Interview mit Alexandra, Massimo, Lars von The Flaw

Ein Interview von Opa Steve vom 01.06.2008 (7038 mal gelesen)
Nach kleinen technischen Problemen drängelte sich 3/4 der Band um ein Telefon und stellte sich den Fragen von Opa Steve. Dabei ging es vor allem um die Tatsache, dass female-fronted Gothic Metal auch mal anders klingen darf.

  Hallo zusammen! Meine erste Reaktion beim Erhalt des Albums war: 'Schon wieder Gothic Metal mit einer Frau an der Front'. Fand ich eigentlich langweilig. Beim Anhören dachte ich aber dann: 'Wow, cool!'. Gab es schon öfter solche Reaktionen?

Alexandra:   Ja, das ist irgendwie ganz seltsam, dass man sofort in so eine Schublade gesteckt wird. Und beim Anhören kommt dann das Aha-Erlebnis. Das Problem ist nur, dass manche sich gar nicht erst die Mühe machen, das Album erst einmal anzuhören.

Lars:   Praktisch in allen Rezensionen wurde am Anfang geschrieben, dass man zuerst den 1000x gehabten Gothic-Metal mit female voices erwartete. Sie müssen es aber hören, weil sie ja ein Review schreiben müssen, und dann kommt immer 'Au! Ist ja doch ein ganz anderer Gesang!'.

Massimo:   Besonders von Leuten aus der True Metal Ecke haben wir oft gehört, dass sie vor allem überrascht sind.

  Kann man weibliche Vocals gerade in diesem Bereich eigentlich noch aus Kalkül heraus einsetzen, oder ist es eher schon ein Hindernis geworden?

Lars:   Es ist auf jeden Fall schwierig. Die Bands, die damit angefangen haben, haben es sehr schnell nach oben geschafft. Aber für eine Band wie uns, die auch eine Frau am Mikro stehen hat, die aber in einem ganz anderen Stil singt, ist es auf jeden Fall schwierig, die irgendwie durchzuboxen. Weil alle sagen 'Neee, Metal mit female Voices, hab ich kein Bock drauf, gibt's schon zu viel von.'.

Massimo:   Mir kommt das auch manchmal vor wie eine Vermarktungsstrategie. Man überlegt, eine Frau vorn hinzustellen, denn das würde sich schon verkaufen. Das ist bei uns nicht so. Bei uns wird die Musik um den Gesang herum gebaut und nicht umgekehrt. Der Gesang ist nicht austauschbar.

  Der Gesang ist in der Tat ein großes Markenzeichen bei euch. Alexandra, hast du eine besondere Gesangsausbildung genossen?

Alexandra:   Das hat sich eher selbst entwickelt. Ich hatte vor Kurzem mal ganze 10 Stunden klassischen Gesangsunterricht, aber das war nicht so mein Ding. Ich habe mit 12 Jahren angefangen zu singen, und seitdem habe ich das einfach so entwickelt, so wie es halt kam. Ich habe mich auch nicht groß an jemand orientiert.

  Mir ist aufgefallen, dass der Gesang starke Einflüsse auch aus dem 90er-Jahre-Gothic oder auch Electro-Goth hat. Liege ich da richtig, oder ist das Zufall?

Alexandra:   Also was mich betrifft würde ich schon sagen, dass es Zufall ist. Es gibt natürlich Sängerinnen, die ich sehr gut finde. Z.B. TORI AMOS. Aber es ist nicht so, dass ich mich daran orientiert hätte, sondern die habe ich erst später kennengelernt. Ich versuche halt, möglichst viele Emotionen in den Gesang reinzupacken. Das finde ich persönlich ansprechend. Es gibt aber keine besonderen Pläne wo ich versuchte, wie Sänger XY zu klingen.

  Wo liegen denn eure sonstigen musikalischen Einflüsse?

Massimo:   Ich höre ganz viel und habe einen breiten Geschmack. Wo viel harte Gitarren dabei sind - ich stehe z.B. total auf RAMMSTEIN .... dann z.B. PARADISE LOST... halt eine Metal-Gitarre, geiler Gesang dazu... MOONSPELL ist auch eine hervorragende Band.

Lars:   Bei mir ist es quasi die Schweden-Fraktion. IN FLAMES, KATATONIA, OPETH... die etwas härtere Schiene.

Alexandra:   Ja, und ich habe auch einen etwas breiter gefächerten Musikgeschmack. Alles, was ein bisschen melancholisch ist, aber auch Richtung Punk. Meine besondere Lieblingsband ist eigentlich PORTISHEAD.

  Ihr habt ab und zu auch zweistimmigen Gesang dabei, auch mit einer männlichen Stimme. Wollt ihr das noch weiter ausbauen?

Massimo:   Der Fokus ist ganz klar auf der weiblichen Stimme. Wir haben auf der ersten EP "Burning Skies" ein bisschen Background-Gesang von mir, auch auf "Different Kinds Of Truth" ist es so, dass zwei Stücke mit männlichem Gesang unterstützt werden. Dieser wird aber nie so ausgebaut werden, dass er einen großen Part bekommt wie bei LACUNA COIL oder THEATER OF TRAGEDY.

  Ihr seid ja noch eine recht junge Band. Wie war denn euer Werdegang?

Alexandra:   Ich bin seit Anfang an in dieser Band, deren Besetzung sich laufend verändert hat. Ich bin damals in so eine Musikschulband reingerutscht. Bei der Gründung war ich 15, und das hat sich dann so entwickelt.

Lars:   Und seit 2003 sind wir Vier die Formation, die THE FLAW ausmacht.

  Das ist ein gutes Stichwort: ihr spielt in einer relativ kleinen Besetzung und habt keinen Keyboarder dabei. Eure Keyboards wurden durch Programming der Saitenfraktion gelöst, aber wie macht ihr das live?

Massimo:   Wir haben live einen HD-Recorder dabei. Da sind die Keyboards drauf, und der Drummer spielt nach Klick. Sie kommen halt "von Band". Auf die Keyboards können wir definitiv nicht verzichten, weil wir zwar wenige Keyboards einsetzen, aber sie sind dann schon ein tragender Bestandteil.

Alexandra:   Am Anfang war's eine Notlösung, denn wir hatten schon eine Keyboarderin, die dann aber ausgestiegen ist. Wir haben uns aber so gut damit arrangiert, dass es erst mal so bleibt.

  Das heißt: die Keyboards können auch nicht mehr werden, weil kein Keyboarder befriedigt werden muss?

Massimo:   [lacht] Genau! Wir verstehen uns alle sehr gut, und das ist für eine Band auch sehr wichtig. Wenn nun eine Person hinzukommen würde, das wäre auf jeden Fall ein Risiko. Neue Charaktere in der Band bringen immer Vor- und Nachteile.

  Und die eine Gitarre? Reicht die auch auf Dauer?

Lars:   Ich würde sagen schon. Am Lautsprecher ist es recht laut. [alles lacht]

Massimo:   Manchmal denkt man sich schon, es könnte mal eine Gitarre hinzukommen, dann hätte man eine fette Gitarrenwand, aber das ist ja technisch machbar, so dass nicht unbedingt ein zweiter Gitarrist her müsste.

  Ich meinte weniger die Soundwand, sondern die Möglichkeiten, auch mal zweistimmige Sachen zu probieren. Ihr macht ja wenig Overdubs und ich habe den Eindruck, dass die Songs tatsächlich genau für eine Gitarre geschrieben wurden.

Massimo:   Die Gitarre ist nicht der Mittelpunkt vom Lied, auch nicht Live. Wenn wir Overdubs machen, dann achten wir darauf, dass es live auch noch funktioniert.

  Ihr steht jetzt irgendwo in der Mitte eures Werdegangs, wo man sich immer entscheiden muss, wie weit man geht. Wie weit seid ihr bereit, für die Musik zu gehen, wenn sich der Erfolg jetzt einstellen sollte?

Massimo:   Wir würden sehr weit gehen. Musik steht im Mittelpunkt in unserem Leben. Unser Gitarrist Lars studiert Musik, und der Rest geht halt arbeiten (oder muss arbeiten). Wir sind immer irgendwie Musik am machen, und es wäre grandios, wenn das noch mehr werden würde.

  Würdet ihr euch dafür auch kommerziellem Druck unterwerfen, oder darauf achten, dass die Identität gewahrt bleibt?

Massimo:   Identität ist wichtig. Wenn jetzt eine Plattenfirma käme und sagt 'Wir nehmen euch unter Vertrag, aber ihr müsst mit dem Produzenten XY zusammenarbeiten', und dieser Produzent schreibt uns fett um, dann wär das nichts, was ich unterstützen würde. Die Eigenständigkeit ist ja, was THE FLAW aus der Masse herausheben würde, und das würde ich niemals aufgeben.

Alexandra:   Wir machen das ja auch um kreativ zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, nur für Geld Musik zu machen. Man kann sich damit vielleicht ein bisschen arrangieren, aber die Musik steht auf jeden Fall im Vordergrund.

Massimo:   Mehr Erfolg würde bedeuten, auch mehr Zeit für die Musik zu haben, und weniger arbeiten zu müssen.

  Wie waren die Kritiken für das Album? Wart ihr zufrieden, oder gab's auch Ausreißer?

Massimo:   Eigentlich waren wir sehr zufrieden. Wir haben oft 7/10 Punkten bekommen, von euch jetzt 8.

Alexandra:   Wir haben immer sehr viel Lob bekommen, nichts Negatives.

Lars:   Es sind aber noch nicht alle Reviews wieder da - kann also noch passieren! [Gelächter]

  Mit einem so guten Album im Rücken wollt ihr euren Namen sicher weiter verbreiten - was ist so auf dem Live-Sektor geplant?

Massimo:   Live-Aktivitäten sind geplant. Das Problem - oder Vorteil, ich weiß es noch nicht - ist, dass wir uns selbst darum kümmern, dass wir Konzerte kriegen. Wenn wir einen Booking-Agentur hätten, würden wahrscheinlich noch paar mehr Konzerte in dieser Zeit entstehen. Mal gucken.

Lars:   Wir hoffen auch, dass uns das Album noch ein paar Türen aufstößt, also nicht nur bei der Presse, sondern auch bei Hörern und Konzertveranstaltern.

  Wir übergeben traditionell die letzten Sätze der Band - gibt es etwas, was ihr hier noch unbedingt loswerden wollt?

Massimo:   Kauft unsere CDs, hört unsere Musik, kommt zu unseren Konzerten!

Alexandra:   Das hätte ich jetzt auch gesagt!

Massimo:   Ansonsten sei den Leuten gesagt, dass sie bei "Gothic Metal", "female Vocals" usw. ruhig noch mal reinhören sollten. Wir sind nicht die xte Kopie einer NIGHTWISH-Combo, wir sind THE FLAW, wir sind eine eigene Band, wir haben einen eigenen Stil, haben einen eigenen Rhythmus. Es wäre schön, wenn sich die Leute darauf einlassen.

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