Armored Saint - Punching The Sky

Review von Damage Case vom 22.10.2020 (8019 mal gelesen)
Armored Saint - Punching The Sky John Bush ist ein Held. Wirklich, ein wahrer Held. Er könnte sich ärgern wie Pete Best, den durch Ringo Star ersetzten Originalschlagzeuger der BEATLES, der den Ruhm und viele Millionen Dollar, Pfund, D-Mark und Euro nur um wenige Monate vor Veröfentlichung der damals bahnbrechenden Single 'Love Me Do' verpasste. Warum? Weil eben jener John Bush in den 1980ern mehrmals (!) das Angebot von METALLICA abgelehnt hat, James Hetfield als Sänger abzulösen damit dieser sich komplett auf Gitarrespielen, Songwriting und Saufen hätte konzentrieren können. Oder er könnte sich über Joey Belladonna ärgern, den grundsympathischen aber dünnstimmigen Sänger, den Millionen von Metal-Fans bis heute als den einzig wahren ANTHRAX-Fronter akzeptieren - und dabei vergessen, dass es John Bush war, der den New Yorkern mit seinem Engagement von 1993 bis 2005 durch die für den Heavy Metal schwierigen Zeiten half. Ganz nebenbei mit den, zumindest aus Sicht des Rezensenten, besten Alben, die ANTHRAX je veröffentlichten, was wiederum nicht zuletzt am Sänger liegt, der mal in von Thomas Kupfer einer ROCK HARD-Rezension zum "Frank Sinatra der Metal-Szene" ernannt wurde. Nicht ganz unpassend, denn John Bush ist sowas wie die stimmliche Wunderwaffe des Thrash und US Metals. Er kann (relativ) hoch shouten, hat aber gerade in den mittleren Stimmlagen sowohl beim Schreien als auch sanften Singen eine Kraft und Würze in der Stimme, die ohne Zweifel ihresgleichen sucht. Auch mit mittlerweile 57 Jahren singt er wie ein wahrer junger Gott.

Und wie geht es diesem John Bush heute, kein Engagement bei METALLICA und gleich zwei Rausschmissen bei ANTHRAX (2010 nochmals) später? Blendend! Er beklagt sich nicht, sondern macht das, wofür er lebt, mit Menschen, die er liebt. ARMORED SAINT hätte er wahrscheinlich ohnehin nie verlassen, wäre diese wahrhaftige Band Of Brothers Anfang der 1990er nicht trotz des catchy Weltklassealbums "Symbol Of Salvation" mitten in Zeiten von Grunge und wohl nicht zuletzt wegen des Krebstodes Ihre Gitarristen Dave Prichard 1990 komplett aus der Bahn geworfen worden. Und weil auch Metaller Rechnungen bezahlen müssen, folgte Mr. Bush dem Ruf aus New York und heuerte bei der Band um Scott Ian an. Im Jahr 2000 folgte, während einer kleinen Bandpause von ANTHRAX, dann mit "Revelation" dennoch völlig unerwartet ein neues Album von ARMORED SAINT - und was für eins. Wie 1991 reüssierte die Band mit einem Werk komplett ohne Mittelmäßigkeit, mit Melodien und Hooks für Millionen. Niemand kann ernsthaft bezweifeln, dass ARMORED SAINT nicht die Band mit den größten Hidden Champion-Qualitäten sind, und locker eine 120 Minuten-Setlist für ausverkaufte Stadien zusammenstellen könnten. Alleine für solche Klassiker wie 'Can U Deliver' (1984), 'Long Before I Die' (1985), 'Dropping Like Flies', 'Last Train Home', 'The Truth Always Hurts' (alle 1991), 'After Me, The Flood' (2000), 'Left Hook From Right Field' (2010) und 'Mess', 'Muscle Memory' (beide 2015) würden ausnahmslos ALLE US Metal-Bands töten. Ihren vorläufigen Höhepunkt erfuhren ARMORED SAINT mit dem 2015er Weltklassewerk "Win Hands Down" (erneut ohne jegliche Schwachpunkte, versteht sich). Diese Band versprüht Freude, Wärme und Härte zugleich. 2020 veröffentlichen die fünf Mitt- und Endfünfziger Jungs, die seit 30 Jahren in derselben Besetzung mehr oder weniger als Hobbyband (!) zusammenspielen und einfach nicht zu altern scheinen, ihr achtes Studioalbum "Punching The Sky".

Das Cover ist diesmal mit dem lavatriefenden steinernen Bandlogo ähnlich wie das Cover von "Revelation" recht traditionell gehalten und könnte in ähnlicher Form zum Beispiel auch Alben von SYMPHONY X oder JAG PANZER zieren. Die Produktion von Bushs Kindergartenfreund und Bassist Joey Vera, gezaubert in den El Dorado Studios im kalifornischen Burbank, ist schön druckvoll und differenziert, nicht komprimiert oder klinisch modern, aber auch nicht verstaubt muffig. Die Musik deckt erneut eine große stilistische Bandbreite ab: Die elf Songs reichen von groovigen Rockern bis zu klassischen US Metal-Hymnen. Der zweite Titel 'End Of The Attention Span' unterhält über fünf Minuten durch flotte und bandtypische Gitarrenmelodien und John Bushs variablen Gesang. 'Bubble' groovt packender als ANTHRAX seit 2005 es je getan haben. Der Refrain von 'Do Wrong To None' geht direkt ins Gehör und Tanzbein, während das Riffing und Drumming feinsten US Metal mit leichter Thrash-Schlagseite bieten - ganz großes Kino. 'Missile To Gun' und 'Bark No Bite' beginnen so traditionell, wie direkt dem Jahr 1984 entsprungen, ohne auch nur eine Sekunde altbacken zu klingen. 'Unfair' wiederum ist ein vierminütiger sphärischer, sich steigernder Rocker. Und so ließen sich alle Songs von "Punching The Sky" individuell aufzählen, denn hier klingt kein Song wie das vorherige und es will über die Laufzeit von knapp fünfundfünfzig Minuten so vieles entdeckt werden, bis der finale Rausschmeisser 'Never You Fret' nochmal alles aus dem Hörer herausrockt. Einziger kleiner Wermutstropfen: Eine Weltklasseballade der Sorte 'Dive' oder 'Upon My Departure' fehlt diesmal im Sammelsurium der elf Hymnen.

Fazit: Dass das Szeneblatt DEAF FOREVER der Band den siebenseitigen Titel ihrer aktuellen Ausgabe (#38) durch ein ausführliches Interview mit Mr. Bush ARMORED SAINT widmen, ist so überfällig wie verdient. Keine andere Band auf diesem Planeten, außer vielleicht NEVERMORE oder METAL CHURCH mit ihren leider bereits verstorbenen jeweiligen Originalsängern wäre der späte kommerzielel Durchbruch mit diesem Album, aber auch dem kompletten Backkatalog, mehr als zu gönnen. Hört "Punching The Sky" - immer wieder, auch wenn es in Summe nicht ganz an den eigentlich sowieso nicht mehr überbietbaren Vorgänger "Win Hands Down" oder das Jahrhundertwerk "Symbol Of Salvation" heranreicht. Deshalb steht unter dieser Rezension auch nicht ganz die Höchstnote.

Drei Anspieltipps: 'Standing On The Shoulders Of Giants', 'Do Wrong To None' und 'Lone Wolf' - anchecken, Lieben lernen, Album kaufen. Weisse Bescheid.

Gesamtwertung: 9.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Standing On The Shoulders Of Giants
02. End Of The Attention Span
03. Bubble
04. My Jurisdiction
05. Do Wrong To None
06. Lone Wolf
07. Missile To Gun
08. Fly In The Ointment
09. Bark, No Bite
10. Unfair
11. Never You Fret
Band Website: www.armoredsaint.com
Medium: CD, LP
Spieldauer: 53:31 Minuten
VÖ: 23.10.2020

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