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Als Metal-Magazin im DSGVO-Strudel |
Ein Artikel von Opa Steve vom 15.07.2018 (23541 mal gelesen) |
Ich denke mal, jeder in Deutschland lebende und geschäftsfähige Mensch - egal ob online oder offline - kam nicht umhin, in irgendeiner Form mit der DSGVO konfrontiert zu werden. Also auch ihr. Ihr wisst schon, DSGVO. Da-ten-schutz-grund-ver-ord-nung. Wir brauchen sieben Silben, um dem Wahnsinn einen Namen zu geben. Interessanterweise die gleiche Silbenzahl wie im alten Bun-des-da-ten-schutz-ge-setz. Da soll noch einer sagen, die Zahl Sieben wäre nicht magisch.
Nun, unser amoklaufendes Brüssel hat sich diesen Schildbürgerstreich ja lange genug ausgedacht. Genauso wie andere Dinge, wie z.B. die maximale Wattzahl eines Staubsaugers. Ich warte ja nur darauf, dass irgendein Hansel merkt, wieviel Watt so ein ordentliches Metal-Konzert schluckt. Vielleicht gibt's dann zukünftig auch eine Begrenzung auf 900 Watt für die PA?
Lassen wir die dystopischen Ausblicke, zurück zum DSGVO. Wenn jemand in der Lage ist, eine ohnehin beknackte Verordnung im Wahnsinn noch zu toppen, dann sind es wir Deutschen. Ich erinnere an das PET-Pfand abhängig vom Kohlesäuregehalt des Getränks. Wäre doch gelacht, wenn wir das im Datenschutz nicht auch schaffen würden. Und ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen. Ab sofort strengstes Kontaktverbot ohne ein "Ja, ich will!". Digitales Vergessen als neue Kultur. Wie man überhaupt noch zueinander finden soll? Gute Frage. Ein Abmahnschutz zur Verhinderung dubioser Geschäftspraktiken? Das haben die Österreicher geschafft, aber wir doch nicht. Und nach fast zwei Jahren entspannter Ignoranz wurde zum Tag des jüngsten Gerichts (Inkrafttreten am 25.05.2018) auf einmal die Panik groß. Denn dann merkten die Betroffenen plötzlich, dass man es ernst meint. Ihr kennt das sicher alle: Es wurde nicht zwei Monate vorher die Zustimmung zu weiterer Geschäftsbeziehung eingeholt. Nein, offenbar hoffte jeder, aus diesem Albtraum noch aufzuwachen. Und so brach ungefähr zwei Tage vor dem Stichtag die völlige Panik aus. Ich weiß nicht, wie es euch erging und bei welchem Bäcker, Arzt, Werbetreibenden oder Puff ihr noch irgendwas unterschreiben musstet. Wir als Magazin haben natürlich auch Unmengen an Kontakte zu Promotern, Labels und sonstigen Vertretern der harten Sounds. Und so trudelten binnen 48 Stunden bei uns massenweise Opt-Ins ein. Teilweise von Kontakten, die wir gar nicht kannten. Teilweise an Adressen, die es gar nicht mehr gab. Eine super Gelegenheit, mal die Leichen wegzuräumen, indem man einfach gar nicht reagiert! Der Nachteil war, dass wir gnadenlos mit Mails zugeballert wurde. Ein Kollege aus dem Headquarter machte sich an die Aufgabe, dort durchzusteigen und unsere Aktivposten eben aktiv zu halten. Die Hinweise in den Mails waren von flehend bis apokalyptisch: "Wir dürfen euch sonst nichts mehr schicken!", "Bitte erlaubt uns, euch weiter mit News zu versorgen!", "Wenn ihr noch Promos von uns wollt, müsst ihr umgehend eine neue Registrierung machen!".
Wie hilflos alle waren, zeigte sich auch daran, dass viele Mails die DSGVO gar nicht erfüllten. Manche waren zuerst als Opt-Out formuliert, dann hatte sich der vollständige Umfang des Wahnsinns doch irgendwie weiter rumgesprochen, und wenige Tage nach Einführung kam dann nochmal eine korrigierte Mail als Opt-In. Und der Wahnsinn zog immer größere Kreise: Auch im Ausland wurde man irgendwann gewahr, dass sich da in Europa und vor allem in Deutschland irgendetwas tut. Eine Menge Anwälte waren ja auch nicht müde, eine bewusste Panik zu verbreiten. Sicherlich zum Selbstzweck, denn vor der DSGVO MUSS man ja Angst haben, damit Herr oder Frau Anwalt auch viele Mandate bekommen. Und so bekamen wir plötzlich auch noch Wochen später Mails aus dem Ausland bis hin zu den USA, die nur lapidar meinten, dass in Deutschland was Komisches vor sich ginge und man bitte nochmal bestätigen sollte, dass man a) an metallischer Versorgung weiter interessiert sei, und b) diese Bekundung bei klarem Verstand äußert.
Vollends verrückt wurde es, als in letzter Reihe auch noch die Promo-Portale auf die DSGVO aufmerksam wurden. Vielleicht kennt ihr so Systeme wie Haulix oder HearTheMusic. Die hatten nämlich dann ein DSGVO-konformes Opt-In integriert, um ihren Kunden eine Dienstleistung anzubieten. Und was machen die ganzen Labels und Promoter, die an einer solchen Plattform hängen? Schicken uns über dieses System nochmal (!) allerlei Zustimmungsgewusel. So kam es, dass wir stellenweise von einer Stelle bis zu drei Aufforderungen nacheinander bekamen. Und unser fleißiger Vertreter unseres Headquarters war mehrere Tage damit beschäftigt, die DSGVO-Mails abzuwickeln. Fast im Minutentakt ging seine Rundmail an alle: "Den hab ich erledigt." - "Ist registriert!" - "Hab ich angeschrieben!". Nach fünf Tagen klangen die Mails schon anders. Z.B. "Uff, den auch. Ich mag nicht mehr ...".
Die Stimmung war wirklich völlig verrückt. Da arbeitet man schon Jahre partnerschaftlich zusammen, und plötzlich macht der pauschale Argwohn die Runde. Schon am 26. Mai - also einen Tag nach Inkrafttreten - wurden die ersten skurrilen Fälle der DSGVO auf heise.de gesammelt. Foren schlossen aus Unsicherheit, mein Metzger hat seine Webseite vorübergehend deaktiviert. Und unser fleißiger Opt-In-Bearbeiter stand kurz vor dem Wahnsinn. In solchen Zeiten ist es sogar richtig erholsam, wenn irgendein kleines finnisches Label so tut, als wäre nichts gewesen. Von diesem erhalten wir einfach weiter unser Promo-Material ohne jede Rückfrage. Was hier gesiegt hat, war sicherlich der Menschenverstand: Wenn zwei sich einig sind und niemand zu Schaden kommt, kann im Gesetz stehen, was will. Jawoll!
Wir haben es irgendwie überlebt und sind nicht aus Feigheit offline gegangen. Natürlich haben wir zwangsweise unsere Datenschutzerklärung ein bisschen nachgepimpt. Glücklicherweise waren wir schon immer sehr datensparsam, was unsere Besucher anging. Ein bisschen Unsicherheit bei den Verrückten da draußen besteht aber immer. Also wenn ihr auf dem nächsten Konzert unserem Fotografen freudig vor die Linse springt und um ein Foto bettelt, wundert euch nicht, wenn dieser erst einmal eine fünfminütige Erklärung der Bildverwendung runterpredigt, das Recht zu schweigen und auf einen Anwalt betont, und euch dann ein Formular von 3 DIN A-4-Seiten unterschreiben lässt. Und immer daran denken: jedes Foto und jede zugesandte Promo kann zu eurem Nachteil ausgelegt werden. Sei es, dass ihr euch auf Festivals zum Horst macht, oder dass ihr einen Verriss für schlechte Musik erhaltet. Davor schützt euch nur noch der totale Opt-Out aus dem Leben.
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