Livebericht Sinew |
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Ein Livebericht von Kex aus Gießen (AK44) - 01.06.2012 (12050 mal gelesen) |
So ein Konzert, das will schon beworben sein. Auf der Homepage des AK 44 wird dieser Grundsatz wohl nicht so ernst genommen. Erst zwei Tage vor dem Auftritt von FITZCARRALDO, ELEPHANT HAWK MOTH und SINEW wird das Ganze auch online beworben. Allerdings fehlt die Uhrzeit und auch sonst finden sich wenige Hinweise wie Flyer oder dergleichen in Gießen. Immerhin, die Bands haben Werbung gemacht und es finden sich doch tatsächlich einige Hände voll Leuten im AK ein. Der Einlass war für 20 Uhr geplant, dort angekommen fand ich Mitglieder aller drei Bands vor, die sich vor allem mit dem Soundcheck beschäftigten. Nachdem diese in das Gebäude eingelassen worden waren, schien sich niemand zu finden, der Bier verkaufen oder die Herren ins Mischpult einführen konnte. Selbst ist der Mensch und so arbeitete sich Daniel von FITZCARRALDO mal eben ins Mischpult ein und sorgte für einen recht ordentlichen Sound bei den Kollegen. Los ging es dann nicht gegen neun, sondern erst gegen zehn. Zunächst enterte das Quintett von FITZCARRALDO die Bühne und sorgte für sehr entspannte Stimmung. Inklusive der Bandmitglieder von SINEW und ELEPHANT HAWK MOTH bewegten sich ungefähr 20-25 Leute vor der Bühne. Obwohl Gitarren (derer befanden sich drei auf der Bühne) und Bass des Öfteren nachgestimmt werden mussten, klang die Musik der Aschaffenburger professionell. Entspannte, rockig melodische Rhythmen klangen aus den Boxen und luden zum Nachdenken und Träumen ein. Dabei wechselte die Gangart zwischen mitreißenden und sphärischen Passagen. Vor allem der Mix psychedelischer Klänge, melancholischer Gitarrensounds sowie progressiver Elektronikarrangements zeichnete interessante, musikalische Bilder. Diese Arrangements ließen Gedanken treiben, von melancholischer Trauer bis hin zu sprunghafter Aufregung. An diesem Abend war es vor allem melancholische Entspannung, die bei mir Einzug hielt. Zwischenzeitlich legte Bassist Matthias sein Instrument nieder, um anschließend auf einer Harmonica weiter zu spielen. Dass dieses Instrument fernab eines Kinderzimmers Einsatz findet, ist große Klasse - und gelang in diesem Fall mit Stil. Auch von der neuen EP "Oldenburg" fand das ein oder andere Stück seinen Weg auf die Bühne. Die Stimmung hätte auch die doppelte Besucheranzahl nicht besser hinbekommen können. Hut ab! ELEPHANT HAWK MOTH waren an diesem Abend eher das Gegenprogramm innerhalb der progressiven Stilrichtung. Direkt zu Beginn fiel der Bass aus, aber Hilfsbereitschaft unter Bands wurde an diesem Abend großgeschrieben. Das Instrument von Bassist Sotirios (SINEW) kam eben schon eine Band vorher zum Einsatz. Zunächst waren es ruhigere Klänge, denen die Besucher lauschen konnten, doch mit der Zeit wurden die Kompositionen immer vertrackter. Der Bass arbeitete sehr frei, die Themen immer wiederkehrend, aber voller Taktwechsel und Brüche. Gitarren und Schlagzeug schlugen da schon eher rockige Töne irgendwo zwischen Postrock und Indie (wobei Schubladen bei den Würzburgern mehr als unangebracht erscheinen) an, während auf Samples keinesfalls verzichtet wurde. Hatte man sich eingehört, war dies durchaus spannend. Leider tönte ab Mitte des Auftritts die Anlage so laut, dass ein eher anstrengender Brei entstand. Das, was Gitarre und Bass leisteten, ließ sich noch am angenehmsten gefiltert durch die Außenmauer des Gebäudes anhören. Der schon spärlich besiedelte Raum vor der Bühne leerte sich zunehmend, sodass dem Feedback beladenen Finale vielleicht noch die Hälfte der Hörerschaft folgte. Noch schnell Werbung für die neue CD und es wurde abgebaut. Sicher gab es keine technischen Frickelkompositionen in Richtung OBSCURA und auch kein Crossover-Gewitter in Richtung von WAR FROM A HARLOTS MOUTH. Vielmehr fühlte ich mich wie inmitten einer Jamsession einer Free Jazz-Gruppe, die mal eben in den progressiven Rockbereich übersiedelte, und bei der friedliche Gitarrenklänge sich mit unerwarteten, sehr Bass-betonten Ausbrüchen abwechselten. Hier war ständige Aufmerksamkeit des Gehörs gefragt, um den Faden nicht zu verlieren. ELEPHANT HAWK MOTH werden wohl nicht meine größten Freunde, nicht wegen mangelnden Könnens, sondern weil mir das aufmerksame Zuhören an diesem Abend zu anstrengend war. Gegen Mitternacht war es dann so weit: Das Marburger Quartett betrat die Bühne. So vielfältig wie deren Musik auch die Kleidungsstile der Mitglieder. Während Bassist Sotirios im schlichten Schwarz mit praktikabler Outdoor-Hose die Bühne betrat, zog Gitarrist und Herr der elektronischen Untermalung Andreas normale Alltagskleidung vor. Den größten Kontrast dürften Sascha und Sascha hingelegt haben: Saß der eine in Baggies hinter dem Schlagwerk, stand der andere in einem Nadelstreifen-Sakko stilecht barfüßig hinterm Mikrophon. Zwar sollte vor allem das Gehörte in einem solchen Bericht Raum finden, doch fand ich es spannend, wie sich dort auf der Bühne jedes eigenen Art zu einem großen Ganzen verband. Auch hier gab es technische Probleme, doch auch die konnten mit einem neuen Kabel schnell behoben werden und bald lullten uns melancholische Gitarrenklänge und getragene Rhythmen sanft ein. Es hatte sich zum Ende noch mal etwas gefüllt, sodass in etwa fünf Hände voll Menschen sich den Auftritt von SINEW ansahen. Schade einerseits, denn der Raum vor der Bühne wirkte auch für eine kleine Lokation wie das AK recht leer, andererseits hatte das Konzert so etwas ganz besonderes. Wie alle anderen Bands vorher ließen sich SINEW aber davon nicht entmutigen. Nachdem das Outro uns in Sicherheit wiegte, wurden wir durch 'Leading To Rome' mit der bis zum Ende des Konzertes nagenden Frage konfrontiert: Wie würdest du dich fühlen, wenn Santa Clause tot im Rotlichtmilieu aufgefunden worden wäre. Ja wie eigentlich? Während ich noch darüber sinnierte, der Traum wie vieler Erwachsener von der ewigen Kindheit beim Auffinden Peter Pans in einer solchen Situation der Zerstörung anheimgefallen worden wäre, quälte 'Turquoise' bereits mit weiteren unangenehmen Gedankengängen. "Ausgebrannt und mitleiderregend - nimm die Knarre, die dich zurück ins Leben katapultiert". Ein Appell den Allerwertesten in die eigene Hand zu nehmen und endlich wieder zu leben? Die eher leicht daher kommenden Strophen mit prägnant gesetzten Akkorden und den ansteigenden Gefühlen zu Beginn des Refrains lassen in Kombi mit dem emotionalen Gesang das Herz spontan schneller schlagen. Vor allem zu Ende des Songs treiben die Rhythmen schneller an und das Keyboard zwingt geradezu zur Stellungnahme. Ich möchte mich hier nicht in jedem Song einzeln ergehen, aber die kleine Bühne, das heruntergekommene AK, das spärliche Scheinwerferlicht und eine Hand voll Leute, alles das hat zu einer Achterbahnfahrt von Gedanken und Gefühlen eingeladen. Mal ist es die direkt fordernde Art wie bei den ersten beiden Songs, mal sind es die ruhigeren, sphärischen Töne wie bei 'Mercy On Apollo' (der Text einer der mystischeren an dem Abend), mal das eher vom Bass getragene 'Lost/Found'. Trotz früherem Ende, Saschas Stimme drohte nicht mehr bis Ende der Setlist zu halten, hatte der Auftritt genau die richtige Länge. Dies mag vor allem dem Ende geschuldet sein. Einer nach dem anderen legten die Mitglieder ihr Instrument nieder und verließen kommentarlos die Bühne. Zum Schluss brummten lediglich die Verstärker und alle im Raum sahen wie gebannt auf die verlassenen Instrumente vor uns. Ein Abend, der mich sehr nachdenklich entließ und vielleicht ist dies auch eine besseren Formen einer quasi Release-Party für ein Album wie "Pilots Of A New Sky". Sicher nicht die Sorte Konzert, die ich mir als Metalfan vorstelle, aber dieser Blick über den Tellerrand hat sich gelohnt. Wer neugierig auf SINEW geworden ist, der möge auch das Interview lesen. |
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