Tattoos und Metal gehören zusammen wie Bohnen und Eintopf. Das Trio Allessandro Bertolotti, Nando Rohner und Markus Rutten hatten die Idee, ein Interviewbuch zu diesem Thema zu verfassen. Zur Entstehungsgeschichte des zweiten Bands von "Under The Skin Of Rock 'n' Roll", für das namhafte Größen wie Rob Halford (JUDAS PRIEST) oder auch Michael Poulson (VOLBEAT) gewonnen werden konnten, liefern uns Nando Rohner und Markus Rutten interessante Einblicke.
Hat mir sehr gefallen, "Under The Skin Of Rock’n’Roll 2"; 7,5 von 10 Punkten. Wie seid ihr eigentlich auf die Idee gekommen, ein Buch (bzw. schon zwei) über Tattoos zu machen? Was ist die Intention dahinter?
Nando: Alessandro Bertolotti ist an allem Schuld, haha. Es war damals seine Idee, ein Buch über das Thema Tattoos und Metal zu machen - da er fand, dass beides doch irgendwie zusammengehört. Ich fand die Idee gut und machte mir daraufhin Gedanken darüber, wie solch ein Buch wohl aussehen könnte. Schnell war für uns klar, dass es sich dabei um ein Interviewbuch handelt sollte, da solch ein Buch unserer Meinung nach für den Leser wohl am interessantesten sein würde als einfach nur ein weiteres Buch, in dem es nur viele bunte Bilder zu sehen gibt. Der Erfolg gab uns rückblickend recht, da sich der erste Teil erstaunlich gut verkaufte. Daher haben wir uns auch dazu entschlossen, einen zweiten Teil hinterher zu schieben. "Under the Skin of Rock 'n' Roll 2" sollte seinen Vorgänger in jeder Hinsicht übertreffen, darum haben wir uns auch dazu entschlossen, mit Markus einen weiteren Autor an Bord zu holen. Beim ersten Teil war er nur als Gastautor dabei, hat da aber schon einen super Job abgeliefert.
Markus, du bezeichnest das Buch als Do-It-Yourself-Projekt. Wie kann man das verstehen?
Markus: Da spreche ich bewusst von einem Do-It-Yourself-Projekt, weil es eben genau ein solches ist. Wir haben keinen großen Verlag hinter uns, der Layout, Lektorat und Promotion übernimmt, sondern machen alles auf eigene Faust mit unseren aufopfernden Helfern. Wir drei können natürlich nicht alles komplett selbst machen, das ist ja klar. Bei Layout und Cover zum Beispiel wäre die Grenze ohne weitere Helfer schnell erreicht ;-).
Nando: Markus hat eigentlich schon alles dazu gesagt. Was ich noch anmerken möchte, ist, dass wir uns auch bewusst gegen einen Verlag entschieden haben, da wir bei beiden Büchern keine Kompromisse eingehen wollten. Vor allem in der Wahl der Interviewpartner hätte uns ein Verlag so manche Band wohl untersagt, weil sie halt nicht bekannt genug sind. Doch wir wollen halt, dass auch der Underground in unserem Buch eine Stimme erhält. Mal ganz davon abgesehen, dass die Unterstützung durch einen Verlag doch nicht "true" ist, haha.
Wollt ihr damit auch richtig Kohle machen oder ist das mehr als Leidenschaft zu sehen?
Markus: Kohle machen wäre schön, aber so einfach ist die Sache leider nicht, hehe. Jussi Adler-Olsen verdient mit seinen Büchern Geld, vermutlich nicht zu knapp. Für uns ist das Projekt eher idealistisch, eine Herzensangelegenheit, die wir aus Spaß an der Sache machen. Für's Ego ist die Sache gut, um damit seine Rechnungen zu bezahlen eher nicht ;-). Aber so halte ich persönlich es generell mit der Schreiberei. Klar habe ich Spaß an der Sache und sehr interessant ist es auch, aber trotzdem nur ein – wenn auch leidenschaftlich betriebenes - Hobby. Meinen Lebensunterhalt verdiene ich mit "richtiger" Arbeit, was vermutlich sogar besser ist, weil, wenn du nur noch Kritiken schreibst und Interviews führst, weil du es eben musst und damit der Kühlschrank oder Tank voll wird, dann kann es vermutlich leicht passieren, dass das Feuer irgendwann auf der Strecke bleibt. Mal abgesehen davon, dass es mir zu riskant wäre, mich auf eine derartige Arbeit zu verlassen.
Nando: Wir haben weder mit Teil 1 Geld verdient, noch werden wir es mit Teil 2 tun. Wer heute Bücher schreibt, der macht das vor allem für sein Ego und weil er etwas sagen möchte. Wenn man nicht gerade Stephen King oder Dieter Bohlen heißt, kann man mit Büchern nicht wirklich Geld verdienen. Beide Bücher – wie im Übrigen auch meine beiden anderen, gänzlich unmetallischen Bücher, die ich auf dem Markt habe – sind reine Herzensangelegenheit und aus dem Spaß an der Sache entstanden.
Bist Du selbst tätowiert?
Nando: Als ich mit der Arbeit an "Under the Skin of Rock 'n' Roll" anfing, war ich es noch nicht. Am Ende der Arbeiten waren es jedoch schon zwei Tattoos. Jetzt, da "Under the Skin of Rock 'n' Roll 2" auf dem Markt ist, trage ich schon vier Tattoos. Mal schauen, wo das noch hinführen wird.
Markus: Witzigerweise noch nicht. Die eine oder andere Idee gibt es da schon, aber umgesetzt wurde es bisher nicht. Gute Künstler(innen) dürfen sich natürlich gern melden ;-). Bis dahin kann ich nur auf den weisen Mann verweisen, der mal gesagt hat "Ein guter Jockey muss früher nicht zwangsläufig ein gutes Pferd gewesen sein", hehe.
Welche Motive trägst Du, Nando, und wo?
Nando: Mein erstes Tattoo habe ich mir in Mailand während der Tattoo-Convention stechen lassen. Es ist ein japanisches Schriftzeichen im Nacken. Tattoo Nr. 2 kam fast genau ein Jahr später und ziert meinen linken Unterarm – es handelt sich um ein polynesisches Tribal. Tattoo Nr. 3 wurde dann wieder in Mailand gestochen, von einem russischen Tätowierer. Es zeigt ein D und die Bedeutung behalte ich für mich – zu privat. Tattoo Nr. 4 ließ ich mir dann bei der Tattoo-Convention im z7 in Pratteln in der Schweiz stechen. Es ist der Schriftzug "ShC" und steht für die Band SECONDHAND CHILD, die ich auch als Manager betreue und die mit "Ink Heart" auch einen Werbesong für "Under the Skin of Rock 'n' Roll 2" geschrieben haben.
Was bedeuten Dir Deine Tattoos?
Nando: Meine Tattoos sagen alle etwas über mich als Person aus. Tattoo Nr. 1 und 2 definieren mich als Schriftsteller. Tattoo 4 als Papa Schlumpf (Manager) von SECONDHAND CHILD und für einen Abschnitt in meinem Leben, auf den ich immer stolz sein werden.
Wie seid ihr an all die Künstler rangekommen? Ich stelle mir das schwierig vor, innerhalb akzeptabler Zeit über 30 Interviews zu führen?
Markus: Ich bin ja schon seit 2003 Chefredakteur eines kleinen Online Mags, das ich mit meiner damaligen Freundin und heutigen Frau aus der Taufe gehoben habe. Über die Jahre knüpft man da durchaus ein paar Kontakte, wovon wir bei dem Buchprojekt auf jeden Fall profitiert haben. Man kennt den einen oder anderen Labelmenschen und hat auch ein paar Musiker direkt im Adressbuch wie beispielsweise Matt Roehr, den ich per Mail direkt anschreiben konnte und der auch umgehend seine Teilnahme zugesagt hat. Dass der Nando in der Schweiz ebenfalls noch auf viele Kontakte zurückgreifen kann – er war lange Jahre ebenfalls aktiver Autor bei uns und hat zudem eine Metal-Internetshow namens "The Hard Way" moderiert – rundet die Sache ab. Aber versteh mich nicht falsch: Wir waren trotzdem weit davon entfernt, uns wie Kinder im Bonbonladen fühlen zu können, und zugeflogen sind uns die Interviewpartner auch nicht. Teilweise war das schon ein stressiges Hin und Her und auch organisatorisch ein Aufwand. Letztlich hat sich die Mühe aber gelohnt wie ich finde.
Nando: Wie Markus schon sagte, wir haben alle unsere Kontakte. Und da wo wir keine Kontakte haben, da versuchen wir halt, welche herzustellen. Oftmals spielt halt auch das Glück eine Rolle oder ein wenig Vitamin B.
Mich hat sehr überrascht, dass Barney von NAPALM DEATH gar nicht so sehr über die Bedeutung seiner (doch provokanten) Tattoos reden wollte. Gab's für Dich auch noch andere Überraschungen?
Markus: Gute Frage. Das Interview stammt von mir und es wurde relativ kurzfristig organisiert. Barney erschien mir grundsätzlich eine sehr interessante Persönlichkeit zu sein, weil er einfach etwas zu sagen hat und generell dafür bekannt ist, ein sehr intelligenter Mensch zu sein. Ich finde zum Thema Tattoos hatte er auch einiges zu sagen, nur ist er vielleicht hier und da etwas vom Thema abgekommen. Aber darum geht es bei dem Buch ja auch irgendwie, jeder sollte seine eigenen Ansichten einbringen und das hat Barney getan.
Überraschungen gab es eigentlich viele, und generell hatten wir glaube ich alle das Glück, viele interessante Interviewpartner zu treffen oder sie an der Strippe zu haben. Blakkheim von KATATONIA beispielsweise hat seinem Side-Project BLOODBATH gleich einen ganzen Arm gewidmet, während seine Hauptband bisher komplett leer ausgegangen ist. Das wirft natürlich Fragen auf, die ich ihm selbstverständlich auch sogleich gestellt habe, hehe.
Welches Interview hast Du am meisten genossen?
Nando: Schwere Frage. Irgendwie war jedes Interview auf seine Art interessant. Besonders genossen habe ich die Gespräche mit Kerry King von SLAYER und dem Metal-Gott Rob Halford – beides ganz nette Kerle und super Gesprächspartner.
Markus: Michael von VOLBEAT hat sich fast eine ganze Stunde Zeit genommen als ich ihn auf der Tour in Chemnitz getroffen habe, obwohl nur die Hälfte der Zeit angesetzt war. Er ist ein echt netter Kerl und sehr zuvorkommend und respektvoll. Meiner Meinung nach ist er einer der großen Frontmänner dieser Tage, das sieht man schon daran, wie er mit seinem Charisma jeden Abend aufs Neue das Publikum im Griff hat. So jemand sitzt dir natürlich nicht jeden Tag gegenüber und fragt dich alle paar Minuten, ob du nicht noch was aus dem Getränkekühlschrank haben willst, hehe. Ich versuche eigentlich immer, aus jedem Interview das Beste zu machen und dabei Spaß zu hab... und auch mein Gegenüber möglichst nicht zu langweilen, haha. Bei den Tattoo-Interviews hatten wir jedenfalls ziemlich viel Glück, einzig Tuomas von BEFORE THE DAWN und BLACK SUN AEON ist ein ziemlich introvertierter Kerl, wie man in dem Buch nachlesen kann. Seine bisweilen knappen Antworten entsprechen ziemlich dem Stereotypen-Klischee, das man vielerorts mit Finnen in Verbindung bringt. Dieses Klischee kann ich übrigens nur bedingt bestätigen, denn zum Beispiel Juha von SWALLOW THE SUN, der ja noch deutlich düsterere Musik macht, ist eine Seele von Kerl, immer ein Lächeln auf den Lippen und einen flotten Spruch im Anschlag. Quasi der genaue Gegenentwurf zum Klischee, Spaßvogel und Plaudertasche in Personalunion sozusagen, mit ihm machen Interviews immer Spaß. Habe ich jetzt eigentlich den Mythos vom Doom-Death-Trauerklos zerstört?! Ups... haha. Ein Jammer, dass er nicht tätowiert ist, ihn würde ich sofort ins Buch nehmen! Aber um auf die Frage zurück zu kommen: Die Interviews waren alle sehr angenehm, Mike D’Antonio von KILLSWITCH ENGANGE ist zum Beispiel ein richtig netter, humorvoller Kerl. Oder Max Cavalera mit dem ich nebenbei auch noch über Fußball fachsimpeln konnte, was auch sehr cool war. Bei ihm merkt man wie lange er schon im Geschäft ist, er hat viel zu erzählen und zu fast allem 'ne schöne Geschichte parat – siehe Buch. Blakkheim von KATATONIA ist ein ähnlicher Fall wie besagter Kollege von SWALLOW THE SUN, auch ein netter, humorvoller Typ und abseits der Musik sicher kein depressiver Trauerklos. Das Interview hatte ich in Bochum vor einem Konzert geführt, und eigentlich sollte es nur ein normales Interview werden, bis mir wie Schuppen von den Augen fiel, dass er ja an den Armen ziemlich zugehackt ist. Warum war mir das vorher nie aufgefallen? Keine Ahnung, aber als ich ihn spontan nach einer "Interview-Verlängerung" gefragt hatte für das Buch, war er sofort dabei und hat gerne ein paar interessante Geschichten erzählt. Die Tonaufnahme zu dem Interview behalte ich aber für mich, denn im Hintergrund hört man nicht nur unqualifizierte Zwischenrufe, sondern auch jemanden, der sich mit Europop und Scooter-mäßigem Techno bespaßt. Aus Gründen der Diskretion und zum Erhalt der Credibility halte ich da aber meine Klappe, hehe. Maria Brink von IN THIS MOMENT hatte leider einen vollgestopften Zeitplan am Tag des Interviews und hat sich mehrfach dafür entschuldigt, dass wir nicht noch länger quatschen konnten, obwohl sie richtig Spaß an dem Thema hatte. Sonst wäre das Interview noch 'ne Ecke länger geworden, aber es ist auch so einiges rum gekommen.
Was sind Eure nächsten Pläne? Wird es einen dritten Teil geben, macht Ihr eine Lesereihe?
Nando: Ich denke, ich kann es sagen: Ja, es wird einen dritten Teil geben. Wir arbeiten bereits daran und sind in diesem Jahr auch schon nach Mailand gefahren, um dort ein paar exklusive Interviews mit bekannten Tattoo-Künstlern zu führen. Über das genaue Konzept mache ich mir aktuell noch Gedanken, da kann ich also noch nix dazu sagen. Was es wohl geben wird, ist, ein Kapitel über Schauspieler, Tattoos und Metal – da laufen schon die ersten Verhandlungen. Auch in Sachen Musiker haben wir schon unsere Fühler ausgestreckt, mal schauen, wenn wir da noch an Bord holen können. Wann genau Teil 3 anstehen wird, das kann ich noch nicht sagen, da die Arbeiten daran momentan nebenher laufen.
Eine Lesereise wäre nett und sicher toll, nur denke ich, dass das wohl niemanden interessieren wird. Wer uns jedoch zu sich in den Club holen möchte, der soll sich doch einfach melden.
Markus: Einen dritten Teil würde ich auch durchaus für realistisch halten. Der eine oder andere interessante Name geistert mir da schon noch im Kopf rum, wobei ich keine Namen nennen werden. Wer mich kennt, weiß aber, dass ich eine Band aus Sacramento ziemlich geil finde und die Jagd nach ihnen immer noch nicht aufgegeben habe. Klar ist aber auch, dass wir ein paar große Namen als Aufhänger bräuchten, einfach weil wir diesmal mit SLAYER, PRIEST und VOLBEAT schon die Messlatte recht hoch gelegt haben. Eins meiner Trauminterviews für das Buch wäre wohl – und jetzt muss doch noch ein Name fallen – Nikki Sixx von MÖTLLEY CRÜE. Schon allein, um ihm für "The Dirt" und seine Zweitband SIXX A.M. zu danken, hehe.
Stichwort Lesereise: Wenn es sich terminlich einrichten lassen würde, wäre ich bestimmt gerne dabei. Nur was ich da erzählen sollte, wüsste ich auf Anhieb nicht. Und schon gar nicht, ob zu so einer Veranstaltung überhaupt ein Schwein kommen würde, haha. Cool wäre es aber allemal, auch wenn am Ende nur wir drei, der Barmann und der DJ im Club wären. Falls aber irgendein Veranstalter und Leute von sonst irgendeinem Jugendclub, Pub oder einer Metalkneipe Interesse haben sollten: Schickt uns 'ne Mail an tattoobuch[äd]sounds2move.de – wir kommen gern!
Technische Frage: mir ist aufgefallen, dass ihr die Schweizer Grammatik verwendet habt (kein "ß", sondern alles "s", wie zum Beispiel bei "liess" oder "bloss"). War das bewusst?
Markus: Die Frage gebe ich direkt weiter, denn das ist mir auch aufgefallen, haha! Meine Texte hatte vorab meine liebe Frau auf Rechtschreibfehler kontrolliert, die waren also 100 Prozent koscher. Das gute alte "ß" haben meine Baseler Freunde verschwinden lassen, aus der Nummer halte ich mich raus.
Nando: Da hat unser Lektor wohl vergessen, dass die Welt aus mehr als nur der Schweiz besteht. Tja, kann passieren – in ein paar Jahren werde ich sicher darüber lachen, hehe.
Danke für das Interview und viel Erfolg mit dem Buch! Gibt es noch etwas von Deiner Seite, das Du loswerden willst?
Nando: Danke für das Interview und das geile Review. Wir lesen uns sicher wieder. ;)
Markus: Ja, vielen herzlichen Dank für das tolle Review und dafür, dass wir hier zu Wort kommen dürfen. Ich finde es toll, dass du dich eingehend mit "Under the Skin of Rock 'n' Roll II" befasst hast. Wer ein bisschen auf den Geschmack gekommen ist, kann gern mal auf unserer Website vorbeischauen oder bei Amazon einen Blick ins Buch werfen. Und nicht vergessen: Der nächste Geburtstag kommt bestimmt, und ab August steht auch wieder überall Lebkuchen im Supermarkt, also wenn euch demnächst bei 29° Außentemperatur wieder Zimtsterne und Spekulatius entgegenlachen, dann denkt auch schon mal an die Weihnachtsgeschenke, eine Idee habt ihr jetzt ja schon mal, hehe.
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