Interview mit Bassist Dolph de Borst, Gitarrist Tobias Egge und Drummer Tomas Eriksson von Imperial State Electric

Ein Interview von Stormrider vom 28.12.2015 (17944 mal gelesen)
IMPERIAL STATE ELECTRIC als Support von GRAVEYARD. Das ist per se schon ein grandioses Paket. Vor dem Gig in Wiesbaden wollten wir mit Nicke Andersson über das aktuelle Album "Honk Machine" sprechen. Leider musste der Sänger kurzfristig ins Krankenhaus, sodass uns Bassist Dolph de Borst, Gitarrist Tobias Egge und Drummer Tomas Eriksson Rede und Antwort standen.

Hallo! Danke, dass Ihr drei Euch die Zeit für unser kleines Magazin nehmt .Wie ich gehört habe, musste Nicke kurzfristig ins Krankenhaus. Ich hoffe, es ist nichts allzu Ernstes?

Tobias Egge: Als Nicke heute Morgen aufgewacht ist, hat er auf dem rechten Ohr ein Taubheitsgefühl gehabt, also ist er vorsorglich heute mal ins Krankenhaus gefahren. Es sollte aber nichts allzu Ernstes sein.

Der Gig heute Abend ist also hoffentlich nicht in Gefahr?

Tobias Egge: Nein, wir gehen davon aus, dass der Gig heute wie geplant stattfinden kann. (Leider kam es ja dann doch etwas anders als gedacht, was ihr hier im Livereview nachlesen könnt)

Lasst uns zunächst über Euer aktuelles Album "Honk Machine" sprechen. Wenn man das Album im direkten Vergleich zu seinem Vorgänger, "Reptile Brain Music", hört, dann sind da noch mehr poppige Elemente und poppige Melodielinien. Gab es einen bestimmten Grund noch weiter in diese Richtung zu gehen, oder ist das für Euch die natürliche Entwicklung von IMPERIAL STATE ELECTRIC?

Tobias Egge: Ich denke, dass es keinen bestimmten Grund dafür im Wortsinn gibt, denn das würde bedeuten, dass Du mit einer Strategie an das Songwriting gehst. Wir sitzen nicht da und sagen, lass uns ein Heavy Metal-Album machen oder ein Album mit mehr Popelementen. So funktionieren IMPERIAL STATE ELECTRIC nicht. Natürlich schreibt Nicke bei uns die meisten Songs, aber ich weiß, dass es nicht die Art ist wie er Songs schreibt. Er schreibt einfach, was aus ihm in diesem Moment rausmöchte. Manchmal ist es etwas mehr poppig, manchmal etwas weniger.

Dolph de Borst: Wir benutzen jetzt zwar hier das Wort Popmusik, aber es ist nicht Popmusik in dem Sinne. Wenn ich den Albumopener ' Let Me Throw My Life Away' höre, dann ist das für mich eher ein Song der aus dem Classic Rock beeinflusst wurde, z. B. von HUMBLE PIE oder von THE WHO.

Tomas Eriksson: Wenn es eine Strategie für das Album gibt, dann am ehesten noch die, dass wir während der Aufnahmen festgestellt haben, dass ein bestimmter Typ Song dem Album noch guttun würde. Dann haben wir dieses fehlende Puzzlestück noch hinzugefügt, um die Vielfalt auf "Honk Machine" zu erhöhen. Es ging uns dabei um das Album als Ganzes, daher haben wir auch gute Songs, die wir schon komplett aufgenommen haben, nicht mit draufgenommen, weil sie einfach nicht zum Gesamtbild gepasst haben.

Werden diese Songs denn zu einem späteren Zeitpunkt noch veröffentlicht?

Dolph de Borst: Definitiv! Wir haben jetzt schon diese total verrückte Idee direkt nach dieser Tour noch eine weitere Platte aufzunehmen. Sie könnte eventuell schon im nächsten April veröffentlicht werden. Vielleicht passen die zwei Songs dann zu dem Material.

Tobias Egge: Sie sind wirklich gut. Und natürlich sogar besser und rockiger als alles was auf "Honk Machine" gelandet ist. (lacht)

Ich wollte damit eigentlich auch gar nicht sagen, dass "Honk Machine" ein reines Popalbum ist, sondern, dass die Einflüsse der BEATLES und der von JOHN LENNON noch deutlicher herauszuhören ist. Neben 'Maybe You're Right' klingt insbesondere 'Walk On By' fast schon wie ein Überbleibsel aus den 'Imagine'-Sessions. Gerade die Gesangslinien sind hier sehr nah dran.

Dolph de Borst: Natürlich hören wir diesen JOHN LENNON-Vergleich nicht das erste Mal, und gerade für 'Walk On By' kommt er sehr oft. Und für uns ist das auch ok, denn wir alle lieben die Musik von JOHN LENNON, und es ist eine Ehre mit ihm verglichen zu werden. Für uns ist es dazu auch noch eine neue Erfahrung diese Art Musik zu spielen. Wenn Du es gewohnt bist laut oder besonders schnell zu spielen, dann ist es eine Herausforderung so viel reduzierter zu spielen. Wenn Du schnell spielst und machst einen Fehler, dann hört das fast niemand. Bei einem Song wie diesem, kannst Du Dir das nicht erlauben. Als wir 'Walk On By' vor ein paar Wochen das erste Mal in Stockholm live gespielt haben, da war schon eine gewisse Aufregung dabei. Gerade für mich war es etwas Besonders. Denn ich habe diesen Song vor ungefähr zehn Jahren geschrieben, ohne ihn je fertigzustellen oder unterzubringen. Nicke hat ihm nun den finalen Schliff verpasst und es war insbesondere bei den Recordings kein leichter Song, weil er sein Wesen mehrfach verändert hat in dem Prozess.

Ich komme noch mal kurz auf JOHN LENNON zurück, er hat während seiner Solojahre in seinen Lyrics ziemlich viele politische Themen verpackt. Denkt Ihr, dass Musiker politische Inhalte mit ihren Songs kommunizieren sollten? Immerhin erreichen sie eine Menge Leute auf einer emotionalen Ebene.

Dolph de Borst: Ein Musiker vermittelt immer eine bzw. seine Emotion. Er kann und sollte daher natürlich über das schreiben, was ihm wichtig ist. Wenn also jemand, ein Musiker, eine politische Message loswerden möchte, dann sollte er das tun. Musik ist dann seine Plattform dafür. Der ganz normale Mann auf der Straße darf seine Meinung ja auch jedem erzählen, ob er sie hören will oder nicht. Warum sollte ich als Musiker das dann nicht auch tun dürfen? Ich denke aber, dass man niemandem seine Gedanken aufzwängen sollte. Das will kann doch niemand abhaben. Denk nur an Bono, der so viel über manche Dinge redet, dass es die Leute schon total nervt. Bei Nicke sind die Aussagen vielleicht nicht ganz so offensichtlich, aber wenn man genauer hinsieht, dann kann man auch in seinen Lyrics Botschaften zu bestimmten politischen Themen finden.

Tobias Egge: Das entscheidende Wort für mich ist hierbei "sollte" oder besser die Frage "sollte er es nicht". Was ich sagen möchte ist, dass wenn man es möchte, dann kann man es natürlich tun. Aber es sollte kein Zwang sein, nur weil man die Möglichkeit dazu hat. Ein Musiker sollte als Künstler nichts veröffentlichen, was nicht wirklich seinem Herzen entspricht.

Habt Ihr denn Euren Songwriting- und Aufnahmeprozess für dieses Album geändert, oder habt Ihr Euch an das Vorgehen gehalten, wie Ihr es schon auf den vorangegangenen Alben praktiziert habt?

Dolph de Borst: Am Ende geht natürlich immer alles durch Nickes Filter, was dazu führt, dass es ein geregeltes Vorgehen gibt. Einen Unterschied gab es aber dieses Mal dennoch. Während er auf den ersten Alben fast alle Instrumente gespielt hat, und diese damit ziemlich stark die Handschrift von Nicke tragen, spielen wir aber mittlerweile in der Besetzung schon fünf oder sechs Jahre zusammen und sind dadurch heute natürlich viel mehr eine echte Band. So hat Tobias Songs beigesteuert, ich habe Songs beigesteuert. Insofern ist hier schon ein Unterschied zu den ersten Alben auszumachen, auch wenn es am Ende ohne das Ok von Nicke kein Songs auf ein Album schafft. Wir finden das aber nicht schlecht, denn es schadet nicht, wenn einer in einer Band eine bestimmte Vision von der Band hat und das Steuerrad fest in der Hand in diese Richtung hält.

"Honk Machine" ist 34 Minuten lang. Das ist jetzt nicht gerade abendfüllend.

Dolph de Borst: Nein, in der Tat nicht (lacht). Ich fand es fürchterlich, als in den 90ern jede Band versucht hat ihre CDs bis obenhin vollzupacken. Die Hälfte davon ist Füllmaterial, oder? Und wer bitte kann mehr als 70 Minuten konzentriert zuhören? Wer hört sich ein Album in dieser Länge wirklich am Stück an? Also ich nicht! Wir machen daher lieber kürzere Alben, wie wir sie auch selber mögen, und veröffentlichen dann in kürzeren Abständen.

Tobias Egge: Heutzutage ist die Aufmerksamkeitsspanne der Leute doch eigentlich noch viel geringer. Heute laden sich die Leute einen Song runter und bewerten danach eine ganze Band. Oder noch schlimmer, sie hören auf YouTube eine Minute rein, und was wenn genau diese eine Minute eben die schlechteste des Albums ist und der Rest ist großartig?

Dem kann ich nicht viel hinzufügen, daher lasst uns kurz auf das aktuelle Classic Rock-Revival zu sprechen kommen. In den letzten Jahren gab es in dem Bereich traditioneller Rockmusik jede Menge grandiose Veröffentlichungen, die in den Printmedien regelmäßig auch auf den Topplätzen gelandet sind. Was glaubt Ihr woher die neue Lust an klassischem Rock kommt?

Dolph de Borst: Ich glaube, dass die Leute einfach gutes Songwriting vermissen, oder andersrum gesagt, dass sie es genießen gute Songs in warmen Sound zu hören. In den letzten Jahren sind gerade im Rock und Hard Rock viele Alben rausgekommen, die sich fast alle gleich angehört haben. Der Sound war fast immer derselbe. Die gleichen Gitarrensounds, die gleichen Drumsounds alles fehlerfrei produziert. Die Leute wollen vielleicht einfach wieder einen Sound, der sich "menschlicher" anhört. Wo auch mal ein Fehler zu hören ist, der dem Ganzen einen eigenen Charme verleiht.

Der Sound ist ja immer ein schwieriges Thema. Ich weiß, dass Ihr mit dem Sound der 80er Produktionen nicht so viel anfangen könnt. Welches Album würdet Ihr in den Sound der 60er oder 70er packen wollen, einfach weil Ihr die Songs großartig, aber den Sound fürchterlich findet?

Dolph de Borst: Das ist eine interessante Frage. Denn es gibt so viele schlechte Produktionen, die eine gute Platte ruinieren. (überlegt eine ganze Weile) Am Ende ist man aber doch meistens an genau diesen Sound einer Platte gewöhnt, sodass man ihn sich schwer in einem anderen Sound vorstellen kann, selbst dann, wenn man den Sound nicht mag.

Tobias Egge: Mir fallen da ein paar "klassische" Musiker ein. Weil wir vorhin schon die BEATLES thematisiert hatten, fällt mir zum Beispiel GEORGE HARRISON ein. Er hat teilweise so fantastische Melodien geschrieben, die dann einen so fürchterlichen Sound verpasst bekommen haben.

Damit sind wir für heute auch schon am Ende. Vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt. Ich drücke die Daumen, dass Nicke schnell wieder auf die Beine kommt, und wie es gute Tradition ist, gehören die letzten Worte des Interviews Euch, noch etwas was Ihr unseren Lesern mit auf den Weg geben wollt?!

Tobias Egge: Sorry, dass Ihr mit unseren Antworten vorliebnehmen müsst. Nicke hätte bestimmt was Interessanteres zu erzählen gehabt. (grinst)

Tomas Eriksson: Danke für Euren Support! Wir würden uns freuen, Euch auf Tour zu treffen, kommt also zu unseren Gigs. Wenn nicht auf dieser Tour, dann auf der nächsten im Frühling!

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