Interview mit Dave Padden; Jeff Waters von Annihilator

Ein Interview von Elvis vom 18.07.2010 (19697 mal gelesen)
Zur Veröffentlichung des neuen Albums "Annihilator" trafen wir Dave Padden und Mastermind Jeff Waters in Dortmund zum Interviewtermin. Im Vorfeld konnten wir jedoch noch nicht ahnen, dass das Interview so lang werden würde, dass es selbst Spiegel-Dimensionen übertrifft. Das dynamische Duo der legendären kanadischen Thrasher ANNIHILATOR gibt dabei tiefe Einblicke in die Bandgeschichte, die Aufnahmen zum aktuellen Album und streift dabei locker-flockig unfassbar viele andere Dinge.

Lest selbst, wie sein Manager Jeff Waters 1990 mächtig überraschte, warum BON JOVI keine Hausfrauenmusik machen und vielmehr KISS ähneln, wie TRIVIUM die Karriere der Gitarrenhexer beeinflussten, wie sie der Insolvenz des Labels von der Schippe sprangen, was die Zukunft bringt und erfahrt mehr über den seltsamen Zusammenhang zwischen Steigenberger Hotels und mongolischem Essen - viel Spass!

Jeff, Dave, freut mich, Euch zu treffen - schön, dass Ihr die Zeit für das Interview gefunden habt. Wo wir uns grade vor dem Interview unterhalten haben, wie alt bist Du nochmal, Dave?

Dave Padden: 34, Ich bin kein Kind mehr. Ich tu nur gerne so. (lacht)

Dann bist Du ja nur ein bisschen älter als ich, ich bin fast 31.

Jeff Waters: So jung... (lacht) Wir schauen uns Bruce Dickinson, JUDAS PRIEST oder METALLICA oder SLAYER an und stellen fest, "Oh, vielleicht bin ich gar nicht mal so alt". Diese Jungs treten Dir mit über 50 oder sogar 60 noch kräftig in den Arsch. Als ich jünger war, dachte ich, dass normalerweise mit 30 oder 35 Jahren Schluss wäre oder vermutlich sein würde. Jetzt, mit knapp 44, komme ich mir eher wie 34 vor.

Wo Du's erwähnst, es sind mittlerweile 26 Jahre, richtig? Seit wann seid ihr dabei, es war 1984, oder?

Jeff Waters: Es begann Ende '84. Bis ein oder zwei Jahre vorher hatte ich niemals was von METALLICA, SLAYER, VENOM, EXODUS, ANTHRAX oder irgendwelchen anderen Bands aus dem Bereich gehört. Ungefähr zwei Jahre zuvor war ja mit 1980 das gorßartige Jahr mit AC/DCs "Back In Black", VAN HALEN und einfach allem. Das war ein schneller Wechsel von Heavy Metal zu Thrash Metal, der plötzlich enorm schnell auf der Bildfläche hinzukam. Somit war ich für gut zehn Jahre als junger Spund grade aus der Heavy Metal Schule und dann, Bang!, direkt hinein in den Thrash Metal. Damit war es auch ein guter Zeitpunkt, um ANNIHILATOR zu gründen.

Yeah! Du warst damals verdammt jung, als Du diese Band ins Leben gerufen hast - häaatest Du Dir damals vorstellen können, dass Du das 2010 immer noch tun würdest?

Jeff Waters: Nein, Ich hatte an sich nur zwei wirkliche Ziele mit ANNIHILATOR (spricht den Namen auf verschiedene Weisen aus, vermutlich um die Unsicherheit mancher Deutscher damit zu zeigen). Das erste Ziel war, dass ich mir als Teenager dachte, "Wow, es wäre richtig cool einen Plattenvertrag zu bekommen", obwohl ich eigentlich gar nicht wirklich wusste, was ein Plattenvertrag ist. Ich wusste nur, dass man irgendwas unterschreibt und dann eine Platte macht. Vielleicht noch, dass man mal auf Tour geht, berühmte Bands trifft und mit denen auf Tour geht, mehr wusste ich nicht. Ich nahm ein Demotape auf, auf dem ich auch sang und alle Instrumente spielte und Roadrunner nahm uns unter Vertrag. Wir machten "Alice In Hell". Als das Album fertig war, tourten wir mit TESTAMENT und machten ein bisschen was in Europa, jedenfalls war es nicht besonders viel an Tour. Allerdings war das, was wir an Tour machten, sehr gut und das Album lief in sehr kurzer Zeit sehr gut, was ich nicht erwartet hatte. Am Ende dieses Jahres '89 saß ich mit meinem Manager in Vancouver und er sagte "Ok, Jeff, wir müssen jetzt planen und eine neue CD machen." Um genau zu sein, er sprach von einer neuen Platte, CDs waren ja noch nicht der Standard. Ich schaute ihn nur an und weiß noch genau, wie ich sagte "Was meinst? Noch eine?" Was ich nämlich nicht verstand war, "Wow, Du kannst das zweimal, dreimal oder sogar noch öfter machen". Tja, Ich war nun mal so jung und war nicht dazu gekommen wegen des Geldes oder des Ruhms oder um auf irgendwelchen Titelblätern zu landen. Offensichtlich ist mir sowas wie Image ziemlich egal. Mir ging's nur darum, zu spielen, in der Lage zu sein, die Musik zu machen, und in der Lage zu sein, dass die Leute sie hören und hoffentlich mögen würden. So war das damals, als ich feststellte, "Wow!". Danach nahm ich eine zweite Platte names "Never Never Land" auf. Dave sah übrigens seinerzeit die Tour für die Platte als er jung war, er war noch ein Teenager. Das war sogar noch eine größere Platte für uns und von da an ging's aufwärts, dann ein bisschen abwärts für sechs oder sieben Jahre und dann langsam wieder nach oben. Also, nein, ich dachte niemals, dass es über 1989, "Alice In Hell", hinausgehen würde. Jedes Mal, wenn ich ein Album mache, ist mein einziges Ziel nur genug Platten zu verkaufen, nicht für ein neues Atuo oder Haus oder ein großer Star zu sein. Es geht wirklich nur darum, genug Platten abzusetzen, um die Plattenfirma glücklich zu machen, damit ich in der Lage bin, eine weitere CD aufzunehmen. Mein Ziel in meinem Kopf ist wirklich nur, sicherzustellen, dass es für eine weitere CD langt. Ich möchte einfach immer eine weitere machen, da ich es liebe und wir es lieben. Das ist wirklich unser einziges Ziel. Das zweite Ziel, das ich damals hatte, war einfach nur in der Lage zu sein, weiter Musik zu machen.

Fingst Du mit dem Gitarrespielen wegen dem Metal an oder hast Du vorher schon was in der Richtung gemacht?

Jeff Waters: Nein, als ich sieben Jahre alt war, stellte meine Mutter fest, dass ich entweder im Fernsehen oder in der Stadt in den Schaufenstern nur auf die Gitarristen zeigte, nie auf die Drummer, Sänger, Bassisten, Saxophonisten oder sonst jemanden. Als sie sich nach einer Weile bewusst war, dass ich Gitarren mochte, sorgte sie dafür, dass ich ein paar grundlegende Gitarrenstunden bekam, das machte ich für ein paar Jahre, ich war ja sehr jung. Als ich zehn Jahre alt war, meinte der Lehrer, "Er ist ziemlich gut, sie sollten ihm eine klassische Gitarre besorgen". Danach lernte ich drei Jahre lang klasssische Gitarre und ein bisschen Jazz. Dann war ich ein Teenager und fing an, bestimmte Musik zu hören. Die erste richtig heavy klingende elektrische Gitarre, an die ich mich als Teenager erinnere, war 'Saturday Night's Alright For Fighting" von ELTON JOHN. Der Song hatte laute, schwere Gitarren. Von da an ging's bei mir über AEROSMITHs "Rocks" Album, Ich kaufte das, als ich ungefär 13 oder so war zu KISS "Alive II", "Love Gun" und "Destroyer" und all diesem Zeug. Dann kamen AC/DC und VAN HALEN, JUDAS PRIEST, danach IRON MAIDEN, SLAYER und EXODUS! Ab 13 begab ich mich also immer tiefer in die Hölle. (lacht)

Ihr seid eine der wenigen Bands, die weiter da waren, nachdem Metal dieses kleine... sagen wir mal, Tief hatte.

Jeff Waters: Großes Tief eher! (lacht) In Nordamerika zumindest war er für lange Zeit tot. Die einzigen Bands, die weitermachten, waren die traditionellen Metalbands wie MOTÖRHEAD oder OVERKILL. Ich komme vielleicht auf zehn oder zwölf Bands, die ernsthaft weitermachten. Gut, natürlich hatten METALLICA ihren großen kommerziellen Erfolg, aber die eine Band, die für mich die wichtigste Metalband der 90er war, ist SLAYER. Von großen Hallen und Festivals ging es bei ihnen so weit, dass sie plötzlich in kleinen Clubs spielen mussten. Ich sah sie in Vancouver in den 90ern in einem Club spielen, was für mich auch als Metalfan sehr deprimierend war. Dann fiel mir jedoch auf, dass Kerry King, Jeff Hanneman und Tom Araya - obwohl sie in diesen kleinen Läden spielten - 120% gaben und dennoch absolut liebten, was sie da taten! Ab da bekam ich selbst auch wieder mehr Energie und mir wurde klar, dass wenn SLAYER in diesen schlechten Zeiten alles zurückfahren, vor viel weniger Leuten spielen und immer noch zusammenbleiben, dabei großartige Platten machen und fantastische Liveshows spielen, dann, verdammt nochmal, muss ICH das auch machen! (Lachen) Meiner Meinung nach waren sie eine enorm wichtige Band für den Metal damals. In Nordamerika auf alle Fälle, in Nordamerika waren sie so dermaßen wichtig.

In Europa sind sie ja auch nicht grade unbedeutend.

Jeff Waters: Klar, aber in den 90ern gab's in Nordamerika nur solche Bands wie die SMASHING PUMPKINS, PEARL JAM, NIRVANA, all der Kram und dann kam auch schon der Nu Metal. Vielleicht noch traditionelle Sachen wie MOTÖRHEAD und sonstige Bands. JUDAS PRIEST buken mit Tim "Ripper" Owens und Clubshows ebenso kleinere Brötchen wie IRON MAIDEN mit Blaze Bayley. PANTERA und SEPULTURA, das waren die Bands, die dann kamen. PANTERA waren eine echte Größe - sie und Dimebag Darrel machten echt einige tolle Sachen, um Metal in den 90ern am Leben zu halten. Neben ihren eigenen Songs spielten sie auch JUDAS PRIEST und KISS Songs und sagten den ganzen jungen Fans, dass sie sich Randy Rhoads, Eddie Van Halen und Heavy Metal anhören müssen, nicht wahr? Obwohl sie keinen wirklich traditionellen Metal spielten, waren sie in der Lage, ihn in ihrer Musik zu verstecken. Manchen Leuten war vielleicht nicht klar, dass Dimebags Solos direkt aus der Richtung von Eddie Van Halen, Randy Rhoads und den anderen Jungs kamen, ebenso wie BLACK SABBATH oder frühe METALLICA. Sie hielten die Flagge des wahren Metal hoch. Wir schätzen das, denn Bands wie wir, EXODUS oder andere Bands, die in diesen Jahren nicht groß waren, wir waren einfach nur da. Wir waren immer da, wir haben immer Platten verkauft, aber nicht im großen Stil. Wir sind die Bands, die es schätzen, dass diese Bands es fortgeführt haben. Jetzt wo der Heavy Metal die letzten fünf Jahre zurückzukommen scheint, fallen die Früchte nämlich auch für die alten Hunde ab, die immer gespielt haben, wie z.B. TESTAMENT, EXODUS, ANNIHILATOR, eben Bands wie diese. Wir schätzen es also sehr, wenn wir sehen, dass gute Bands wie PANTERA und SLAYER ihren richtigen Metal gespielt haben.

Der erste Song auf der neuen "Annihilator" CD heißt 'The Trend'. Vielleicht sollten wir ein bisschen über die Songs auf dem neuen Album sprechen, es ist ja schon das vierte Album mit Dave als Sänger, was...

Jeff Waters: ...ein Rekord ist. Es ist ein Rekord! (lacht)

Dave Padden: Oh ja, es ist ein Rekord! Ich bin der Einzige!

Jeff Waters: Mit Sicherheit!

Nachdem ich das Album gehört habe, würde ich nicht sagen, dass Ihr hier einem Trend folgt, da es immer noch sehr traditionell ist. Es ist einfach ANNIHILATOR. So kann man es wohl am besten beschreiben.

Jeff Waters: Ich würde sagen, der Song 'The Trend' ist kein sonderlich ernsthafter Song. Auch wenn Dave ziemlich aggressiv darin singt und in der Mitte und am Ende des Songs viele thrashige Teile sind, er ist wütend und...

Dave Padden: Wir machen uns darin über vieles lustig, da ist eine Menge Ironie im Spiel. Du kannst sogar in der Mitte des Songs hören, wie ich diese eine kleine Zeile sage, als ob es ein Witz sei und danach lache: "Hey man, I think they're having a sale down at Hot Topic, let's go!"

Jeff Waters: Das ist einfach etwas, was wir bei all den Bands in den letzten fünf Jahren, in denen Heavy Metal in Nordamerika zurückgekommen ist, bemerkt haben. Denk daran, wir leben in Kanada, wir kriegen also nicht alles zu sehen, war ihr hier seht, sonderen sehen nur, was in Nordamerika vor sich geht. Viele Bands mit Majorverträgen, die eher aus dem Emo- oder Nu Metal-Bereich waren, was auch immer man da nennen mag, kriegen plötzlich einen Anfall, sobald Metal wieder populär wird. Diese Bands entscheiden auf einmal, "So, wir müssen jetzt unser Image ändern und Songs im Stil der frühen METALLICA oder SLAYER schreiben und allen erzählen, dass unser neues Album so dermaßen Metal ist." Besonders gut ist das, wenn sie vorher niemals von Metal gesprochen oder das Wort überhaupt in den Mund genommen hätten. Wir dachten, das sei schon ziemlich lustig. Ich meinne, es IST lustig - die Hälfte von ihnen hatte vielleicht ein oder zwei Platten und war dann am Ende. Manche sind natürlich wirklich richtig erfolgreich, einige Bands haben wirklich richtig Erfolg und wir dachten uns nur, "Hey, lass uns einfach einen lustigen Song darüber schreiben.". Insbesondere wenn Du - wie ich - in den 80ern aufgewachen bist, weißt Du, dass Metal für jeden, der ihn in den 80ern hörte, ein Lebensstil war. Es bestimmte, was Du angezogen hast, üblicherweise hattest Du eine Freundin, die auch darauf abfuhr, und am Wochenende fuhrst Du zu den Festivals zum Camping. Es war ein richtiges Leben und Du lebtest es einfach vollständig.

Dave Padden: Es ist eine vollständige Kultur.

Jeff Waters: Und dann kommen auf einmal ein paar Kids oder ältere Bands, die sich plötzlich um 180° drehen, versuchen, das zu benutzen und einfach nur Fakes sind. Ich sage bewußt nicht "Poser" oder benutze eines dieser anderen blödsinnigen Wörter, es geht nur darum. auf den Trend aufzuspringen und unehrlich zu sein. Ich denke, das ist das Wort, um das es geht, unehrlich mit der eigenen Musik zu sein, dem eigenen Image und allem. Bei uns ist es mehr so, dass wir uns nicht wirklich um unser Image scheren. Wir interessieren uns ehrlich einfach nur für die Musik. Wenn Dave und ich einen Song machen, einen Song schreiben und im Studio aufnehmen, ist das wirklich der Höhepunkt der Aufregung für uns. Das ist der wichtigste Teil und der Rest ist einfach nur nett. Klar, es macht Spass, das Touren in mit Bussen und Hotels, das ist alles toll und wir lieben es, aber die Musik ist wirklich das, was wir machen möchten. Das ist ehrlich und viele Bands sind damit nicht ehrlich. Das habe ich vor allem festgestellt als ich mich mit Corey Bealieu von TRIVIUM unterhalten habe. Er ist tatsächlich ein unglaublich echter Metalhead, er weiß alles über Heavy Metal. Und zwar nicht nur 1990er PANTERA-Metal, er weiß alles über W.A.S.P. und EXODUS, alles, einfach alles! Er ist wie eine Metalenzyklopädie... und dabei ist der Junge erst 21 oder 22 Jahre alt! Wir sprachen darüber und verquatschten uns völlig. Diese Unterhaltung hatte ich wohl im Kopf behalten, als ich diesen Song geschrieben habe. Ziemlich cool.

Meiner Meinung nach ist eine der Bands, die wirklich - ich weiß nicht, ob ich das jetzt so nennen soll - einem Trend gefolgt ist, BON JOVI. An einem gewissen Punkt in den 80ern waren sie eine ziemliche Hairmetal Band, die kommerziellen Hard Rock gespielt hat und in den 90ern haben sie auf einmal begonnen, sich Richtung Hausfrauenmusik zu bewegen.

Jeff Waters: Weißt Du, was die Sache mit ihnen ist? Meiner Meinung nach gibt es zwei verschiedene Arten, sich zu ändern. Es gibt die Veränderung darin, einem Trend zu folgen und alles fürs Geld zu tun, alles, um Platten zu verkaufen, andere Klamotten zu tragen und lauter trendige Dinge auszuprobieren. Das ist der eher Business- oder geldorientierte Weg. Natürlich mögen BON JOVI Business und Geld, aber letztlich haben sie sich angepasst. Ich meine, hör' sie Dir einfach mal an... nicht, dass ich mir ernstlich BON JOVI anhören würde, allerdings kannst Du ihnen nicht wirklich entkommen, da sie schon immer im Radio liefen und das auch weiterhin tun. Jedoch haben sie sich eben angepasst, als ihnen klar wurde, "Ok, das ganze Zeug mit den hochtoupierten Haaren ist offenbar nicht mehr in, also lasst uns einfach ein bisschen ernst werden, ein bisschen mehr wie wir selbst sein und nur spielen." Sie haben z.B. ja auch die Akustikversionen gemacht und solche Sachen. Das muss man anerkennen, unabhängig davon, ob man ihre Platten kauft oder welche davon zuhause hat. Sie sind wirklich talentiert, sie sind smart und lieben definitiv das, was sie tun, weswegen es eben nicht dasselbe ist. Klar hat das auch einen geschäftlichen Hintergrund, nichtsdestotrotz haben sie sich eben mehr angepasst, das ist ein bisschen wie mit KISS. Die hatten auch ihre Make-Up Phase am Anfang, dann passten sie sich an und ließen es weg, um es später irgendwann wieder aufzulegen, das war auch eine permanente Anpassung an die Zeiten. Keine Ahnung, ich zahle jedenfalls weiterhin Geld, um KISS live zu sehen und kaufe die Platten, von daher... letzten Sommer habe ich sie in Ottawa gesehen und werde das auch auf alle Fälle wieder tun.

Dave Padden: BON JOVI verkaufen weiterhin Stadien aus, sie müssen also offensichtlich irgendetwas richtig gemacht haben.

Jeff Waters: Aber ich weiß, was Du meinst. Für mich sind das einfach zwei Paar Schuhe. In 'The Trend' reden wir entweder über junge Burschen oder ältere Bands, die sich sagen, "Ok, was müssen wir tun, um mehr Platten zu verkaufen?", verstehst Du?

Ja, mir ist schon klar, wie Du das meinst, Jeff.

Jeff Waters: Und das ist einfach kein Metal, bei Metal sollte es einfach nicht um so etwas gehen, nicht wahr?

Absolut nicht, völlig richtig! Dann mal wieder zurück zur neuen Platte. Wie gesagt, es ist die vierte Platte mit Dir als Sänger, Dave. Obwohl ich sagen würde, dass ANNIHILATOR für mich in der Vergangenheit eigentlich immer mehr Jeff Waters mit ein paar anderen Musikern war, scheinst Du mittlerweile wirklich ein Teil der Band zu sein, also ein echter Teil von ANNIHILATOR.

Dave Padden: Nun, dankeschön, das ist wirklich eine bedeutende Einschätzung für mich! Wie lange bin ich mittlerweile dabei, Jeff?

Jeff Waters: Seit nunmehr fast acht Jahren!

Dave Padden: Das sind jetzt sieben, fast acht Jahre und jetzt, wo ich auch Gitarre spiele, fühle ich mich wirklich so, als ob ich zu einem bedeutenden Teil der Band werde.

Jeff Waters: Yeah!

Dave Padden: Von daher ist das wirklich gut, ein richtig angenehmes Gefühl allgemein.

Jeff Waters: Tatsächlich war das so nicht mal geplant, denn als ich Dave engagiert habe, war er einfach nur ein weiterer Sänger in der Band, er war neu und hatte noch nicht mal wirklich Erfahrung als Sänger. Ich bin an sich nicht der Typ, der jemanden ein paar Proben in Frankfurt oder so machen lässt, ihm dann ein Mikrofon in die Hand drückt und sagt, er soll mal eben vor 30.000 Leuten auftreten - und plötzlich machst Du das in Wacken! Am Anfang bekamen wir die ersten Jahre eine Menge Kritik zu hören, da sowohl die Presse als auch die Fans meinten, "Uh, Jeff, diesmal war das aber nicht die richtige Entscheidung!". Das war wohl, weil er nicht die stereotypisch langen Haare hat oder der Randy Rampage-Typ ist, den die Leute wohl als nächsten Sänger erwartet hatten. Ich wußte jedenfalls, dass er eine Menge Talent hat und zudem ein guter Gitarrist ist, was dir als Sänger bei ANNIHILATORs Musik ganz klar hilft. Zudem wußte ich, dass es etwas Besonderes werden würde, wenn er dabei bliebe. Er hätte ja auch aufgeben können! Wenn Du lauter Fans und Kritiker hast, die sagen "Ich mag den neuen Sänger einfach nicht, der Kerl taugt nichts! Warum hast du den bloss genommen, Jeff?" oder so was in der Richtung, dann wäre es für jeden sehr einfach zu sagen, "Mir langt's, das tue ich mir nicht mehr länger an!". Wir sind jedenfalls beide dabei geblieben, er wurde immer besser, arbeitete an sich und ich bliebe ihm auch treu und wir machten eine zweite Platte namens "Schizo Deluxe" zusammen. Da wußte ich plötzlich, "Heilige Scheiße, das wird hier mehr zu einem Team!". Danach kam das Album "Metal" und wir wurden immer mehr zu einem Team. Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, wo es wirklich etwas anderes ist. ANNIHILATOR war wirklich immer ein Jeff Waters Soloprojekt, wo wir Leute für die Tourneen und als Drummer im Studio anheuerten. Aber jetzt hat es sich tatsächlich die letzten sieben oder acht Jahre zu Jeff und Daves ANNIHILATOR entwickelt, was cool ist. Wenn nochmal zwanzig Jahre vergehen, haben wir vielleicht sogar ein drittes Mitglied! (lacht)

Dave, hast Du so etwas erwartet, als Du angefangen hast?

Dave Padden: Nein, ich meine, ich wußte noch nicht mal, was ich erwarten sollte, als ich anfing. Wahrscheinlich so wie jeder andere, der mal in dieser Band war, das waren ja schon bestimmt dreißig oder vierzig Mitglieder. Ungefähr 175, in der Kante etwa, plus oder minus ein paar. (Lachen) Wie jeder andere musst Du einfach wissen, dass, wenn Du zu dieser Band stößt, eine hervoragende Chance besteht, dass es nur zeitweilig ist. Man weiß es nie, nicht wahr? Damit kam ich gut zurecht, ich war einfach nur froh, die Gelegenheit zu bekommen. Ich hatte als Gitarrist angefangen und in ein paar anderen Bands gespielt. Also dachte ich mir, "Was zum Teufel soll's, ich schaue es mir einfach mal an und sehe, was passiert!" Ich hatte keine Ahnung. Es gab Zeiten, da wurde es ein bisschen angespannter, und nun ja, es hätte auch sein können, dass es da endet. Das hat, glaube ich, jeder immer erwartet. Wir haben es durchgezogen und jetzt, vier Platten später, habe ich es sicherlich nicht erwartet, aber ich kann es mir nicht mehr vorstellen, es nicht zu tun.

Wie bist Du am Anfang mit Jeff in Kontakt gekommen?

Dave Padden: Das war eher zufällig. Zu dem Zeitpunkt ging ich noch zur Schule. Tatsächlich war es so, dass ungefähr sechs Monate, bevor ich mit Jeff in Berührung kam, ich eine Tour in den Staaten spielte, als Aushilfsgitarrist für THEORY OF A DEADMAN. Ihr Gitarrist wurde krank und sie mussten ihn aus dem Bus rausbekommen. Ich kannte den Gitarrentechniker, meinen Freund Jay, und es stellte sich heraus, dass mein Freund Dan auch bei ihnen dabei war. Wie auch immer, den Gig bekam ich über diverse Telefonate und es half mir tatsächlich, dass ich ein bisschen Tourerfahrung hatte, auch schon vor vielen Leuten gespielt hatte, z.B. mit SEVENDUST oder SURVIVOR. Später sagte mir dann ein anderer Freund, der Sänger meiner ersten Band, dass er gehört habe, ANNIHILATOR würden einen neuen Sänger suchen und er habe gleich gedacht, "Ich wüßte das jemanden, der perfekt für diesen Job wäre.". Mein Freund gab mir also die Nummer, woraufhin ich Jeff anrief und er meinte nur, "Okay, komm vorbei und üb' schon mal den Song 'Set The World On Fire." Wir spielten ihn dann, ich kam vorbei und sang ihn auf zwei unterschiedliche Weisen. Ein paar Tage später rief er mich an und sagte, "Gut, Du bist dabei, in einem Monat gehen wir dann nach Europa." Das war's im Grunde, so lief das seinerzeit ab.

Jeff Waters: Ein bisschen wie ein Lotterielos zu kaufen. (lacht)

Dave Padden: Hinzu kam, dass Jeff damals mit seiner Scheidung zu kämpfen hatte und gerade zurück nach Ottawa, Ontario, zog, weswegen ich an sich nicht wirklich in der Lage war, ihn überhaupt kennenzulernen. Ich traf ihn, wir machten das Vorstellungsgespräch, ich sprach am Telefon mit ihm, es gab' das Vorspielen, also sprach ich danach noch ein wenig mit ihm am Telefon und er war schon wieder in Ottawa...

Jeff Waters: (gleichzeitig mit Dave) Was ungefähr 3.000 km weit davon weg ist... (lacht)

Dave Padden: Danach hatte ich bis zu den Proben in Frankfurt keinen persönlichen Kontakt mehr mit der Band, das war zwei Wochen bevor wir die Festivals spielten. Das war schon ziemlich verrückt, ich hatte vorher noch nicht mal die Band getroffen. Gut, ich hatte ein paar Mal mit Russ Bergquist rumgehangen.

Jeff Waters: Der war damals der Bassist.

Dave Padden: Yeah, er hatte ein bisschen ein Auge auf mich und so, damit Jeff verfolgen konnte, wie ich mich so anstelle und um sicherzustellen, dass ich keine Probleme haben würde oder sonst etwas in der Art. Immerhin, ich war dabei. Klar, das war ein bisschen nervenaufreibend, aber der Rest ist Geschichte und hier sitzen wir.

Eine ziemlich großartige Geschichte, da Du wirklich eine sehr variable Stimme hast, weswegen Du enorm viele...

Jeff Waters: ...Stilrichtungen singen kannst.

Dave Padden: Das hat mir vermutlich auch im ersten Vorsingen geholfen, da etliche Typen bei dem Vorsingen mehr so Death Metal-artige Sachen sangen. Es half mir klar, dass ich tatsächlich singen kann. Auf dem ersten Album, "All For You", machten wir halt viele Experimente und deckten vielleicht ein paar Stilrichtungen zu viel ab.

Jeff Waters: Das Coole an Dave war aus meiner Sicht von Anfang an, dass er erst einen ziemlich heavy klingen Song sang und dann was Melodischeres, nämlich 'Sounds Good To Me'.

Dave Padden: Nein, ich sang nur 'Set The World On Fire', Du meinstest damals, sing's auf Deine Weise und auf meine Weise. Erst so wie auf dem Album und dann so, wie immer Du es singen möchtest.

Jeff Waters: ANNIHILATOR war schon immer eine Mischung verschiedener Stile. Plattenfirmen, Journalisten und Fans haben uns schon immer irgendeinen bestimmten Stempel aufgedrückt, z.B. Thrash Band oder Metal Band etwa. Irgendwie ist das jedoch in jedem Land ein bisschen anders, manchmal bedeutet nämlich Thrash Band im einen Land etwas anderes stilistisch als in einem anderen Land. Wenn man mich nach all den Jahren fragt, was ANNIHILATOR sind, dann ist es für mich eine Mischung aus Heavy Metal und Thrash Metal. Heavy Metal ist dabei alles von Liebesliedern, die z.B. die SCORPIONS, JUDAS PRIEST gemacht haben über IRON MAIDEN und die härteren Sachen, die diese Bands gespielt haben zu etwa ACCEPT, einfach Heavy Metal, AC/DC, VAN HALEN, all das, was 1980 Metal war. Thrash Metal ist in dem Fall frühe ANTHRAX, frühe SLAYER, frühe METALLICA, frühe EXODUS...

Dave Padden: TESTAMENT...

Jeff Waters: ... und ein bisschen KREATOR und DESTRUCTION. Dann gibt's noch drei andere wichtige thrashige Heavy Metal Bands aus der Zeit, nämlich RAZOR, ANVIL und EXCITER, die alle aus der Provinz Ontario stammten. Das waren Bands der frühen 80er. Letztlich ist ANNIHILATOR damit tatsächlich eine Heavy Metal Band, die auf eine Thrash Metal Band trifft. Einer der vielen Faktoren, der uns davon abgehalten hat, zu einer der richtig großen Bands zu werden, ist zum einen, dass wir viele Wechsel beim Gesang hatten und es für viele neue Fans schwer zu verstehen ist, dass es diese Wechsel gab. Ein anderer Faktor ist jedoch, dass wir keine Thrash Band sind, die bei jedem Song und Album denselben Stil spielt, so wie z.B. Slayer oder AC/DC es tun. Die haben beide ihren jeweiligen Stil, spielen nur den und sind damit erfolgreich. Bei ANNIHILATOR haben wir auf demselben Album vielleicht ein Liebeslied und dann gleich darauf einen absoluten Punk-Speed-Thrash Song, der voller Hass ist. Dann kommen auf einmal noch ein Instrumental mit der klassischen Gitarre ebenso hinzu wie ein bisschen Blues oder funky Hard Rock oder etwas ganz anderes in einem weiteren Song, das alles auf dem gleichen Album. Deshalb ist es für die Leute ein bisschen schwerer zu sagen, "Oh, ANNIHILATOR, die sind doch eine Thrash... oh, sind keine Thrash Band?" War das grade etwa eine Ballade? Hey, ich mag diesen schnellen Song, oh nein, jetzt machen sie auf einmal einen...". Du weißt ja, wie es im Heavy Metal manchmal sein kann, manche Leute mögen nur die harte Musik, und hassen deswegen alles leichtere an Musik. Nun ja, es ist eben eine Mischung zwischen Metal und Thrash, eine ziemlich einzigartige Mischung, würde ich sagen. Viele Bands treffen ja Entscheidungen wie "Nein, wir sind jetzt mal melodischer." oder "Nein, es ist 2010, da müssen wir extrem hart sein, und zwar nur hart.".

Dave Padden: Obwohl das ja genau das ist, was wir getan haben. (lacht)

Jeff Waters: (lacht) Nein, ist es nicht, hör' Dir doch nur mal...

Dave Padden: Nicht absichtlich. (lacht).

Jeff Waters: Wenn Du Dir die Platte anhörst, ist der Mix viel aggressiver, Dave singt ein wenig mehr... ich will nicht sagen "härter", aber mit mehr Attitüde, mit mehr Wut. Dieses Mal habe ich etwas anders gemacht. Viele Bands nehmen einen Song auf und benutzen dafür ein Mikrofon an der Gitarre, und auf dem nächsten Song ist es wieder ein anderes Mikrofon, ein anderer Verstärker oder eine andere Gitarre. Dasselbe gilt für die Snare Drums beim Schlagzeug, die wechseln häufig. Viele Bands benutzen also viele verschiedene Instrumente und Mikrofone im Studio, um den Sound unterschiedlich hinzubekommen. Ich habe diesmal beschlossen, dass ich für Gitarre, Bass und Gesang jeweils ein Mikrofon benutze, nur ein Drumkit und dass diese bei allen Songs die gleichen sein werden. Das - zusammen mit dem aggressiven Mix und Dave's etwas angepissterer Weise zu singen - im Gesamteindruck eine wesentlich härtere Platte. Oh, nebenbei, Song 2 und 3 sind sehr thrashig geraten, ein bisschen wie früher Punk, mit einem METALLICA bzw. SLAYER-Vibe. Insgesamt finde ich jedoch nicht, dass die Platte wesentlich härter als frühere Alben ist, sie klingt nur ein bisschen härter und etwas aggressiver.

Dave Padden: Wir haben definitiv immer noch den melodischen Aspekt dabei.

Jeff Waters: Für's nächste Album habe ich schon eine Ballade am Start, das wird dann die ganzen neuen Fans böse vor den Kopf stoßen, die die aktuelle Platte hören und denken "Wow, die Platte mag ich, die sind ziemlich cool und hart drauf!". Die werden beim nächsten Album dann einen enormen Schock kriegen. Was ich cool finde. (lacht)

Es ist gut, dass Ihr's noch geschafft habt, von Eurem alten Label rechtzeitig wegzukommen.

Jeff Waters: Eine Woche! Das war nur EINE Woche vorher! Ich habe mich bei diesem Trip hier mit ein paar Deutschen unterhalten, zunächst war ich ja bei der Musikmesse und dann machen wir ja diese Rundreise u.a. mit Hamburg, Berlin und so für die Pressetermine. Jedenfalls habe ich mit ein paar meiner Freunde innerhalb und außerhalb des Business gesprochen und glaube mittlerweile, das bei SPV einige sehr nette Leute gearbeitet haben, die uns einen großen Gefallen getan haben. Sie hätten uns nämlich nicht aus unserem Vertrag herauslassen müssen. Dabei wußten sie, dass sie in die Insolvenz gehen würden und wir hatten echt Glück, weil wir immer nett zu ihnen, der Presse und anderen Firmen waren. Ich denke, dass sie das irgendwie respektiert haben. Wir waren keine besoffenen Arschlöcher, die ihnen die ganze Zeit nur gesagt haben, dass sie uns mal können, da wir schließlich Rockstars seien. Ich glaube, irgendjemand bei SPV meinte, "Hört mal, ANNIHILATOR sind eine der Bands die wir respektieren und ziehen lassen sollten.". Daraufhin sagte ich "Danke!", und eine Woche später wachte ich morgens auf und schrieb gleich Dave eine E-Mail. Ich schrieb nur, "Dave, schau Dir das mal an!" - ich hatte nämlich Blabbermouth.net aufgerufen, wo stand, dass SPV Insolvenz beantragt hätte. Ich wurde kreidebleich in meinem Stuhl, auf dem ich saß, und dachte nur, "Wow, wir hatten verdammtes Glück!"

Es hätte das Weiterkommen der Band jedenfalls erheblich erschwert.

Jeff Waters: Das Makabere daran, was noch hinzukam, ist, dass es Dave und mir erstmalig die Gelegenheit gab - und für mich erstmalig die Chance in meiner Karriere mit ANNIHILATOR (er spricht es gleich darauf noch einmal deutsch aus und lacht sich darüber ziemlich scheckig) - nicht unter einer Deadline zu leiden. Es gab kein "Bis dann und dann muss die Platte aber fertig sein." Neben der fehlenden Deadline war's auch noch so, dass ich erst die neue ANNIHILATOR-CD mixte, im Anschluss nach Australien flog, um eine Band zu produzieren und somit eine große Pause von ANNIHILATOR hatte. Als ich zurück kam, setzte ich mich hin, machte mir ein paar Notizen zum Mix des Albums, schichte Dave ein paar MP3s und fragte, "Was denkst Du dazu?". Dave schickte mir daraufhin seine Notizen und Kommentare, ich setzte mich nochmals mit einem Kaffee hin, entspannte ein wenig und mischte die CD neu ab, und zwar in meinem eigenen Tempo. Ich hatte nämlich Zeit. Genau deswegen klingt die CD nämlich ziemlich gut, wir hatten weder Stress noch Druck dahinter. Deswegen haben Dave und ich entschieden, dass wir nach diesem Album - als uns klar wurde, dass es viel besser ist, als viele andere CDs, die wir gemacht haben - selbst mit einem neuen Plattenvertrag uns in Zukunft einfach unsere Zeit nehmen werden. Wir werden nicht mehr alle anderthalb Jahre wie in den vergangenen zwanzig Jahren ein Album veröffentlichen. Wenn es zwei oder zweieinhalb Jahre braucht, dann braucht es das eben. Ich weiß, dass es dennoch funktionieren wird, wenn sich dieses Album gut verkauft, weil wir glücklicherweise eine Menge positiver Reaktionen von der Presse und sonst auch darauf bekommen. Die meisten Leute, die es hören, meinen sowas in der Art wie, "Wow, die neue CD ist sehr gut, Dave Padden tritt ja mal so richtig in den Arsch!". Etliche Leute haben mittlerweile die "Masters Of Rock" DVD vom letzten Jahr gesehen, ob im Internet oder sonstwo, und verdammt viele denken gleich, "Der Typ spielt Waters' Gitarrenriffs und singt dabei auch noch! Er sieht gar nicht wie ein Neuling aus und hat irgendwie ein bisschen was James Hetfield-mäßiges an sich!"

Dave Padden: Ich spiele mittlerweile schon seit 2006 Gitarre bei ANNIHILATOR, dennoch haben bis zu dieser DVD offenbar die meisten Leute nicht mal gewusst, dass ich das tue. Das kam offenbar erst mit dieser Tour wirklich in deren Bewußtsein, was schon irgendwie lustig ist.

Jeff Waters: Ich kann mir schon vorstellen, was passiert. Wenn die ganzen Reaktionen von der Presse und Fans zu diesem Album tatsächlich wahr sind und wir mit "Annihilator" wirklich so eine Art Comeback an den Tag legen und größer werden, kommt die Plattenfirma garantiert an und sagt, "Los, wir müssen Gas geben und gleich eine neue CD raushauen!". (lacht) Darauf sind wir allerdings vorbereitet, wir werden uns einfach die erforderliche Zeit nehmen und uns nicht abhetzen. Wir haben schließlich mittlerweile dreizehn Alben auf dem Buckel, es gibt also keinen Grund für Hektik. Uns gefällt das so und wir bekommen auch bessere Ergebnisse dabei heraus.

Dave Padden: Wir können im Zweifel den Plattenfirmen sagen, dass das Album gerade deswegen gut war, weil wir zwei bis drei Jahre Zeit dafür hatten - dann können die selbst entscheiden, ob sie ein weiteres gutes Album wollen oder lieber einen Schnellschuß.

Jeff Waters: Früher dachte ich, das viele Bands nur deswegen drei Jahre für ein Album brauchen, weil sie faul sind, oder so viel Geld mit der letzten Platte verdient haben, dass sie lieber am Strand liegen, Urlaub machen, sich neue Autos kaufen, ausruhen oder einfach nur ein gutes Leben haben wollen. Das ist ja auch nichts Falsches, das ist einfach großartig! Mittlerweile habe ich jedoch verstanden, warum sie die Pausen machen, es geht nicht darum, das Geld und all das zu genießen, sondern darum, den Kopf freizubekommen und eine bessere Inspiration für neue Songs zu kriegen.

Es ist doch immer besser, sich seine Zeit für ein Album zu nehmen, anstatt einfach irgendetwas planlos auf den Markt zu schmeißen.

Jeff Waters: Genau, man sollte es schon richtig machen. Es brennt dich zudem aus. Ich habe Ewigkeiten jedes anderthalbe Jahr eine Platte veröffentlicht - weißt Du, was das letztlich bedeutet? Drei Monate schreiben, drei oder vier Monate Aufnahmen, Drum Tracking und danach Abmischen, Mastern, am Albumcover und dem Booklet arbeiten, sonstige geschäftliche Sachen erledigen, mit dem Steuerberater und den Anwälten die Verträge durchgehen, verschiedene Lizenzverträge in unterschiedlichen Ländern, Promotiontouren, zudem auf die Plattenfirma ein Auge haben, um sicherzustellen, dass sie ihren Teil erledigt. Danach musst du dich dann um eine Tour kümmern, das Merchandise dafür organisieren, die Festivals abchecken, dich um den Versand des Equeipments kümmern, Proben abhalten, jeden einfliegen, ab und an auch noch was für die Firmen machen, mit denen man Verträge hat wie z.B. Gibson, Epiphone, Hughes & Kettner Verstärker, die gelegentlich auch mal einen Promotrip machen möchten... Die Liste der Dinge, um die ich mich persönlich kümmern muss, ist verdammt lang und ich mache das schon seit 1989. Da mal ein Jahr Pause einzulegen, war so ziemlich das Beste überhaupt. Jetzt sehe ich enorm jung und ausgeruht aus. (Lachen)

Dave Padden: Viele Bands machen es sich da einfach, aber die haben auch andere Leute, die diese ganzen Sachen für sie erledigen, da produzieren eben andere die Platte, wieder andere kümmern sich um die übrigen Angelegenheiten, es wird ihnen eben enorm vieles abgenommen.

Jeff Waters: Und das Coole ist: jeder weiß im Grunde, dass im Heavy Metal nicht mehr das große Geld verdient wird, wie damals in den 80ern, das geht jetzt ein bisschen zurück auf die Frage, die Du am Anfang des Interviews gestellt hattest. Wenn Du eine Band bist, die nicht auf dem Level von METALLICA, SLAYER oder MEGADETH, eher unter dem Level von MEGADETH sogar, agierst, dann bist Du nicht reich und kaufst Häuser und Ferraris. Du tust das alles dann, weil Du es liebst und brauchst das Geld, was Du verdienst, zum Überleben und um weiterzumachen. Du verdienst Dein Geld nicht, um noch ein Haus zu kaufen. Im Laufe der Zeit haben wir bei manchen Alben schon gut verdient, wir haben auch durchaus dabei Geld gemacht, aber nur, weil wir uns ums Geschäft gekümmert haben. Unheimlich viele Bands, die ich getroffen habe, scheren sich nur um Ausgehen, Parties und darum, Spass zu haben. Ihre Manager, Agenten und Plattenfirmen schicken sie für zwei Jahre auf Tour, sie sind auf den Titelseiten der Magazine und unheimlich berühmt - und wenn sie nach der Tour nach Hause kommen, haben sie kein Geld. Es ist eine Art Handel. Wir könnten Verträge unterzeichnen, mit denen wir all unsere Rechte abgeben und könnten dann vielleicht auf Titelseiten landen, die Plattenfirma würde uns pushen und wir würden zwei Jahre am Stück auf Tour sein. Dabei würden wir jedoch einen Burn-Out bekommen (Dave Padden stimmt lautstark zu), wir würden uns streiten, wir würden Parties feiern, wir hätten kein Geld, was gleichzeitig auch bedeutet, keine Familie und würden darüber nichts gewinnen. Deswegen mische ich z.B. die Platten lieber selbst ab, zumal ich auch sehr gerne in meinem Studio arbeite. Dave und ich hätten liebend gerne mal Colin Richardson bei einer ANNIHILATOR-CD an den Reglern sitzen, der einer unserer absoluten Favoriten ist. Das kostet jedoch eine Stange Geld und wir nehmen dieses Geld lieber, um es wieder in eine Tour zu investieren, damit die Maschine am Laufen bleibt.

Auf einem gewissen Level mögt ihr also lieber die Kontrolle behalten und das Geld nicht unnötig rauswerfen?

Jeff Waters: Nun ja, das Geld, was hereinkommt, wird natürlich für unsere Ausgaben benötigt. Manche Manager halten die Künstler mit Saufen und lauter anderen Sachen beschäftigt und das Geld verschwindet, all das Geld z.B. aus den Shirt-Verkäufen ist einfach weg. Wir haben uns entschieden, lieber eine kleinere Band zu sein, die für ihre harte Arbeit bezahlt wird als eine große Band, die am Ende kein Geld sieht. Klar, es gibt natürlich große Bands, die viel Geld verdienen, aber im Heavy Metal Bereich musst Du schon sehr, sehr groß sein, um das zu erreichen.

Ich hätte an der Stelle eine Frage, die sich mir im Zusammenhang mit der Promo-CD des neuen Albums gestellt hat. Bei dieser CD mit Wasserzeichen fiel's mir enorm schwer, überhaupt einen CD-Player zu finden, der die abspielt.

Jeff Waters: Wirklich?

Dave Padden: Das habe ich jetzt schon häufiger zu hören bekommen.

Ich hab's mit diversen älteren CD-Playern versucht, die alle gestreikt haben und letztlich zum Glück einen DVD-Player gefunden, der sich nicht quergestellt hat.

Jeff Waters: Jesus...

Immerhin hat's dann funktioniert. Mir ist schon klar, dass das Album grade in Eurem Fall wesentlich später erscheint, als ich die Promo bekomme, und klar, die Platte soll ja nicht gleich im Internet landen, wenn sie zwei Monate vor Veröffentlichung rausgeschickt wird.

Jeff Waters: Verbreitet wird sie sowieso. Kaum, dass die Promos von der Plattenfirma raus waren, war das Album schon kurz drauf im ganzen Internet zu finden.

Denkt Ihr, dass das für den Metalbereich ein wirkliches Problem darstellt, wenn man z.B. mal Pop oder ein anderes Genre im Vergleich sieht?

Jeff Waters: Du meinst das illegale Hochladen vorab?

Ich meine vorab verbreitete Promos und illegale Downloads allgemein.

Jeff Waters: Das sind zwei paar Schuhe. Soweit es darum geht, etwas an die Presse herauszugeben, ist es meiner Ansicht nach die beste Lösung, die CD ohne irgendwelche Einschränkungen oder Piepser an die Journalisten herauszugeben, die man kennt, am besten schon seit Jahren. Es ist wie eine Seuche, dass viele Bands sagen, sie geben die CD bis eine Woche vor Veröffentlichung an niemanden heraus. Das hängt nämlich auch vom Bekanntheitsgrad der Band ab. Wenn du etwa eine brandneue Band bist, wie z.B. auch viele Bands bei Earache Records, dann ist es möglicherweise eine gute Sache, wenn die Songs schon Monate vorher durchs Netz kursieren, da viele Leute vermutlich noch nie von der Band gehört haben. Da ist es gut, wenn breitgestreut Material verfügbar ist, um vielleicht ein bisschen Hype zu erzeugen. Bei dieser Platte war es letztlich nicht meine Entscheidung, das ging von der Plattenfirma aus. Ich meinte, "Wenn ihr wirklich denkt, dass das der richtige Weg ist, werde ich euch nicht im Weg stehen, also tut das eben.", selbst hätte ich die Promo jedoch eher spät, z.B. drei Wochen vor dem Releasedatum herausgegeben. Wir sind nämlich keine brandneue Band, deswegen gibt es nun mal Fans weltweit, die das natürlich sofort haben wollen, und genau das ist auch passiert. Sie schickten dieses Ding hier etliche Wochen vorab an die Presse und kurz darauf war es schon im Internet. Somit ist das nicht wirklich gut für ANNIHILATOR, aber eben für ganz junge Bands, für die es eine enorm gute Promotion darstellt. Wenn's um die Download-Sache aus dem Internet allgemein geht, dann ist das ebenfalls perfekt für neue Bands. Eine Band aus Palma de Mallorca oder Nicosia, Zypern, kann hingehen, ein Demo zuhause aufnehmen oder eine Platte und jemand in Seattle, Washington kann sich das Ergebnis in drei Sekunden z.B. bei MySpace anhören. Für junge Bands ist es einfach das perfekte Promotion-Tool, um entdeckt zu werden. Die meisten A & R-Leute bei den Plattenfirmen, die ich kenne, und sogar die Presse, sitzen mittlerweile den ganzen Tag vor dem Computer und surfen durchs Netz auf der Suche nach neuen Bands. Genau so machen die A & R-Leute das mittlerweile! Bei großen Bands ist mir die Angelegenheit mittlerwiele egal. Die verdienen so viel Geld mit Livekonzerten und allen anderen Geschäftsfeldern, dass ich keinerlei Mitleid oder Mitgefühl für sie empfinde. Zumal auch etliche der großen Bands clever sind und das alles zu ihrem Vorteil zu nutzen wissen. Für die mittelgroßen Bands ist es jedoch desaströs. Wir brauchen das Geld aus den CD-Verkäufen, um weiter Platten aufnehmen zu können, das ist daher schon hart. Darüber darf man sich im Ergenis dennoch nicht beschweren, denn es ist nun mal die Realität mit dem Internet und die positiven Effekte überwiegen die negativen Erscheinungen bei weitem. Das Tollste ist Folgendes: in den 70er und 80er Jahren ging es um Platten in ihrer Gesamtheit, es ging um zehn Songs. Nimm z.B. "Back In Black", "Number Of The Beast" oder "Appetite For Destruction", da war einfach jeder Song gut. In dern 90er Jahren, als sich alles änderte, ging's plötzlich nur noch um einen oder zwei Songs für ein Video bei MTV. Zumindest war das so in Nordamerika, darum drehte sich alles. Da sahst ein grandioses Video bei MTV, dachtest, was für ein großartiger Song das auch noch war, und kauftest das Album, nur um festzustellen, dass acht Songs auf der Platte schlecht waren. Es ging ja letztlich nur um zwei Songs. Das Schöne am Internet ist für mich, dass man die Bands finden kann, die großartige CDs machen und nicht nur ein oder zwei gute Songs, da man im Netz einfach das komplette Album anhören kann, oder z.B. bei iTunes auch nur einzelne Songs runterladen kann.

Dave Padden: Es gibt da draußen immer noch viele Leute, die wie ich selbst den moralischen Standpunkt haben, dass sie dafür Geld bezahlen wollen. Sie bezahlen dafür, wenn sie die Möglichkeit bekommen, auch im Internet. Der Hardcoresammler will sowieso die physische CD und das Artwork für seine Sammlung haben, das kriegt man einfach nicht, wenn man MP3s runterlädt. Es gibt also immer noch jede Menge Leute, die so denken. Schließlich kaufen immer noch viele Leute Platten, sonst würden Bands nicht weiterhin Millionen davon verkaufen. Offensichtlich werden also immer noch Platten verkauft.

Jeff Waters: Schau mal hier (dabei zeigt er sein iPhone), die Songs habe ich bei iTunes gekauft und habe die jetzt auf meinem iPhone. Ich mache es immer so, dass ich mir die Songs irgendwo im Internet anhöre, wenn sie mir gefallen, lade ich sie hier runter und mache mir dann noch einen Eintrag auf dem elektronischen Notizzettel, welche der CDs ich mir noch kaufen werde. Ich kaufe sie zusätzlich, weil ich einfach das Booklet öffnen und lesen möchte... ich bin da eben auch Fan. Vor einiger Zeit sagte jemand von einer Plattenfirma zu mir, "Oh nein, die CD-Verkäufe sterben immer weiter weg.", und klar, wir wissen alle, wie der Wandel aussieht, dass es z.B. immer weniger Plattenläden gibt und die übrigen immer weniger an Sortiment haben. Wenn Du aber z.B. zu irgendeinem Festival gehst, stellst Du etwas fest. Wir spielen dieses Jahr u.a. das Hellfest in Frankreich, sind Headliner beim Rock Weekend in Schweden sowie beim Masters of Rock in Tschechien und spielen beim Kalikra Rock in Bulgarien. Und wenn Du dieses Jahr zu einem dieser Festivals gehst, z.B. zum Hellfest, und Dir mal das Billing mit 50, 60 oder 70 Bands anschaust, jede dieser Bands hat CDs im Laden stehen. Alle Fans haben CDs dieser Bands, sie haben keine MP3s, wenn überhaupt, dann von ihren eigenen CDs gerippt. Deswegen sagte ich zu dem Plattenfirmentyp auch, "Bullshit, es kaufen immer noch mindestens 65% die CDs.". Im Metalbereich sind es wahrscheinlich noch viel mehr, bestimmt an die 90%.

Das ist genau der Punkt! Metal hat sehr loyale Fans und Sammler. Die mögen es einfach, wenn sie etwas zum Anfassen haben.

Dave Padden: Ich erinnere mich noch gut daran, als ich ein Teenager war. Jedes Mal, wenn ich eine neue Metal-Kassette kaufte und später dann CDs, war der beste Weg, um neue Bands zu finden, die Inlays mit der "Thank You"-Liste zu lesen. Die Bands dankten darin ja den anderen Bands, die sie inspiriert hatten oder mit denen sie auf Tour gewesen waren. Das war ein fantastischer Weg, um an neue Bands zu kommen, wenn man sich danach ein wenig über die Namen informierte und auch ein Grund, warum ich schon immer Wert auf das physische Zeug gelegt habe. Ansonsten hätte man vermutlich von vielen Bands niemals erfahren.

Aus meiner Sicht ist das einer der wesentlichen Gründe dafür, dass Metal ein Comeback in den Charts hingelegt hat. JUDAS PRIEST oder MOTÖRHEAD schaffen es hier mittlerweile locker in die Top 5 mit einem neuen Album.

Jeff Waters: Die Verkäufe sind zurückgegangen.

Richtig, die sind zurückgegangen, aber Metal ist eines der wenigen Genres mit loyalen Käufern. Die ziehen noch los und kaufen die CD, die meisten MOTÖRHEAD Fans machen genau das, ebenso die richtigen JUDAS PRIEST Fans. Das ist bei den wenigsten Genres noch der Fall.

Jeff Waters: Das ist natürlich cool, denn wenn sie clever sind, denken sich die Plattenfirmen, dass sie vielleicht mal mehr Metal CDs machen sollten deswegen. Das hilft den Bands schließlich auch beim Überleben.

Collector's Editions von CDs sind ja auch eine tolle Sache.

Jeff Waters: Oder 2-in-1 Alben mit Bonustracks und sonstigem Zeug. Ich mag so etwas bei alten Alben. Einige der Besonderheiten unseres aktuellen Albums sind uns erst jetzt rückblickend aufgefallen, wo wir diese ganzen Fragen von den Journalisten gestellt bekommen haben. Zunächst ist es eine selbstbetitelte CD, weil uns kein guter Name eingefallen ist. Wir waren der Ansicht, dass es eine gute Platte ist und dachten uns, "Okay, wir sind ANNIHILATOR, Dave ist jetzt seit acht Jahren und vier Alben dabei, von daher, warum nicht?". Es gibt kein Logo auf der Platte, nur das eingeritzte ANNIHILATOR auf der Stirn, das ist für uns auch ungewöhnlich. Es ist das 13. Studioalbum, Dave wurde am 13. Februar 1976 geboren, ich am 13. Februar 1966, uns trennen also zehn Jahre voneinander.

Dave Padden: Du wurdest um 13.00 Uhr geboren.

Jeff Waters: Es gibt da jede Menge abergläubische, lustige Zufälle - und das ist noch nicht alles gewesen!

Dave Padden: Wir haben z.B. 66...

Jeff Waters: Es gibt 66 Soli! (lacht) Tut mir leid, der Labelmanager von Earache...

Dave Padden: Das ist ungefähr ein Solo für jedes Jahr Deines Lebens.

Jeff Waters: Möglicherweise. Er mailte mich jedenfalls zwei Tage, nachdem er die CD bekommen hatte, an und meinte, "Heilige Scheiße, ist Dir aufgefallen, dass auf dem Album exakt 66 Soli sind?". Ich meinte daraufhin, "Wirklich?", der Typ hatte sie ernsthaft alle gezählt! Ich zähle so etwas nie. Es war deswegen einfach eine besondere CD für uns und ich hatte zu dem Zeitpunkt, als wir fertig waren, das Gefühl, eine gute CD aufgenommen zu haben. Wir sind stolz auf das Album und haben es auch an diverse Plattenfirmen jeweils für den japanischen, australischen, europäischen Markt und übrige Länder lizensiert. Irgendetwas sagte mir, "Verdammt, das könnte jetzt kurz vorm Ende Deiner Karriere sein, vielleicht in der Mitte der Karriere oder es könnte sogar der Beginn eines langen, neuen Abschnitts sein, wenn fast jeder es mag.". Ich dachte daher, vielleicht sollten wir ein Statement machen: keine Bonustracks, keine Bonusvideos, keine Outtakes, keine Gimmicks, einfach nur die Platte verkaufen. Das fand die Plattenfirma grade in Japan gar nicht lustig, da man dort ja immer am liebsten fünf Bonustracks und ein CD/DVD-Pkaet haben will. Tja, ich blieb hart und meinte, "Davon weiche ich jetzt nicht ab! Tut mir leid, hier ist einfach nur das Album. Mir ist klar, dass wir nicht mehr 1985 oder 1989 haben, aber hier habt ihr's einfach." Sie akzeptierten das und als sie die CD bekamen hieß es plötzlich nur, "Oh, jetzt verstehen wir Dich, das Album ist großartig geworden!" Es schien mir fast so, als ob sie eine weitere typische ANNIHILATOR-CD erwartet hätten, die zwar gut, aber nicht großartig ausgefallen wäre. Als wir ihnen das Album gegeben und sie es angehört hatten, meinten sie auf einmal, "Das ist wirklich richtig gut, wir brauchen gar keine Bonus-Tracks!" (Lachen) Das war wirklich sehr befriedigend für uns, dass wir nichts weiter brauchten, um das Album zusätzlich zu verkaufen. Wenn's Dir gefällt, gefällt's Dir einfach, wenn Du's nicht magst, magst Du's eben nicht.

Dave Padden: Abgesehen vom wirklich ausgezeichneten Artwork.

Jeff Waters: Hat ein bisschen was von einem netten Death Metal Cover, oder?

Es ist mit Sicherheit kein typisches ANNIHILATOR Artwork.

Jeff Waters: Nein, das erste, was ich dachte, als ich's zu sehen bekam, war, "Och nein, das ist aber wirklich zu...". Ich weiß nicht, ob Death Metal unbedingt das richtige Wort ist, aber mit Sicherheit ist es ein düsteres Cover, was für ANNIHILATOR ungewöhnlich ist. Ich schickte es an Dave und er meinte gleich, "Fuck Yeah!!!", woraufhin wir's dann einfach genommen haben. Es kriegt auf alle Fälle Aufmerksamkeit, die Leute schauen es sich an und fragen sich erstmal, was hier los ist.

Als ANNIHILATOR CD würde man das auch den ersten Blick bestimmt nicht erkennen.

Jeff Waters: Wenn ich ein Fan wäre, würde ich's anschauen und mich als erstes fragen, ob ANNIHILATOR jetzt plötzlich ihren Stil gewechselt haben. Das wäre das Erste, was mir in den Sinn käme.

Dave Padden: Als ich's mir erstmals anschaute, dachte ich, "Das sieht doch mal nach einem ernsthaften, richtigen Metal Cover aus!". Die letzten vier Alben wurden von dem selben ungarischen Künstler aus Budapest gemacht, und zugegeben, sie waren alle immer besser geworden. Aber das hier wirkt jetzt tatsächlich wie ein richtiges, ernsthaftes Metal Cover auf mich.

Jeff Waters: Ja, irgendwie fängt's die Aufmerksamkeit ein, nicht wahr?

Dave Padden: Manche der älteren ANNIHILATOR Cover sahen teils ein bisschen dämlich aus, könnte man schon sagen.

Jeff Waters: "Remains".

Dave Padden: Aber das hier sieht dafür nach einer verdammt ernsten Metalplatte aus, und das war der herausstechendste Punkt für mich.

Jeff Waters: Yeah, manche waren ein bisschen... vielleicht nicht direkt Cartoon, aber einfach keine wirklich ernsthaften Cover. "Alice In Hell" ist nur ein Mädchen, das die Stufen mit einer Kerze in der Hand hinunterläuft, ich meine, das ist nicht wirklich furchteinflößend. Für 1989 war's jedoch ein gutes Cover. "King Of The Kill" hatte dieses cartoon-mäßige Cover mit dem bösen König im Schachspiel und das ist nicht gerade beängstigend, es ist einfach nicht... düster. Mit einem so düsteren Cover mit dem Namen in der Stirn hat's ein bisschen was von "Der Exorzist". (Lachen) Linda Blair! Wie "Alice In Hell" mit weißen Augen.

Was ist denn jeweils Euer liebster Track auf "Annihilator"?

Dave Padden: Mein persönlicher Liebling?

Jeff Waters: 'The Trend' und 'Betrayed'.

Dave Padden: Ja, seine sind 'The Trend' und 'Betrayed', bei mir sind es 'Ambush' und 'Death In Your Eyes'. Nicht nur, weil ich es geschrieben habe, ich wollte den Song schreiben, da die Musik sowieso schon in mir war.

Jeff Waters: Er ist ein großer Fan von THE HAUNTED und MESHUGGAH, deswegen hat er das rechtshändige Rhythmusgitarren Picking bei vielen Sachen besser drauf als ich. Die Bands, die ich grade erwähnt habe, THE HAUNTED z.B. haben einen deutlichen SLAYER-Einfluss, sind aber dennoch sehr fähig, ihren eigenen Stil zu spielen, wo sie etwa teils ein seltsames Timing für ihr Picking benutzen. Manche dieser Parts sind für mich nicht einfach zu spielen, Dave spielt sie dann mitunter und ich schaue mir das an und denke nur, "Pfff... ich werde gar nicht erst versuchen, das zu spielen!". Wir wissen alle, dass die Jungs von THE HAUNTED ziemlich gut sind, wir sind wirklich Fans von ihnen und soweit wir wissen, sind sie auch Fans von uns.

Dave Padden: Mit Sicherheit jedenfalls einer meiner größeren Einflüsse beim Gitarrespielen.

Jeff Waters: Ich glaube, er versucht grade, das längste Interview aller Zeiten zu führen (Lachen)

Dave Padden: Das ist schon okay. (lacht)

Jeff Waters: Wir haben sowieso nichts zu tun, das passt also schon.

Dave Padden: (flüstert) Nein, in Wirklichkeit sind wir extrem beschäftigt.

Jeff Waters: Klar doch, die Journalisten stapeln sich schon vor der Tür. Das ist ein freier Tag für uns und Du bist der Einzige heute außer ein paar Phonern. Aber hey, das ist schon okay, deswegen sind wir ja auch so entspannt.

Dave Padden: Du solltest Dich also wirklich besonders oder extrem schuldig fühlen. (lacht)

Jeff Waters: Fühl Dich besonders, kein Stress.

Dave Padden: Kein Stress.

Was plant Ihr denn so für die nähere Zukunft?

Jeff Waters: Zu Mongo's gehen, um dort wie letzte Nacht so viel Essen wie möglich in uns reinzuschaufeln. Kennst Du Mongo's?

Ich habe direkt davor geparkt.

Jeff Waters: Letzten November und Dezember war ich mit einer Guitar Clinic für Gibson, Epiphone und Hughes & Kettler, den großartigen deutschen Verstärkerhersteller, in Europa unterwegs. Die haben uns immer in Steigenberger Hotels untergebracht. (es folgt eine lustige Sequenz, in der Jeff sich bemüht, Steigenberger korrekt auszusprechen)

Dave Padden: S T E I G E N B E R G E R.

Jeff Waters: Yeah, wie Dave es schon für mich sagte. Sie ließen uns jedenfalls in diesen Hotels absteigen und jedes Mal, wenn wir dort waren, war irgendwie ein Mongo's gleich daneben. Wir folgten sozusagen dem mongolischen Essen.

Dave Padden: Das ist eines meiner Lieblingsessen. Zuhause esse ich das die ganze Zeit, ich liebe es einfach. Von daher war ich ziemlich begeistert, als mir jemand sagte, dass ein Mongo's hier in der Nähe ist.

Jeff Waters: Mongo's ist aber nur unser kurzfristiges Ziel. Diesmal werden wir nämlich mal was anderes ausprobieren. Wir haben gerade einen sehr bekannten Agenten in UK gefunden, der jedoch nicht für Metal bekannt ist, sondern ganz andere Musik, was cool ist, da ihm die Tour Agentur gehört. Er ist der Agent für ein paar richtig große Namen, aber eben nicht aus dem Metalbereich. Dennoch stellte sich heraus, dass er ein großer Fan unserer ersten beiden CDs ist und als er mitbekam, dass wir zum einen einen Agenten suchten und zum anderen einige Probleme hatten, einen guten Agenten zu finden, meldete er sich gleich bei uns und wollte uns helfen. Das ist etwas, was man im Laufe der Zeit in diesem Geschäft feststellt: wenn man nett zu den Leuten ist, kommt es oft vor, dass sie einem plötzlich fünfzehn oder zwanzig Jahre später einen Gefallen tun. Er meinte, "Hört mal zu, warum spielen wir nicht einfach nur beim Hellfest, dem Masters Of Rock und Rock Weekend sowie dem Kalikra Rock und machen ansonsten den ganzen Sommer über nur Promotion? Geht zu den paar Festivals und macht die restliche Zeit nur Promotiontermine mit Autogrammstunden und allem, sprecht mit der Presse, redet draußen mit den Fans. Spielt die handvoll Festivals, aber nicht mehr, und haltet euch aus Deutschland raus.". Ich meinte, "Na ja, das Album erscheint im Mai, müssen wir uns dann nicht mal auf Tour sehen lassen?", woraufhin er nur sagte, "Nein, wartet bis September oder Oktober, spielt erst mal in Australien und Japan, dann im Oktober rüber nach Deutschland und von da an zieht ihr's durch bis in den Sommer. Im Sommer 2011 spielt ihr dann die ganzen großen Festivals wie Rock am Ring oder Download.". Wacken wäre natürlich auch schön dabei - die Deutschen sollen am Ende des Sommers völlig fertig sein vor lauter ANNIHILATOR, sie sollen richtig überdrüssig werden. Wir möchten jedoch auch gerne unsere eigenen Headliner-Shows spielen. Die letzten Jahre haben wir ja meist als Support oder Special Guest gespielt, wobei manche dieser Bands unserer Karriere wirklich geholfen haben. Die eine Band, von der man es jetzt nicht unbedingt erwartet hätte - und es sind nicht JUDAS PRIEST oder eine der anderen Bands, mit denen wir unterwegs waren - ist TRIVIUM. Sie haben uns für drei Wochen mit durch UK genommen, wo sie sehr populär sind und jeden Abend haben wir daher vor 5.000 Leuten gespielt. Corey und Matt wußten beide, dass ANNIHILATOR in UK kaum Platten verkaufen und meinten erst mal nur, "Hey, Jeff...", da sie richtiggehend nervös waren, mich zu fragen, ob wir sie als Support begleiten würden. Ich stimmte sofort zu - die Jungs waren nämlich der Meinung, dass Ihre TRIVIUM Fans unbedingt diese Band namens ANNIHILATOR hören müssten. Das war daher eine enorm gute Sache und damals war Matt Heafy grade 19.

Dave Padden: Er war 21.

Jeff Waters: Sie hatten den Respekt, um... - er war 19 und Corey war 21...

Dave Padden: Ich glaube, sie waren 19, als sie ihr zweites Album aufgenommen haben. Vielleicht in den frühen 20ern.

Jeff Waters: Echt? Jungspunde!

Dave Padden: So oder so, auf alle Fälle jung.

Jeff Waters: Sie hatten jedenfalls den Respekt, uns als älterer Band dieses Angebot zu machen und damit weiterzuhelfen. Und auf einmal schossen unsere Zugriffszahlen bei MySpace ebenso wie die Plattenverkäufe in die Höhe. Insbesondere auf unserer Internetseite bekamen wir massiv viele Zugriffe, das war einfach eine enorme Reaktion. Unsere Internetseite ist ziemlich beliebt, da Dave und ich dort selbst häufig online sind und auch mal Gitarren verschenken, mit den Fans reden und sie z.B. zu Guitar Clinics einladen oder Konzerten. Wir haben da jede Menge Leute und unsere Zugriffszahlen gingen plötzlich durch die Decke, nur weil TRIVIUM uns mit auf diese Europatournee nahmen.

Dave Padden: Wir haben dadurch tatsächlich vor unheimlich vielen Kids gespielt, die sonst nie von uns gehört hätten und niemals zu den Shows gekommen wären.

Jeff Waters: Das sagt schon was aus.

Dave Padden: Ein brandneues Publikum.

Jeff Waters: Es sagt mir, dass eine Menge der jüngeren Fans auf etliche ältere Metalbands, wie etwa EXODUS, enorm abfahren würden, wenn sie sie nur kennen würden. Die hungern allesamt nach echten 80er Metalbands. Wenn sie mal mitbekommen, dass EXODUS, ANNIHILATOR oder TESTAMENT Einflüsse von vielen ihrer Lieblinge waren und sind, laufen diese Kids gleich los und kaufen die ganzen Alben.

Den Effekt kenne ich nur zu gut aus eigener Erfahrung.

Jeff Waters: Und ich erzähle es ihm, als ob er's noch nicht wüsste. (lacht)

Dave Padden: (lacht)

Jeff Waters: Ich tu einfach so, als ob Du's nicht wüsstest. (lacht)

Es ist aber toll, es von Profis zu hören.

Dave Padden: Profis? Wo? (lacht)

Absolut.

Jeff Waters: Wer, der Typ von GREEN DAY? JOAN JETT? Das sind Profis!

Es ist gut, es mal von einer Band selbst zu hören.

Jeff Waters: Denk dran, wenn's Dir nicht darum geht, auf den Titelblättern zu landen und all das, dann wirst Du auch nicht enttäuscht und kannst froh sein, es alles genießen. Das Einzige, was mich unglücklich machen würde, wäre wenn Presse und Fans nur noch sagen würden, "Kommt Leute, es reicht! Eure Zeit ist vorbei, ihr habt keine Ideen mehr und langsam solltet ihr sehen, dass ihr wegkommt.". Wenn der Zeitpunkt eines Tages kommen sollte, dann werden wir auch gehen. Ich werde dann immer noch Musik machen, aber nur für mich oder ein paar andere Leute etwa.

Dave Padden: Wir können dann ja eine Countryband gründen.

Jeff Waters: Nun, wenn Du magst, warum nicht? Ich glaube, darum geht's am Ende, wenn Du Freude daran hast, was Du tust und damit ehrlich bist, dann kannst Du einfach glücklich und zufrieden sein.

Schön zusammengefasst!

Jeff Waters: Ein guter Schlusssatz für das Interview, nicht wahr, Jeff? (lacht)

Dave Padden: Yeah!

Jeff Waters: Seid glücklich! Das sollten die letzten beiden Worte hier sein.

Vielen Dank für das ausführliche Interview, vielleicht noch ein letzter Satz für unsere Leser?

Jeff Waters: Es gibt eine Menge guter Heavy Metal und Thrash Bands da draußen, viele, viele, viele,... Es gibt jede Menge gute Musik da draußen, gerade im Internet. Sucht Euch die alten raus, das sind nämlich die besten! Aber obwohl's viele gute Bands gibt, gibt es da auch diese Band namens ANNIHILATOR. Falls Ihr keine Ahnung habt, wer wir sind, findet es raus! Wir haben ein neues Album namens "Annihilator" am Start, das dürfte einfach zu merken sein - die Band heißt ANNIHILATOR, genauso wie das Album "Annihilator". Falls Ihr zufällig ein Gitarrist sein solltet, glaube ich, dass das Album Euch gefallen dürfte, es gibt nämlich viele verdammt coole Gitarren auf dem Album. Der Gitarrist der Band ist übrigens richtig gut!

Dave Padden: 66 Soli!

Jeff Waters: 66 Soli, ist das nicht großartig? Das muss einfach großartig sein, Du musst nämlich richtig gut sein, wenn Du 66 Soli spielen kannst. Aber falls Ihr ANNIHILATOR schon kennen solltet: Dankeschön, dass Ihr uns die Treue gehalten habt, uns über die Jahre gefolgt seid und ich denke, wir machen Euch bestimmt auch stolz mit dem neuen Album. An der neuen ANNIHILATOR CD haben wir sehr hart gearbeitet, sie hat etwas Magisches an sich, ich hoffe, Ihr empfindet das genauso wie wir. Wir sehen uns auf Tour im wunderschönen Deutschland, voraussichtlich im Oktober!

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten