Existance - Wolf Attack

Review von baarikärpänen vom 29.10.2021 (8867 mal gelesen)
Existance - Wolf Attack In einem schnelllebigen Business wie der Musikindustrie können fünf Jahre zwischen zwei Veröffentlichungen eine verdammt lange Zeit sein. Vor allem, wenn man sich noch zum Kreis der "neuen Bands" zählen darf, so wie die Franzosen EXISTANCE um Julian Izard, Sohn des ehemaligen H-BOMB-Sängers Didier Izard. Womit ich gleich mal was klären möchte: Ich für meinen Teil finde es semigut, dass EXISTANCE immer wieder im gleichen Atemzug mit den verwandtschaftlichen Verhältnissen genannt werden. Denn a) sind EXISTANCE nun wirklich eine erstklassige Band, die diesen Hinweis gar nicht nötig hat und b) schwöre ich, dass von mir diesbezüglich kein Wort mehr aus der Tastatur kommt (abgesehen von einem klitzekleinen Verweis gegen Ende des Reviews, dazu später mehr). Wie gesagt, "Breaking The Rock", das letzte Album von EXISTANCE, erschien bereits 2016. Aber die Franzosen haben die Zeit bis zum neuen Album "Wolf Attack" gut genutzt, unter anderem auf Tour mit PRIMAL FEAR und RIOT V. Und dann war die Welt ja auch lahmgelegt durch Corona, also noch mehr Zeit, um an den neuen Songs zu feilen. Obendrein haben EXISTANCE unter dem Banner "Legends Never Die" einige Cover-Versionen von Songs ihrer Helden, zum Beispiel RIOT oder VAN HALEN, gezockt und sie auf ihren Kanälen in den sozialen Medien präsentiert. Schaut mal rein, wenn ihr die Gelegenheit habt, es lohnt sich.

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Nun ist die Zeit des Wartens aber vorbei, denn "Wolf Attack" steht in den Startlöchern, um die Community zu erobern. Und das ist nicht nur so dahingesagt, denn EXISTANCE haben mit ihrer neuen Scheibe einen echten Brecher in der Hinterhand. War schon der Vorgänger "Breaking The Rock" weit über dem Durchschnitt, fällt schon beim ersten Durchlauf von "Wolf Attack" auf, dass EXISTANCE sich in wirklich allen Bereichen nochmals gesteigert haben. Das fängt bei der Leistung von Julian Izard an, der seine eh schon tolle Stimme nochmals verbessert hat, setzt sich bei den Gitarristen Antoine Poiret und (ebenfalls) Julian Izard fort, dazu das nochmals verbesserte Songwriting und schlussendlich die Produktion, die - wie es neudeutsch so schön heißt - top-notch ist. Dabei liegt der Ursprung der Musik eindeutig im Heavy Metal zu seiner absoluten Hochzeit während der 80er, aber im Gegensatz zu den Kanadiern von SKULL FIST, mit denen EXISTANCE oft verglichen werden, gelingt es der Band dem Ganzen einen modernen Anstrich zu verpassen, also die Songs zeitgemäß klingen zu lassen, ohne die Wurzeln zu verleugnen. Wundert dann auch nicht, dass "Wolf Attack" von der ersten bis zur letzten gespielten Note zu 100% Metal as pure as fuck ist. Um einen Beleg für die erwähnte Leistungssteigerung von Julian Izard am Mikro zu bekommen, reicht schon der Opener 'Highgate Vampire', bei dem man das leicht keltisch angehauchte Intro gleich miteingearbeitet hat, bevor nach knapp einer Minute die Post abgeht und Izard mit Screams aufwartet, die ich von ihm so noch nicht gehört habe. Das ist Uptempo-Metal, fernab von mittelprächtigem Power Metal, so wie er sein sollte. Ebenfalls gleich mal beeindruckend, was beide Gitarristen hier schon bieten. Da sitzt im weiteren Verlauf jedes Lead, alle Harmonien, von den Soli ganz zu schweigen.

Das nachfolgende 'Deathbringer' ist eine echte Walze in bester ACCEPT-Manier geworden. Aber bei all der Power vergessen EXISTANCE niemals, wirklich hochmelodische Parts, sei es mal in den Strophen oder aber im Chorus, einzubauen, die vor allem auf und vor der Bühne prima funktionieren sollten. Stellvertretend sei hier das PRIEST-mäßige 'Power Of The Gods' genannt (unbedingt das tolle und nachdenklich machende Video am Ende anschauen). Doch nicht nur die im oberen Geschwindigkeitssektor verorteten Banger wissen zu überzeugen. Was EXISTANCE auf 'Rock'n Roll' machen, ist große Klasse. Die hymischen Songs von SAXON mit der Stadionkompatibilität der Hagar-VAN HALEN zu verbinden, hab' ich so auch noch nicht gehört. Auch wenn der Song eher simpel aufgebaut ist, wird er gerade dadurch zu einem ganz fiesen Ohrwurm den man so schnell nicht mehr los wird. Ihr braucht mehr Vergleiche? Bitteschön, könnt ihr haben. Wer nämlich der Meinung ist, man könne THIN LIZZY nicht mit DOKKEN (härtere Songs wohlgemerkt!) in einer schwermetallischen Version verbinden, den belehrt 'Jenny's Dreams' eines besseren. Zu überzeugen weiß ebenfalls 'Sniper Alley', bei dem vor allem Steve Harris mal genau hinhören sollte, denn solch einen Longtrack mit schnellem Mittelteil hat der Gute seit Jahren nicht mehr auf die Kette bekommen.

Bis hierhin also nur Höhepunkte. Aber wer glaubt, EXISTANCE gehe im letzten Drittel der Scheibe die Luft aus, der täuscht sich gewaltig. 'Preacher Of Insanity' dürfte der schnellste Song sein, den EXISTANCE bisher in ihrer Karriere eingetütet haben. Das, meine Damen und Herren, ist Speed Metal und eine Abrissbirne vor dem Herrn, bei der man wirklich Angst haben muss, dass die Boxen abrauchen. Und es wird noch besser! Beim Titelsong schaffen es die Franzosen, ACCEPT, SAXON und MAIDEN unter einen Hut zu bringen. Die Halbballade 'Tears Of Fire' mag auf den ersten Hör nicht so recht passen, aber ist zum einen konsequent, wenn man schon ein Album in bester Tradition der 80er abliefert, und zum anderen gibt gerade dieser Song Julian Izard nochmals die Möglichkeit, so richtig zu glänzen.

Bleibt noch ein Song, der für mich eine ganz besondere Bedeutung hat und - ich hab's versprochen - das letzte Mal ist, an dem ich EXISTANCE mit H-BOMB in Verbindung bringe. Wer, wenn nicht Julian Izard hätte das Recht, einen Song besagter H-BOMB zu covern? Dass die Band sich ausgerechnet für 'Gwendoline' entschieden hat, dafür ist ihnen mein ewiger Dank sicher. Denn genau dieser Song, den ich 1985 in Dauerrotation gehört habe, hat für mich immer noch einen extrem hohen Stellenwert und mit ihm verbinde ich einen unvergesslichen Sommer.

Ein paar kurze Worte noch zu den genannten Einflüssen anderer Acts, die es auf "Wolf Attack" in Hülle und Fülle gibt. EXISTANCE umschiffen die gefährliche Klippe der bloßen Abkupferei ganz elegant, weil sie schlicht und ergreifend, trotz aller Zitate, am Ende des Tages eigenständig genug klingen. Und wo wir schon beim "klingen" sind, sollte man noch erwähnen, dass "Wolf Attack" im Studio von François Merle (MANIGANCE) aufgenommen wurde und von keinem Geringeren als Jacob Hansen gemastert wurde, der einen tollen Job gemacht hat. Das Cover-Artwork kommt von Mario Lopez aus Guatemala. Da sämtlich A&R aus Deutschland mal wieder auf ihren Ohren zu sitzen scheinen, gibt es leider keinen Vertrieb in heimischen Gefilden. Ich empfehle deswegen einen Besuch im Shop der Band, wo "Wolf Attack" etwas später im Jahr auch als Doppel-Vinyl erhältlich erhältlich sein wird.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass "Wolf Attack" ein echter Killer von einem Album geworden ist, der nur ganz knapp an der Höchstnote vorbeischrammt. Warum? Weil damit noch Luft nach oben bleibt für die Zukunft. Sollten EXISTANCE nochmals einen weiteren Qualitätssprung wie den von "Breaking The Rock" zu "Wolf Attack" fertig bringen, brauchen wir uns ganz bestimmt keine Sorgen um die Zukunft des Metals zu machen.



Gesamtwertung: 9.5 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Highgate Vampire
02. Deathbringer
03. Power Of The Gods
04. Rock'n Roll
05. Jenny's Dreams
06. Sniper Alley
07. Preacher Of Insanity
08. You Gotta Rock It
09. Wolf Attack
10. Tears Of Fire
11. Gwendoline
Band Website: www.facebook.com/existanceband
Medium: CD, LP
Spieldauer: 53:39 Minuten
VÖ: 29.10.2021

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