Threshold - Legends Of The Shires

Review von Cornholio vom 25.09.2017 (10329 mal gelesen)
Threshold - Legends Of The Shires Viele THRESHOLD-Fans waren geschockt, als die Band im Frühjahr bekanntgab, dass sie sich von dem damaligen Sänger Damian Wilson trennen würden. Gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass die britischen Progger mit Wilson nach dem Tod des vorigen Sängers Andrew "Mac" McDermott mit "March Of Progress" und "For The Journey" zwei fabelhafte Alben aufgenommen haben. Viele Bands würden bestimmt daran zerbrechen, wenn ein Frontmann dieses Kalibers aussteigen würde, aber die Band um Gründungsmitglieder Karl Groom (Gitarre) und Richard West (Keyboard) haben nicht lange gefackelt und kurzerhand mit Glynn Morgan ein bekanntes Gesicht wieder in ihre Reihen geholt. Morgan hatte Mitte der 1990er mit THRESHOLD ein Studioalbum ("Psychedelicatessen") und ein Livealbum ("Livedelica") veröffentlicht, ehe Wilson wieder ans Mikro zurückkehrte. Ich vermute, ich bin einer der Wenigen, die sich sogar etwas gefreut haben, dass Glynn zurück ist. Klar sind die letzten zwei Alben mit Wilson super, keine Frage, aber ich bin schon lange Fan vom 1994er Werk mit Morgan am Mikro.

Nun veröffentlicht das Quintett mit "Legends Of The Shires" sein elftes Studioalbum und das erste Doppelalbum (die Re-Releases mit Bonus-CD zähle ich selbstredend nicht mit). Es war nicht geplant, so erzählte West in einem Interview, die Ideen sprudelten einfach so aus ihm und Groom heraus. Das Album war schon länger fertig, Morgan hatte keine Gelegenheit, kompositorisch etwas dazu beizusteuern. Aber, so Groom in jenem Interview, Morgan hat sich auf "Psychedelicatessen" recht intensiv mit ins Songwriting eingebracht, also ist man zuversichtlich für die Zukunft; und man plant offensichtlich langfristig!

Nun aber zu dem Album: 14 Tracks sind enthalten, verteilt auf knapp über 80 Minuten. Als (loses) Konzept steht eine Nation (oder wahlweise eine Person), die versucht, ihren Platz in der heutigen Welt zu finden. THRESHOLD-typisch ist bei den Texten relativ viel Platz für eigene Interpretationen gegeben. Musikalisch gibt es Altbewährtes, es ist also nicht alles neu bei den Briten. Zwei Songs sind bereits bekannt: 'Small Dark Lines', das man als eine Art Singleauskopplung sehen kann (auf dem RockHard-Sampler vertreten, außerdem drehte die Band ein Video dazu) und das geniale 'Lost In Translation'. Beide Songs sind seit einigen Wochen auf YouTube zu sehen und hören. 'Small Dark Lines' erinnert mich etwas an den vermeintlich bisher größten Hit 'Slipstream' vom letzten Album mit Mac, "Dead Reckoning" (2007), seitdem auch fester Bestandteil im Live-Programm der Band. Catchy, kurz, auf den Punkt, und dennoch tiefgründig. 'Lost In Translation' beinhaltet für mich alles, was THRESHOLD ausmacht. Knapp über zehn Minuten, großartiger Gesang, tolle Texte und diese sagenumwobenen Soli von Karl Groom. Ich kriege Gänsehaut, wenn ich nur daran denke. Randnotiz: Ich hatte das Glück, den Gitarristen vor ein paar Jahren mal zu treffen und ich fragte ihn, wie er auf eigentlich jedem Album diese Art Soli herbeizaubert. Er stellt sich einfach vor, die Gitarre sei während der Soloparts ein Ersatz für den Gesang, und besser kann man es glaub ich nicht formulieren. Gefühlvoll, lang anhaltende Töne, die man eigentlich auch mitsingen kann. Aber ich schweife wieder etwas ab.

Aber auch die weiteren zwölf Lieder sind über alle Zweifel erhaben. 'The Man Who Saw Through Time' ist das mit fast zwölf Minuten längste Stück des Albums und erinnert mich etwas an 'Pilot In The Sky Of Dreams' von "Dead Reckoning". Ruhiger Beginn, nimmt aber mit fortlaufender Dauer Fahrt auf, um am Ende wieder langsamer und Band-typisch zu enden. Und so zieht sich dieses hohe Niveau durch die kompletten 82 Minuten... und immer wieder diese tollen Gitarren und Keyboards. Positiv stechen noch das etwas ruhigere 'Stars And Satellite', 'The Shire (Part 2)' und 'Superior Machine' (großartig erweiterter Refrain zum Ende hin!) heraus, was aber die nicht genannten Songs nicht klein machen soll. Lediglich das vom Bassist Steve Anderson komponierte 'On The Edge' wirkt etwas träge und schleppend und fällt dadurch in meinen Augen etwas ab. Als Rausschmeißer gibt es mit 'Swallowed' eine reine Ballade, die auch im Radio laufen könnte, einerseits untypisch akustisch für THRESHOLD, aber am Ende dann doch wieder mit den gewohnten Trademarks versehen.

Bemerkenswert ist der Gastauftritt von Jon Jeary, dem früheren Bassisten und (vor den ersten Veröffentlichungen) auch Sänger der Band, der in 'The Shire (Part 3)' den Gesangspart übernimmt.

Fazit: Glynn Morgan leistet ganze Arbeit, Damian Wilson vermisse ich zumindest zu keiner Zeit. Auch kompositorisch ist THRESHOLD drin, wo THRESHOLD draufsteht. Fans, die die Band nicht nur auf ihren vorigen Frontmann reduzieren, werden das Album ebenso mögen wie die vorigen. Ich bin sehr gespannt, ob der neue (alte) Sänger seinem Vorgänger live das Wasser reichen kann. Das werden wir Ende November / Anfang Dezember sehen.


Gesamtwertung: 9.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
CD1
01. The Shire (Part 1)
02. Small Dark Lines
03. The Man Who Saw Through Time
04. Trust The Process
05. Stars And Satellites
06. On The Edge

CD2
07. The Shire (Part 2)
08. Snowblind
09. Subliminal Freeways
10. State Of Independence
11. Superior Machine
12. The Shire (Part 3)
13. Lost In Translation
14. Swallowed
Band Website: www.thresh.net
Medium: 2CD
Spieldauer: 82:22 Minuten
VÖ: 08.09.2017

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