle platziert, sind einige Details durchaus interessant. In dieser Form aber eher langweilig und sehr narzistisch angehaucht. Und NEIN, ich möchte keinen 3seitigen Rechtfertigungsschriebs...
(06.08.2012 von Vikingsgaard)

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