Mambo Kurt - Weihnachten | |
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Review von Zephir vom 08.12.2014 (4037 mal gelesen) | |
Man nennt es "die sicherlich außergewöhnlichste Weihnachts-VÖ in diesem Jahr": Das jüngste Release von MAMBO KURT, Alleinunterhalter im biederen beigen Anzug an der alten Yamaha-Heimorgel. Man kennt ihn, den heimlichen Star von Wacken, der offstage Rainer Limpinsel heißt und in diesem Jahr seine Biographie mit Titel "Heimorgel To Hell" veröffentlicht hat (jawoll, so richtig als Buch, beim Piper Verlag). Und für diejenigen, die ihn noch nicht kennen: Eigentlich ist Herr Limpinsel promovierter Mediziner, dem die Aussicht auf ein Leben in allein chirurgischer Praxis dann doch zu dröge wurde. Während der 90er Jahre bespaßte er als MAMBO KURT diverse Bars, wurde 1997 von CLAWFINGER entdeckt und ging mit ihnen auf Tour. Ab 1999 zockte er dann regelmäßig vor großem TV-Publikum, zunächst in der Late-Night-Show Veronas Welt, später bei der SWR3 latenight. Klar, dass MAMBO KURTs nach buntem Plastik klingende E-Orgel und sein schräger Gesang die Meinungen des Publikums spalten. Für die einen ist er der master of the universe of trash, der vor allem mit ordentlich Promille im Blut so richtig Spaß macht. Für die anderen ist er schlichtweg unterträglich, zumal das Humoristische seiner Auftritte sich auf den sicht- und hörbaren Rahmen der parodistischen Songcover beschränkt und nichts, aber auch gar nichts in die Tiefe geht. Nun verwöhnt (oder quält) uns der Künstler mit einem unbesinnlichen Weihnachtsalbum, das den innovationspreisverdächtigen Namen "Weihnachten" trägt und eine Menge herrlich trashiger Coversongs bereithält: Heimische Tradition plärrt uns ebenso krumm und schief aus den Boxen an wie moderne Klassiker à la 'Do they know it's Christmas' von BAND AID und 'Last Christmas' von WHAM! (das schreit ja auch geradezu nach Verarsche). Und ja: Die Titel der gecoverten Songs sind ähnlich einfallslos, sodass MAMBO KURTs ewiggleiches Keyboard-Gedudel dem formal eigentlich absolut gerecht wird. Übrigens wird das Keyboard-Gedudel aufgepeppt durch Rastaman-Intros ('Oh Du Fröhliche') oder, hüstel, höchst lyrische, feminine Background-Choirs. Nicht einmal vor JOHN LENNONs 'Merry Christmas, War is Over' schreckt MAMBO KURT zurück, oder vor ROLF ZUCKOWSKIs 'In der Weihnachtsbäckerei', dessen Original meine Generation aus Kindertagen kennt ... öhm, unsereiner kennt nicht nur das originale Kinderlied, sondern auch die Sounds, mit denen es hier neu interpretiert wird: Die klingen stark nach Nintendo und den Super-Mario-Games der 90er, die man sehnlichst unterm Weihnachtsbaum zu finden gehofft hat. Seufz. Wollen wir an dieser Stelle nostalgisch werden? Nö. Die Interpretationen mit der Yamaha D-85-Electone-Heimorgel, die von Billig-Beats über Kindergarten-Piano bis Jahrmarkt-Blasmusik einfach alles aus den 300-Watt-Lautsprechern herausquetscht, was das auf Kerzenschein und Tannenduft gestimmte Herz garantiert nicht begehrt, sind einfach zu schräg. Vielleicht sollte das sozialphilosophisch ausgerichtete Auditorium, das schließlich auch nicht aus seiner Haut kann, das neue Weihnachts-Album als Spiegel betrachten, in dem sich der ganze Weihnachts-Schrott des kulturindustriellen Neoliberalismus ungefiltert reflektiert? Blödsinn. Im vorweihnachtlichen Kommerztrubel sollten sogar unverbesserliche Sinnsuchende eingestehen, dass Trash auch manchmal einfach nur Trash sein darf. Gerade dann, wenn einem das erzwungen Sentimentale, Auf-Knopfdruck-Besinnliche der dunklen Dezembertage zu viel wird, sollte man statt des heimeligen Adventskaffees vielleicht einmal Weihnachts-Kick-Off feiern und MAMBO KURT auflegen. Wer ihn nicht ertragen kann, muss eben mehr Feuerzangenbowle trinken. Gesamtwertung: 7.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. We Wish You A Merry Christmas 02. Oh Du Fröhliche 03. Do They Know It's Christmas 04. Feliz Navidad 05. Merry Xmas Everybody 06. Jingle Bells 07. Thank God It's Christmas 08. In Der Weihnachtsbäckerei 09. Mary's Boychild 10. Stille Nacht 11. Last Christmas 12. Santa Claus Is Coming To Town 13. Merry Christmas, War Is Over 14. Rudolph, The Red-Nosed Reindeer | Band Website: Medium: CD Spieldauer: 47:55 Minuten VÖ: 21.11.2014 |
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