Heino - Mit freundlichen Grüßen | |
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Review von Elvis vom 03.02.2013 (5327 mal gelesen) | |
Fast jeder Deutsche kennt ihn irgendwie und irgendwoher - woher sonst käme ein Bekanntheitsgrad von fast 99% in Umfragen? Davon träumt jeder andere deutsche oder internationale Star des Nachts. Er hat 50 Millionen Platten verkauft, was auch eine Hausnummer ist, an der man nicht vorbeikommt. Er hat ein so markantes Erscheinungsbild und ein so festgefügtes künstlerisches Korsett, dass er natürlich eben darum auch seit Urzeiten Objekt von Parodien und Spott ist wie kein zweiter deutscher Sänger. Nebenbei hat der Mann das Handwerk des Konditors gelernt und betreibt seit langem in seiner Heimatstadt ein eigens Café mit regem Zuspruch. Die Rede ist natürlich vom gebürtigen Düsseldorfer Heinz-Georg Kramm, den meisten Leuten doch deutlich besser bekannt unter dem einprägsamen Namen HEINO. Held der alten Generationen und letzte Bastion des deutschen Liedgutes, Feindbild diverser deutscher Künstler und ein übelst deutschtümelnder alter Geselle - keine Frage, HEINO polarisiert schon seit Ewigkeiten die Republik, und sei es nur musikalisch. Schon ewig hat der blonde Barde mit der Sonnenbrille und dem klangvollen Bariton Hohn und Spott mehr als nur kübelweise über sich ausgießen lassen müssen. Lange focht es ihn offenbar nicht an, denn von der Kunst kann man doch besser leben, als manch einer glauben möchte. Sei es nun wegen des verlorenen Prozesses über die aus gesundheitlichen Gründen abgesagte Tournee vor einigen Jahren, die ihn eine Millionensumme an Schadensersatz kostete oder doch tatsächlich als Rache für Jahre der Schmach: Wenn man der BILD glauben darf (man sollte es natürlich nicht), eröffnet HEINO 2013 den "Rocker-Krieg". Das Ergebnis ist das Album "Mit Freundlichen Grüßen", welches jetzt brandneu physisch und digital im Handel ist und dank der kostenlos-skandalösen Promotion durch das größte Boulevard-Blatt des Landes gute Chancen hat, in den Charts ganz vorne zu landen. Falls das an dieser Stelle jemanden interessieren sollte: HEINO hatte bislang noch nie ein Nr.1 Album! Wird sich das nun mit 74 Jahren noch ändern? Die Chancen stehen in der Tat gut. Ob der Untertitel "Das Verbotene Album" wirklich gerechtfertigt ist, mag dahingestellt sein, denn rechtlich war Herr Kramm dank GEMA ziemlich im sicheren Bereich unterwegs, egal ob sich der ein oder andere Künstler drüber ereifert hat oder nicht. Wer jetzt immer noch mitliest und nicht endgültig am Verstand des Rezensenten zweifelt, auf einer auf Metal spezialisierten Seite ein Album des Volksmusikanten schlechthin zu besprechen, der wird sicherlich schon mitbekommen haben, dass es sich um ein Cover-Album handelt. Und ja, wenn RAMMSTEIN oder OOMPH gecovert werden, dann darf man das auch an dieser Stelle besprechen. HEINO hat sich in der Standard-Version zwölf deutsche Rock- und Pop-Songs der letzten 30 Jahre vorgenommen und auf seine eigene Weise eingespielt. Seien es nun RAMMSTEIN oder OOMPH aus der härteren Schiene, DIE ÄRZTE oder WESTERNHAGEN aus dem Rockbereich, PETER FOX, ABSOLUTE BEGINNER oder DIE FANTASTISCHEN VIER aus dem Hip-Hop-Bereich - HEINO packt hier alles Mögliche in die LP-Länge hinein. Klingt das Ergebnis furchtbar, skurril, interessant oder am Ende sogar gut? Wenn man einmal den grundsätzlichen Spaßfaktor beiseite lässt und alles sowieso mit einem gewissen Augenzwinkern betrachtet (was der Protagonist angeblich nicht tut!), ist "Mit Freundlichen Grüßen" ebenso gelungen wie für alle beteiligten Parteien erschreckend entlarvend. Stimmlich ist der Bariton des Herrn Kramm auch mit Mitte 70 noch immer hervorragend und durchgehend absolut auf der Höhe des Materials. Die Produktion ist gut, zeitgemäß und fängt dennoch den typischen HEINO-Stil gut ein. Falls sich jemand fragt, woher ich das weiß, sollte es auf der Hand liegen - die üblichen Verdächtigen aus dem Repertoire des Barden hat wohl jeder Deutsche jenseits der 30 schon öfter irgendwo mal (un)freiwillig gehört, und sei es nur als Kind bei Oma. Sei's drum, es passt jedenfalls gut zusammen. Das wirkliche Spannende ist nämlich so oder so wie die Lieder selbst funktionieren, und hier wird es richtig interessant. Ging mir das gewohnt lustige 'Junge' von DIE ÄRZTE mit seiner Pseudo-Spießer-Perspektive und seiner Polka doch ziemlich auf die Eier, so macht HEINO den Song letztlich glaubwürdiger, denn: Wenn er nicht klingt wie ein besorgter Vater, wer dann? Beim ersten Song zeigt sich schon, dass oft eigentlich gar nicht so viel textlicher Unterschied zwischen den vorgeblich unspießigen deutschen Künstlern und dem Barden herrscht. Letztlich könnte der Song so nämlich ohne weiteres auch auf einem normalen HEINO-Album stehen und würde nicht negativ auffallen. Vielleicht würden manche deutschen Künstler besser ihre bierernste Haltung aufgeben und lockerer werden, denn Heinz-Georg Kramm zeigt des Öfteren eine erstaunliche Lockerheit auf "Mit Freundlichen Grüßen". 'Augen Auf' von OOMPH! passt ebenso wie die Faust aufs sonnenbebrillte Auge wie 'Sonne' von RAMMSTEIN hell erstrahlt. Hat HEINO gar Till Lindemann zum rollenden "R" inspiriert? Wir werden es ob der kryptischen Schweigsamkeit des RAMMSTEIN-Frontmannes wohl nicht erfahren. Auch 'MfG' kommt mit seinen Rap-Anleihen ebenso gut wie das locker-flockige 'Willenlos' die angestrengte Lockerheit von Armani-Rocker WESTERNHAGEN in den Schatten stellt. 'Vogel Der Nacht' von STEPHAN REMMLER ist auch von HEINO eine sehr schöne Ballade, die fast so wirkt, als habe er sie selbst schon immer intoniert. Insgesamt passt die bunte Mischung gut zusammen und totale Ausfälle gibt es keine. Besonders gelungen finde ich persönlich die Bonus-Tracks, die es bei Amazon.de und iTunes zusätzlich gibt. 'Was Soll Das' fand ich - und ich bin sicherlich kein Freund des Stammelgesang-Königs und mittlerweile viel zu trübseligen HERBERT GRÖNEMEYER! - schon immer gut und der Song gewinnt in dieser Version, insbesondere durch den Gesang von HEINO, deutlich dazu. KRAFTKLUB ist normalerweise überhaupt nicht meine Musik, aber die Version hier finde ich ebenfalls ausgesprochen gelungen. Was sagt es über den Rezensenten aus, dass er mit diversen dieser Cover-Songs vom Volksmusik-König mehr anfangen kann als mit den Originalen? Es ist mir im Grunde ziemlich einerlei! Ja, "Mit Freundlichen Grüßen" ist lustig, es ist aber auch entlarvend, wie banal viele der deutschen Künstler, die auf den blonden Barden despektierlich herabschauen, doch werden, wenn er mal ihre Texte intoniert. Volksmusik ist wohl doch ein weiter gefasster Begriff als nur die Lederhose, unter der manchmal auch gejodelt wird - fernab von Bierseligkeit offenbart sich hier eine universalere Dimension der deutschen Musik. Man mag es mögen, man mag es hassen, aber man wird an diesem Album jedenfalls erst mal nicht vorbeikommen. Deswegen wünsche und gönne ich HEINO jeden Erfolg für "Mit Freundlichen Grüßen" - und diversen anderen deutschen Musikern etwas mehr Selbstironie und weniger verkrampften Ernst. Der Barde der Nation ist nämlich lockerer und lustiger als selbsternannte Spaßvögel und Gutmenschen es vermutlich je sein werden. Die eigentliche Wertung in Punkten mag sich jeder für sich selbst zusammenreimen - für mich ist die Rache der Ikone gelungen. - ohne Wertung - | |
Trackliste | Album-Info |
01. Junge (Original von DIE ÄRZTE) 02. Haus Am See (Original von PETER FOX) 03. Ein Kompliment (Original von SPORTFREUNDE STILLER) 04. Augen Auf (Original von OOMPH!) 05. Sonne (Original von RAMMSTEIN) 06. Gewinner (Original von CLUESO) 07. Liebes Lied (Original von ABSOLUTE BEGINNER) 08. Leuchtturm (Original von NENA) 09. Vogel Der Nacht (Original von STEPHAN REMMLER) 10. MfG (Original von DIE FANTASTISCHEN VIER) 11. Kling Klang (Original von KEIMZEIT) 12. Willenlos (Original von WESTERNHAGEN) 13. Was Soll Das (Original von HERBERT GRÖNEMEYER) (Bonustrack Amazon.de) 14. Songs Für Liam (Original von KRAFTKLUB) (Bonustrack iTunes) | Band Website: www.heino.de Medium: CD Spieldauer: 43:56 Minuten VÖ: 01.02.2013 |
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