Interview mit Nico von Eraserhead

Ein Interview von Eddieson vom 03.10.2016 (14867 mal gelesen)
Mit "Remnants Of Decadence" haben die Limburger Jungs von ERASERHEAD ein beachtliches Debüt vorgestellt. Gitarrist Nico stand Rede und Antwort, erzählte mir etwas worum es bei ERASERHEAD geht, wie man als "kleine" Band im Meer von Releases und anderen Bands überleben kann, und noch einiges mehr.

Hallo Nico! Vielen Dank, dass du dir kurz Zeit nimmst. Wie geht es dir?

Nico: Grüß Dich! Vielen Dank der Nachfrage. Mir und den anderen Jungs von ERASERHEAD geht's blendend. Alle stressigen Vorbereitungen für den Release unseres Albums sind erledigt und wir dürfen seit vergangenem Freitag offiziell das Endprodukt in Händen halten. Darauf haben wir hingearbeitet und es fühlt sich verdammt gut an.

Es mag ja Leute geben, die dich und deine Band noch nicht kennen. Stell dich doch mal bitte unseren Lesern vor.

Nico: Wir sind ERASERHEAD aus dem Raum Mittelhessen mit Proberaum in Wetzlar. Wir spielen Death Metal mit vielerlei Einflüssen aus anderen Bereichen des extremen Metals, seien es eher schwarzmetallische Ausbrüche oder auch mal thrashiges Riffing. Wir orientieren uns mit unserer Musik an "den alten Größen des Death Metals" und sind somit eher dem Old-School-Bereich des Genres zuzuordnen. Wir spielen in Viererbesetzung mit Sänger und Bassist Chris Kiefer, Lead-Gitarrist Philipp Helm, Drummer Jonas Schütz und meiner Wenigkeit als Rhythmus-Gitarrero und Backing-Schreihals.

Wie ist die Band ERASERHEAD damals entstanden?

Nico: Das ist auf meinen Mist gewachsen. Nachdem ich einige Zeit lang Gitarre gespielt hatte, habe ich beschlossen, dass es Zeit ist die komponierten Songs (wenn man sie damals überhaupt schon so nennen konnte) via Homerecording aufzunehmen und anderen Leuten zugänglich zu machen. Unser erster Bassist Daniel Eger und ich haben den Kram damals zu zweit geschrieben und mit Drumcomputer daheim aufgenommen. Mittels dieser Aufnahmen haben wir uns dann auf die Suche nach weiteren Bandmitgliedern gemacht und relativ schnell unseren Drummer Matthias Hoffmann, sowie unseren ersten Sänger Steve Schmidt gefunden. Das war eigentlich so der Startschuss, dass man wirklich von einer Band reden konnte. Kurze Zeit später kam dann unser zweiter Gitarrero Phil mit an Bord und es wurden die ersten Gigs gespielt. Nach einiger Zeit gab es dann einen Wechsel am Gesangsposten und Marco Reitz kam in die Band, was uns nochmal einen richtigen Auftrieb verschafft hat. In der Besetzung haben wir viele Songs geschrieben und Konzerte gespielt und 2012 bspw. auch eine EP namens „Aviditas Humani“ herausgebracht. Kurz nach Erscheinen der EP kam dann Chris als neuer Basser hinzu. Mitte letzten Jahres haben sich Matze und Marco dann entschieden die Band zu verlassen. Wir haben relativ schnell mit Jonas einen neuen Schlagzeuger gefunden und Chris übernimmt seitdem zusätzlich den Gesangsposten. In dieser Viererbesetzung spielen wir seitdem zusammen und hoffen, dass das auch noch lange so bleiben wird.

Vor kurzem habt ihr euer Debüt "Remnants Of Decadence" veröffentlicht. Wie sind die ersten Reaktionen darauf?

Nico: Ja, unser Album "Remnants of Decadence" kam vergangenen Freitag endlich auf den Markt. Bislang sind nahezu alle Reaktionen und Reviews sehr, sehr positiv. Es gab ein Review mit einer mittelmäßigen Bewertung, wobei man sich aber beim Lesen gefragt hatte, ob dort überhaupt unsere CD gehört wurde, da das Geschriebene nicht so ganz übereingestimmt hat. Allgemein wurde das Album sehr positiv aufgenommen, wir sind bislang sehr glücklich damit und gespannt auf weitere Reviews, die jetzt nach Release nach und nach bei uns reinflattern.

Wie zufrieden seid ihr mit dem Endergebnis eures Debüts?

Nico: Auch hier sind wir allgemein sehr zufrieden. Natürlich gibt es immer den ein oder anderen Dreher, den man im Studio noch gerne getätigt hätte, aber irgendwann muss man eben auch mal den Cut machen. Übergreifend denke ich, dass wir ein schönes Paket aus abwechslungsreichen Songs, einem überragenden Artwork und gutem Sound auf die Beine gestellt haben. imgleft

Die Band wurde 2008 gegründet. Bis zum Debüt hat es also 8 Jahre gebraucht. Was hat euch aufgehalten?

Nico: Also erst einmal ticken die Uhren bei einer Hobbyband natürlich langsamer, da man nicht auf irgendwelche Zeitpunkte hinarbeiten muss. Der viel größere Grund ist aber in den oben aufgeführten Besetzungswechseln zu suchen. Durch die vielen Wechsel musste immer wieder Zeit aufgewendet werden, sich aufeinander einzuspielen um auch livetauglich zu sein etc. In der neuen Konstellation hatten wir dann die Chance ergriffen und von Anfang an auf die Aufnahme hingearbeitet. Diese fokussierte Arbeitsweise werden wir zudem beibehalten und sind bspw. auch schon mit neuen Songs für ein zweites Album beschäftigt.

Ihr hattet ja schon mit einigen Besetzungswechsel zu kämpfen. Stammen die Songs auf "Remnants Of Decadence" aus der aktuellen Besetzung oder haben noch früher Mitglieder an den Songs gebastelt?

Nico: Ein Großteil der zehn Songs, sechs an der Zahl, stammt aus unserer vorherigen Besetzung mit Matze und Marco. Unter anderem haben wir auch nochmal zwei Songs unserer EP von 2012 überarbeitet und ebenfalls für das Album neu aufgenommen, da die Songs uns zum einen wichtig waren und zum anderen gut in den Spielfluss gepasst haben. Ein Song stammt sogar aus den ganz frühen Anfangstagen der Band. Die aktuellsten drei Songs, unter anderem der Titeltrack "Limburgian Decadence", sind komplett neu in unserer aktuellen Besetzung entstanden. Insgesamt haben wir dadurch einen schönen Querschnitt über einen langen Zeitraum der Band, was für ein Debütalbum ja nicht verkehrt ist.

Ihr behandelt ja nicht unbedingt Death-Metal-typische Themen in euren Texten, wenn ich da z. B. an 'Unintentional' denke, in dem Song geht es um den Bau und Fall der Berliner Mauer. Um was geht es sonst noch in euren Texten und wovon lasst ihr euch da beeinflussen?

Nico: Alle Texte auf dem Album hat unser Sänger Chris geschrieben. Wir haben großen Wert darauf gelegt, unsere Songs mit für uns interessanten Themen zu füllen. So behandeln wir in 'Collection Of Scalps' die Indianervertreibung in Nordamerika oder die Teilung Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg in 'Unintentional'. Chris ist immer sehr fokussiert darauf eine Geschichte in den Songs zu erzählen. So handelt 'Digital Absorption' bspw. von jemanden der von seiner Umwelt nichts mehr mitbekommt, weil er nur noch auf sein Smartphone starrt (Stichwort Smartphone Zombies = "Smombies"). 'Manifesting Of The One And Manifold' behandelt die Entdeckung und Entstehung der Atombombe und 'On Death Row' die Gedanken eines zum Tode Verurteilten im Todestrakt. Allgemein wollten wir von klischeebeladenen Splatter- und Goretexten Abstand nehmen, da uns das Erzählen von aussagekräftigen Geschichten irgendwie interessanter erscheint. Was nicht heißen soll, dass nicht irgendwann mal wieder vereinzelt die Kettensäge und der Fleischerhaken ausgepackt werden.

Ein besonderes Schmankerl der neuen Platte ist das Cover. Gibt es eine Geschichte dazu?

Nico: Jepp, natürlich gibt es die. Das Cover, der Albumtitel und der Titeltrack 'Limburgian Decadence' beruhen auf dem Fall "Tebartz van Elst". Wir haben lange Zeit in Limburg an der Lahn geprobt und dort befand sich von 2008 bis 2014 Herr Franz-Peter Tebartz-van Elst , in Medien "der Protzbischof" genannt, im Amt des Bischofs. 2013 kam er ja europaweit in die Medien, da er für letztendlich über 30 Millionen Euro den Limburger Bischofssitz hat umbauen lassen und bis zum Ende keine Reue bzgl. der nicht zu erklärenden Ausgaben gezeigt hat. Für uns war diese Person der Inbegriff der Verlogenheit, für die die katholische Kirche seit jeher kritisiert wird (Stichwort: Wasser predigen und Wein saufen). Ein Teil der Berichterstattung bezog sich immer wieder auf die Badewanne, die er für 16.000 Euro hat anschaffen lassen. Diese bildet zusammen mit ihm selbst auch den Kern unseres Covers. Das umgedrehte Kreuz wird ja seit jeher sinnbildlich für die Abkehr der christlichen Werte benutzt, ein Symbol, welches perfekt auf den "netten" Herrn passt. Der Titel "Remnants Of Decadence" spielt mit der Tatsache, dass der Bischofssitz in Limburg mittlerweile verwaist ist und die katholische Kirche nicht weiß, was sie mit diesem Prunksitz anfangen soll. Das Cover hat der grandiose südamerikanische Künstler Mario Lopez gemalt. Auf Mario Lopez sind wir aufmerksam geworden, da dieser bereits großartige Cover für EVIL INVADERS oder SKELETAL REMAINS gezeichnet hat. Uns war es wichtig, eine geile Verpackung für unser Album zu haben, von daher war Mario der richtige Mann für uns! Der Song 'Limburgian Decadence' ist somit auch der Titelsong.

Gibt es einen Hauptsongwriter bei euch oder entstehen die Songs mit kompletter Mannschaft im Proberaum?

Nico: In unserer vorherigen Besetzung mit Matze und Marco war es so, dass meist einer der Gitarristen mit Rifffragmenten ankam und die Songs dann gemeinsam mit allen im Proberaum ausgearbeitet wurden. Mittlerweile sind wir in der neuen Besetzung dazu übergegangen ganze Songs zu einem Großteil zuhause auszukomponieren und dann nur noch den Feinschliff im Proberaum gemeinsam zu tätigen, wobei jeder von uns vieren neue Songs anbringt. Das ist eine sehr komfortable Vorgehensweise und beschleunigt die Entstehung neuer Songs ungemein. imgright

Als "kleine" Band wird es einem ja mittlerweile nicht unbedingt leicht gemacht. Man muss sich schon etwas Besonderes einfallen lassen, um auf sich aufmerksam zu machen. Wie siehst du das? Wie ist die Unterstützung von jungen Bands innerhalb der Metal-Szene?

Nico: Der Markt ist mittlerweile wirklich richtig übersättigt, ich denke dass sich auf Dauer nur Qualität durchsetzen wird. So richtig angefangen hat diese Übersättigung mit dem Trend zum Homerecording. Dahingehend ist natürlich nicht alles Gold was glänzt. Wir haben dennoch eine sehr vitale Underground-Metalszene in Deutschland und können Stolz auf viele Bands sein, die sich da tummeln. Um auf deine Frage zu antworten: Allgemein erfahren wir natürlich schon großartige Unterstützung, haben allerdings auch schon am manchen Abenden vor sehr wenigen Leuten spielen dürfen, da am gleichen Abend im Umkreis von zehn Kilometern viele verschiedene Veranstaltungen stattfanden. Ich denke, das wird sich im Laufe der Zeit etwas gesundschrumpfen.

Ihr seid ja bei Bret Hard Records untergekommen. Wie kam die Zusammenarbeit zustande?

Nico: Wir hatten Ende letzten Jahres eine Demo mit zwei neuen Songs aufgenommen. Einerseits um das Studio zu testen und andererseits um Material in der Hand zu haben, mit dem man sich bei Plattenfirmen bewerben konnte. Mit dieser Demo haben wir dann unsere Wunsch-Label angeschrieben. Bret Hard Records hatten sich relativ schnell darauf zurückgemeldet, fanden das Demo geil und haben uns auch das beste Angebot hinsichtlich Veröffentlichung, Promotion etc. gemacht. Wir sind sehr froh ein Teil dieses aufstrebenden Labels zu sein und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit.

Was sind eure nächsten Pläne für ERASERHEAD?

Nico: Erst einmal möchten wir in nächster Zeit ausgiebig unser Album promoten und dazu so oft wie möglich LIVE spielen. Wir haben dieses Jahr noch eine stattliche Anzahl an Gigs und planen bereits weitere Einzelgigs und Festivals für kommendes Jahr. Des Weiteren sind wir bereits wieder fleißig dabei neue Songs zu schreiben, damit ein zweites Album keine weiteren acht Jahre auf sich warten lässt.

Nico, vielen Dank für deine Zeit und die Beantwortung meiner Fragen. Ich wünsche euch für Band und Album viel Erfolg. Die letzten Worte gehören dir!

Nico: Wir haben Dir zu danken! Wir hoffen, einige Leute bei unseren nächsten Gigs vor der Bühne sehen zu dürfen! Wir haben so eine geile Underground-Metalszene hier in Deutschland, dass ich jedem nur raten kann lokale Konzerte zu besuchen! Unterstützt eure lokalen Bands und wenn's euch LIVE gefallen hat, kauft euch die Musik! Wir sehen uns vor der Bühne!

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