Shout It Out Loud 2012

Take off: 10.03.2012 - Review (12507 mal gelesen)
Glam, Sleaze und allgemein der gerne abfällig als Hair Metal bezeichnete Musikstil sind heutzutage nicht mehr das, was sie in den - man darf das durchaus so schreiben - goldenen 80ern einmal waren. Einstmals omnipräsent, ebenso teils Highlight wie mitunter auch Niedergang einer großartigen Epoche, verschwanden bizarre Frisuren, grandioses Make-Up, große Hymnen und eine ebenso fröhlich-unbeschwert-oberflächliche Einstellung zu den kleinen wie großen Freuden des Lebens aus den Stadien der Welt auf das Abstellgleis der Musikgeschichte. Nach einer langen Dürreperiode und ebenso vehementen wie erfolgreichen Wiederbelebungsversuchen v.a. aus Skandinavien kann man mittlerweile sagen: Sleaze und Glam sind nicht tot. Zahlreiche Bands, so sie denn den Overkill an Sex, Drugs & Rock 'n' Roll überlebt haben, sind wieder da und junges, frisches Gemüse sprießt allerorten aus dem Boden, als sei um die Ecke ein neues AKW gebaut worden. Schluss mit griesgrämigem Protest, unqualifizierter Opposition und Dauerdepression, auch in schlechten Zeiten hat eine grundsätzlich positive Einstellung noch den wenigsten Leuten ernsthaft geschadet. Es ist schließlich keine Schande, sich auch mal gut zu fühlen!

Es war jedenfalls nur eine Frage der Zeit, bis auch zur guten alten Zeit der musikalischen Dünnbrettbohrer und Nagelspezialisten die ersten Sparten-Festivals auftauchen würden. Abseits von z.B. Rocklahoma oder M3 in den USA ist es umso bemerkenswerter, dass auch Deutschland (welches nicht gerade ein Mutterland des Sleaze Rocks ist) mittlerweile ein wunderbares Sparten-Festival sein eigen nennen darf. Im Juni 2011 gab es die erste Auflage des "Shout It Out Loud"-Festivals, welches mit CINDERELLA einen fantastischen, lange nicht live gesehenen Headliner präsentieren konnte. Bereits am gleichen Tag stand zum Glück bereits fest, dass das Festival keine Eintagsfliege sein sollte und die zweite Auflage wurde schon für März 2012 angekündigt. Zahlreiche Gerüchte und Absagen später hat man es fertiggebracht, wieder ein tolles Programm auf die Beine zu stellen und Bands zu präsentieren, die man weiß Gott nicht an jeder Ecke sehen kann. Ist das nicht insbesondere in Zeiten des alljährlichen Festivaleinheitsbreis einfach nur erfrischend?

Merchandise-technisch wurden die Besucher mit einem im Vergleich zur ersten Auflage des Festivals leicht vergrößerten Bereich empfangen. Auch wenn hier natürlich nicht die Dimensionen einer Metalbörse oder eines großen Outdoor-Festivals erreicht wurden, das Angebot war doch sehr respektabel und gerade bei den CDs warteten zahlreiche Raritäten nur darauf, endlich einen neuen Besitzer zu finden. Ein bisschen Stöbern lohnte sich auf alle Fälle und nach allem, was man so im Lauf der Zeit sehen konnte, fand das Angebot reichen Anklang. Essens-technisch gab es mehr als beim letzten Mal und das zu fairen Preisen. Auch diesmal war leider (wohl aus Lärmgründen) ein ungehindertes Kommen und Gehen aus der Halle nach Einlass leider nicht möglich. Getränke und Essen gab es wieder gegen Bons. Grundsätzlich ist das ein begrüßenswertes System, erleichtert es doch die Kassenabwicklung bei der Bestellung schon deutlich. Was jedoch noch verbesserungswürdig ist, bleibt weiterhin das Pfandsystem. Es ist leider einfach unpraktisch, wenn bei einem 10 Euro-Bon nicht vier Bier zu je 2,50 Euro drin sind, weil 50 Cent Pfand pro Becher anfallen. Hier sollte sich der Veranstalter noch eine verbesserte Lösung einfallen lassen. Aber im Großen und Ganzen musste der Besucher schon feststellen, dass sich im Vergleich zur ersten Auflage des Festivals doch einiges getan hatte und Kritik durchaus an vielen Stellen angekommen war.

THE BLACKEST WHITE

Den Anfang machen durften diesmal nicht die bereits vom letzten Mal bekannten HOLLYWOOD BURNOUTS. Stattdessen gab es ein paar Newcomer in Gestalt von THE BLACKEST WHITE. Leider gab es bei der Anreise vor Mülheim ein paar hässliche Stauprobleme, was nicht nur mir den Genuss des Gigs verwehrte Auch wenn die Jungs nur den ersten Slot spielen konnten, liessen sich davon aber nach Augenzeugenberichten nicht aus der Ruhe bringen und sorgten für eine ordentliche Kulisse, während nach und nach die Fans eintrudelten. Aufgrund des ordentlich vollen Programms - obwohl die Schweden von CRASHDIET leider aufgrund einer Rücken-OP von Bassist Peter London kurzfristig absagen mussten - fing das Festival diesmal schon um 12.30 Uhr an. Der Stimmung tat das an sich keinen Abbruch. Gut gelaunt zockte man sich durch den Eröffnungsslot und zeigte dabei durchaus Qualitäten.

STALA & SO.

Weiter ging es mit finnischem Glam Rock. Dabei sind STALA & SO. an sich keine Unbekannten, denn neben einer Teilnahme am finnischen Eurovision Vorentscheid haben sie vor allem einen prominenten Frontmann. Dabei handelt es sich um niemand geringeren als den ehemals als KITA bekannten Drummer von LORDI. Der legte sich wegen seiner Zweitband und der dabei zwangsläufig nicht vorhandenen Maskierung sogar so mit Bandchef MR. LORDI an, dass er die Grand Prix-Siegerband von 2006 verlassen musste. Gespielt wird ein angenehmer, mal härterer, mal weicherer Glam Rock im weiteren Sinne, der stets auf hübsche Melodien bedacht ist. Dem anwesenden Publikum gefiel's jedenfalls schon mal sehr gut und das Debütalbum sei an dieser Stelle auch ausdrücklich einmal ans Herz gelegt. Sehr fanfreundlich auch, dass die Band nach dem Gig bis zum Ende des Festivals für die Fans mit Merchandise zu fairen Preisen, Autogrammen und für Fotos bereitwillig zur Verfügung stand und sich nicht in den Backstage-Bereich verkroch.

HOLLYWOOD BURNOUTS

Die Band konnte sich schon bei der Premiere des Festivals gut positionieren, als sie gleich für den zweiten Akt verpflichtet wurde. Dieses Mal war man im Line-Up auch gleich ein paar Plätze nach oben gerutscht. Die Augsburger Band hat nicht ohne Grund fleißig getourt seit der Gründung 2008. Live ging es daher auch diesmal entsprechend zur Sache, wobei die Band im Vergleich zu den skandinavischen Kollegen eher einen polierteren Sound im Stile der 80er an den Tag legte. Solide, keine Frage - die HOLLYWOOD BURNOUTS gefielen auch diesmal dem Mülheimer Publikum.

SISTER

Weiter ging es mit SISTER aus Schweden. Abgesehen vom deutlich weniger Hairmetal-haften Auftreten trotz des eher schockhaften Make-Ups ging es jetzt damit auch musikalisch deutlich mehr in Richtung härteren und leicht räudigen Sleaze Rocks mit durchaus dem ein oder anderen Metalanteil. Sänger Jamie lieferte eine tolle Bühnenshow und SISTER zeigten insgesamt eindrucksvoll, dass das tolle Debütalbum "Hated" sicherlich keine Eintagsfliege bleiben wird. Von den Schweden dürfte man noch einiges zu hören und sehen bekommen - und das völlig zurecht. Beim "Shout It Out Loud" zeigten die Jungs sich von der besten Seite und lieferten eine sehr souveräne Performance ab.

VANDERBUYST

Eine hübsche traditionelle Abwechslung gab es hiernach in Gestalt von VANDERBUYST aus den Niederlanden. Die drei Jungs können schon auf zwei Alben voll mit klassischem Heavy Metal bis Hard Rock zurückblicken. Mit Anleihen an z.B. RAINBOW, THIN LIZZY oder die MICHAEL SCHENKER GROUP, die der Band gerne schon nachgesagt wurden, kann man sich ungefähr vorstellen, dass hier mehr althergebrachte Tugenden angesagt waren. Das war allerdings grade als Sorbet zum Abkühlen zwischen den übrigen Bands genau richtig und so kam insbesondere die ausgefeilte Saitenarbeit von Willem Verbuyst gut an. Eine gute Wahl, die ein ohnehin abwechslungsreiches Billing nur positiv bereicherte!

TUFF/SHAMELESS

Nach dieser feinen Erfrischung ging es dafür wieder in ganz andere ältere Gefilde. Es war nämlich Zeit für TUFF bzw. SHAMELESS. Die Unterscheidung fällt schwer, denn einerseits war da natürlich Urgestein Stevie Rachelle, der klassische TUFF-Frontmann, der sich in einer physisch wie gesanglichen Topform präsentierte. Wer den Mann nicht kennt, sollte das schleunigst nachholen. Abgesehen davon, dass TUFF nicht ohne Grund eine gewisse Stellung in der Szene einnehmen, wer sich ernsthaft für Sleaze und Hairmetal interessiert, kommt z.B. an der wunderbaren Seite Sleaze-Metal.com nicht vorbei, die u.a. eben von Stevie Rachelle betrieben wird. Zudem ist der gute Mann auch noch mit diversem Hairmetal-Merchandise am Start, welches er weltweit zu günstigen Konditionen verkauft und auch etliches an Raritäten für Kenner im Angebot hat. Aktuell ist Mr. Rachelle mit TUFF zudem wieder musikalisch "richtig" aktiv, denn der Klassiker "What Comes Around Goes Around" hat einen aktuellen Nachfolger bekommen. "What Comes Around Goes Around Again" enthält dabei vier Neuaufnahmen von Tracks des Klassikers und neue Songs. Die Backing Band besteht für TUFF im Grunde aus nichts anderem als SHAMELESS. Der musikalisch gewordene Lebenstraum von Alexx Michael spielt sozusagen gleichzeitig, denn zufälligerweise ist Stevie Rachelle neben dem heute nicht anwesenden Steve "Sex" Summers (der absoluten Glam-Ikone der amerikanischen PRETTY BOY FLOYD) ja auch überwiegend bei SHAMELESS am Mikrofon. SHAMELESS haben auch eine neue Veröffentlichung am Start, die sich "Dial S For Sex" nennt. Insgesamt gibt es also eine bunte Mischung von TUFF-Klassikern und SHAMELESS-Stoff. Auch wenn mir TUFF deutlich besser gefällt, der Spirit von SHAMELESS ist unverkennbar und respektabel, und zu den besten Zeiten kann Alexx aus München auch durchaus ordentliche Songs unters Volk hauen, die sich nicht zu verstecken brauchen. Musikalisch gab es jedenfalls beim Gig nichts auszusetzen, auch wenn der Dreh- und Angelpunkt der Show eben der hervorragend aufgelegte und gelaunte Sympathiebolzen Stevie Rachelle war. TUFF bzw. SHAMELESS sind live jedenfalls auch 2012 bestens dabei.

VAIN

Bevor es jetzt nochmals richtig in die Trickkiste ging, durfte ein weiterer Fanfavorit auf die Bühne. Davey Vain war nämlich mit seiner Band VAIN angesagt. Der Amerikaner konnte ende der 80er vielbeachtete Alben hinlegen und zeigte sich mit dem letztes Jahr veröffentlichten Comeback-Album "Enough Rope" in einer wirklich unerwartet bestechenden Form. Sei's drum, dass Mr. Vain aus welchen Gründen auch immer meinte, barfuß auftreten zu müssen, der Gig als solcher war einfach klasse. Gesanglich konnte die Zeit dem Maestro offenbar wenig anhaben und mit dem guten Songmaterial im Rücken sowie viel Motivation konnte wenig schiefgehen. Das Publikum war daher entsprechend begeistert und feierte VAIN ordentlich ab. Eine satte Mischung alter und neuer Songs begeisterte jedenfalls völlig zurecht.

DANGEROUS TOYS

Die gefährlichen Spielsachen... bei diesem Namen könnte man wenig erwarten oder etwas gänzlich Flacheres als das, was die Band um Jason McMaster letztlich ausmacht und auf der Bühne präsentiert. Für mein persönliches Empfinden (und das schreibe ich, obwohl HARDCORE SUPERSTAR an sich meine zweitliebste Band überhaupt sind) waren DANGEROUS TOYS die gefühlten Headliner und einer der ganz großen Gründe, warum das "Shout It Out Loud II" keinesfalls zu verpassen war. Immerhin war der Gig hier der erste seit 20 Jahren und allgemein ist die Band, die mit dem selbstbetitelten Debütalbum und "Hellacious Acres" zwei vielbeachtete Alben auf dem Kerbholz hat. Später ging es - nomen est omen - mit "Pissed" deutlich angepisster zur Sache, bevor die Band in einen Schlaf verfiel, aus dem sie nur für gelegentliche Shows erwacht. Derartige Shows können nach meiner Erfahrung an sich nur in zwei Richtungen losgehen: entweder wird die Legende im eigenen Kopf optisch wie musikalisch zerstört oder man bekommt den Kopf einfach nur so richtig schön weggepustet. Zum Glück haben DANGEROUS TOYS zwar optisch teils (bis auf Fronter McMaster) schon ein bisschen Patina angesetzt, aber musikalisch keinesfalls irgendwas verlernt. Stattdessen fegten die Texaner durch ein furioses Set aus den ersten drei Alben, bei dem keine Wünsche mehr offen blieben. Stimmlich ausgezeichnet, top eingespielt und mit tollem Songmaterial von Anfang bis Ende - was will man da noch mehr? Für mich ganz klar die größten Gewinner des Tages, denn in der Form sollte man DANGEROUS TOYS echt öfter zu Gesicht bekommen!

HARDCORE SUPERSTAR

Auf HARDCORE SUPERSTAR ist und bleibt Verlass, so viel kann man schon gleich als Resümee festhalten. Jocke Berg ist und bleibt eine absolute Rampensau und musikalisch kann bei den Schweden sowieso fast nichts anbrennen. Mit Volldampf startete du Band daher in ihr Set und haute gleich drei absolute Gassenhauer unters immer noch zahlreich vorhandene Publikum der RWE-Halle. Die von manchen sicherlich angezweifelte Entscheidung, lieber die neuere Band den Headliner machen zu lassen als eine eher als Insider-Perle zu bezeichnende Band wie DANGEROUS TOYS, war goldrichtig. So gut die Texaner auch waren, nach HARDCORE SUPERSTAR kann man live kaum noch einen Blumentopf gewinnen, wie zuletzt z.B. THE 69 EYES auf der gemeinsamen Co-Headliner-Tour 2011 feststellen mussten. So war das Publikum also in der Lage, Songs wie 'Dreamin' In A Casket', 'Wild Boys' oder natürlich den absoluten Überhit 'We Don't Celebrate Sundays' gebührend zu genießen und zu bejubeln. Mit immerhin 15 Jahren Bandgeschichte und einer mittlerweile eindrucksvollen Serie sehr starker Alben im Rücken können die schwedischen Street Metal-Helden auf ein breites und hochwertiges Repertoire von Krachern zurückgreifen. Leider bringt das bei aller Liebe zur Band anno 2012 einen kleinen, aber nicht unbeachtlichen Nachteil mit sich. Die Anzahl von nahezu zwingenden Songs ist nunmehr so stark angewachsen, dass die Set List immer weniger Raum für Überraschungen bietet. So gibt es zwar Hit an Hit, aber - insbesondere, wenn man einige Shows der aktuellen Tour gesehen hat - die Spontaneität bleibt doch ziemlich auf der Strecke. Stattdessen bewegen sie Jungs sich langsam (gönnen wir ihnen trotz allem dieses Zeichen von wachsender Größe) und stetig in den Bereich größerer Bands, die eben ein starres Gerüst an Songs und damit verbundenen Mätzchen und Showeinlagen vorweisen... oder es fast müssen. Der Mitsingpart mit Unmengen (vor allem weiblicher) Fans auf der Bühne bei 'Last Call For Alcohol' ist mittlerweile offenbar ebenso obligatorisch geworden wie z.B. die verständliche, allerdings immer noch nervige Unsitte, ' We Don't Celebrate Sundays' fast komplett vom Publikum gröhlen zu lassen. Jocke, Du könntest das doch so viel besser alleine singen! Nichtsdestotrotz, HARDCORE SUPERSTAR boten eine tolle, wenn auch vorhersehbare und relativ geskriptete Show. Qualitätsarbeit, keine Frage, aber ich persönlich freue mich bei allem Spaß doch schon sehr auf das nächste Album und eine hoffentlich dann wieder deutlich überarbeitete Set List.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das "Shout It Out Loud" bei der zweiten Auflage ein tolles, abwechslungsreiches Billing hatte, an Fehlern der ersten Version konsequent gearbeitet wurde und insgesamt wieder ein tolles Festival war, dem man nur eine solide und wachsende Zukunft wünschen kann. Die dritte Auflage ist nahezu Pflicht (neben BANG TANGO sind z.B. CRAZY LIXX wieder dabei, TIGERTAILZ sollen auch dabei sein - und man spricht durchaus davon, dass DOKKEN kommen könnten) und es bleibt nur zu hoffen, dass sich immer mehr Fans einfinden, um wirklich tolle Bands präsentiert zu bekommen, die man an sich nie zu sehen bekommt. Let The Good Times Roll!
Billing
HARDCORE SUPERSTAR - DANGEROUS TOYS - VAIN - CRASHDIET - TUFF/SHAMELESS - SISTER - VANDERBUYST - HOLLYWOOD BURNOUTS - STALA & Co. - THE BLACKEST WHITE

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