Ein Interview von Elvis vom 11.07.2024 (33181 mal gelesen)
Bandchef Alex Staropoli nahm sich die Zeit, um mit uns über das aktuelle RHAPSODY OF FIRE-Album "Challenge The Wind", das Bandleben nach einem Vierteljahrhundert und natürlich auch "Herr Der Ringe" zu sprechen. Lest selbst, was er von Backingtracks hält, ob er sich die Komposition eines Soundtracks zu Peter Jacksons Filmen zugetraut hätte und was er Kritikern entgegnen würde. Viel Spaß!
Hallo Alex, danke, dass du dir die Zeit nimmst, um mit uns über euer starkes neues Album "Challenge The Wind" zu sprechen. Vielleicht kannst du uns zu Beginn verraten, was diese Platte zu einem großartigen RHAPSODY OF FIRE-Album macht und warum eure Fans Freude dabei haben dürften, sie sich anzuhören?
Alex Staropoli: Ob ein Album großartig ist, entscheiden am Ende unsere Fans. Wir sind ziemlich sicher, dass es ein großartiges Album geworden ist, voll mit Energie und sehr guten Songs. Sowohl als Komponist als auch als Produzent glaube ich, dass es ein Album ist, welches man kaufen sollte, da bin ich mir sicher!
Du hattest gesagt, dass es vielleicht euer bislang am meisten nach Metal klingendes Album sei und diesmal gibt es auch keine Balladen zu hören (was ich tatsächlich gut finde - ihr habt ja nun mal schon sehr viele gute Balladen). Wie kam es dazu? Lag es daran, dass die Story, die ihr diesmal den Hörern erzählen wolltet, einfach danach verlangte? Oder war es für euch einfach Zeit für ein allgemein aggressiveres Album?
Alex Staropoli: Für eine Ballade hatte ich diesmal einfach keine Pläne, obwohl ich offen gewesen wäre, eine auf das Album zu packen. Am Ende hatten wir einfach so viele harte Songs, dass ich entschieden habe, weder ein Intro noch eine Ballade hinzuzufügen. Mit unseren Balladen allein könnten wir ja schon ein ganzes Konzert spielen!
Ich nehme an, dieses Album konntet ihr wieder ganz normal gemeinsam aufnehmen und musstet nicht auf irgendwelche Gesundheitsvorschriften Rücksicht nehmen. Hat das auch dazu beigetragen, wie "Challenge The Wind" am Ende aussieht und klingt?
Alex Staropoli: Während der sogenannten "Pandemie" war ich zuhause in London und habe an neuen Songs gearbeitet, was ich ohnehin schon länger vorhatte. Von daher hat sich an meinem Programm und Schreibprozess nichts wirklich geändert. Das einzige Problem war, dass wir unsere Tour stoppen und die letzten fünf Shows verschieben mussten. Die Arbeit an den einzelnen Alben ist am Ende ziemlich ähnlich. Roby schickt mir jede Menge Gitarrenriffs und Ideen, wobei wir dann entscheiden, was wir nutzen. Am liebsten fange ich mit den harten Elementen an, bevor ich den Rest komponiere. Bei den eigentlichen Aufnahmen kümmere ich mich persönlich um die ganzen Gesangsaufnahmen, die Chöre und die einzelnen Instrumente. Die Gitarren und der Bass werden von Roby und Alessandro nach ihrem eigenen Zeitplan aufgenommen, das machen sie jeweils in ihrem Heimstudio. Die Drums werden mit Seeb in Deutschland aufgenommen.
Was war die größte Hürde, die ihr für dieses Album überwinden musstet?
Alex Staropoli: Es gab keine Hürden, ich hatte alles schon im Detail weit im Voraus geplant.
Und was war letztlich der angenehmste Teil des Schreibens, Produzierens und der generellen Produktion?
Alex Staropoli: Das Schreiben ist für mich immer der beste Part. Das ist manchmal schmerzhaft, manchmal angenehm, aber da es am Ende ein Segen ist, Musik zu schreiben, sehe ich das insgesamt als angenehm und aufregend an.
Mittlerweile habt ihr ja eine beeindruckende Diskographie seit den Anfängen von RHAPSODY OF FIRE hingelegt. Wie schafft ihr es, nach all den Jahren immer noch mit weiteren Geschichten für neue Alben um die Ecke zu kommen? Was ist eure größte Inspiration?
Alex Staropoli: Im Grunde ist das dieselbe wie in der Vergangenheit auch, meine hauptsächliche Inspiration sind Soundtracks, Filme und die Natur. Roby kam mit einer sehr guten Idee für eine neue Saga an und ich mochte sie. Musikalisch ist es ein ganz schöner Batzen Arbeit, jedes Mal etwas Neues und Frisches zu erschaffen und dabei gleichzeitig unserem Stil treu zu bleiben. Wie ich beziehungsweise wir das hinbekommen? Vermutlich einfach durch harte Arbeit.
Sind alle RHAPSODY OF FIRE-Alben Teil eines großen Fantasy-Universums oder sind es jeweils andere Welten?
Alex Staropoli: Wir haben verschiedene Sagen und Charaktere, die nicht wirklich verbunden sind, aber als eine Band repräsentieren wir all diese epischen Fantasy-Welten so gut wie nur möglich.
Normalerweise macht ihr ja Konzeptalben, die eine größere Geschichte erzählen. Habt ihr schon mal daran gedacht, ein Album zu machen, wo jeder Song nur eine eigene Geschichte erzählt?
Alex Staropoli: Das kommt auf die Geschichten an. Ich glaube, es ist einfach ansprechender, Alben mit einer zusammenhängenden Geschichte zu machen, die in eine Serie von Alben eingebunden sind.
RHAPSODY OF FIRE spielen üblicherweise Musik, die in einer Fantasy-Welt angesiedelt ist. Habt ihr schon mal in Betracht gezogen, aus dieser Welt auszubrechen oder ist es einfach das, worin ihr euch als Musiker am wohlsten fühlt?
Alex Staropoli: Wofür wir musikalisch stehen, also die Fantasy-Welten, ist sehr spezifisch und wir lieben es. Es geht dabei nicht um einen Wohlfühlfaktor, sondern wir sind schlichtweg sehr in diesen Sagas und Geschichten involviert. Wir liebten die "Herr Der Ringe"-Filme und ganz besonders, dass wir die Gelegenheit hatten, mit Christopher Lee zusammenzuarbeiten. Deswegen fühlen wir uns noch mehr als Teil dieser Welt und nichts anderes spricht unsere Kreativität mehr an als das.
Würdest du als Person manchmal gerne in deinen Geschichten und den Welten deiner Musik leben oder bevorzugst du "unsere" zeitgenössische Welt? Und warum?
Alex Staropoli: Ich bin ein Geschichtenerzähler, aber das bedeutet nicht, dass ich mich in einer anderen Zeit wohler fühlen würde oder mir wünschen würde, in dieser zu leben. Die heutige Welt bietet unzählige technische Möglichkeiten, um Musik zu machen. Allgemein gesprochen, wir hatten niemals zuvor so viel Komfort, wie wir ihn heute haben, es ist daher schwer, das nicht irgendwie auch zu schätzen. Natürlich macht so viel Komfort uns auch - wieder allgemein gesprochen - eher faul und anfällig dafür, von Situationen oder auch unserem eigenen Tun manipuliert zu werden.
Was kann unsere Zeit deiner Meinung nach von den Welten deiner Musik lernen?
Alex Staropoli: Respekt, Würde, Liebe, Hingabe sind nur ein paar der Elemente, die jedem Alter und Zeitalter gut zu Gesicht stehen.
Angenommen du wärst in einer deiner Geschichten: Was wäre es, ohne dass du Schwierigkeiten hättest, dort zu leben?
Alex Staropoli: Nie drüber nachgedacht, aber … Pizza?
Im Vergleich zu euren Anfangsjahren mit RHAPSODY OF FIRE spielt ihr heute wesentlich mehr live. Liegt das daran, dass man als Musiker heute von der Musik alleine nur schwer leben kann? Oder ist es allgemein etwas, was euch mehr Freude als früher bereitet?
Alex Staropoli: Das Problem ist tatsächlich, dass wir früher nicht oft genug live gespielt haben, und nun haben wir dieses aufregende, komplett italienische Line-up, weswegen wir das auch wieder aufholen müssen. Wenn es ums Songwriting und Live-Shows geht, haben wir so viel zu geben! Auf der Bühne werden wir zu einer Einheit und haben so viel Energie, dass das auch den Fans nicht verborgen bleibt. Am Ende der Shows gratulieren sie uns immer und gehen glücklich und zufrieden nach Hause.
Wie schwer ist es, eure aufwendige Musik mit den ganzen Orchesterparts live aufzuführen, ohne dabei zu viel Technologie einzusetzen?
Alex Staropoli: Einige Backingtracks haben wir schon seit unserer ersten Tour 1999 benutzt. Da geht es um bestimmte orchestrale Elemente, Chöre, gesprochene Parts und alle diese Sachen, die man live nicht reproduzieren kann, wenn man nicht grade jeden Abend ein echtes Orchester und einen Chor dabeihat. Trotzdem haben wir einen kraftvollen und auch rohen Livesound. Backingtracks sind letztlich dazu da, die Performance zu ergänzen, nicht um sie zu ersetzen.
Was gefällt dir am besten am Touren? Und was am wenigsten?
Alex Staropoli: Auf der Bühne zu stehen und unsere Songs zu spielen, die Musik mit unseren Fans zu teilen, das sind klar die besten Momente. Der Rest ist an sich nur langweilige Logistik, aber irgendwie dennoch auf eine gewisse Weise spannend.
Du magst "Herr Der Ringe" ja sehr gerne, von daher vielleicht ein paar Fragen dazu. Wenn RHAPSODY OF FIRE die Möglichkeit hätten, offiziell Musik auf der Grundlage von "Herr Der Ringe" zu machen, wäre das eine Gelegenheit, die du gerne ergreifen würdest? Wenn ja, wie würde das deiner Meinung nach klingen und wie viele Alben müsstest du dafür einplanen?
Alex Staropoli: Es ist absolut unmöglich, die Rechte an den "Herr Der Ringe"-Büchern, den Namen, Orten und so weiter zu bekommen. Das weiß ich aus sicherer Quelle, weswegen ich daran nie viele Gedanken verschwendet habe. In jedem Fall, eine solche Story auf Alben mit einer Länge von 60 Minuten runterzubrechen würde ein ganzes Leben erfordern, bevor man damit ansatzweise fertig würde.
Auch wenn es da natürlich sicherlich Kontroversen wegen verschiedener Änderungen gab, ist es wohl mittlerweile so, dass man Peter Jacksons Adaption von "Herr Der Ringe" als moderne Film-Klassiker bezeichnen darf. Wie stehst du zu den Filmen? Was ist aus deiner Sicher ihre größte Stärke und was magst du gar nicht daran?
Alex Staropoli: Ich habe die Filme damals allesamt im Kino gesehen und sie genossen, die haben mich jedes Mal umgehauen. Auf DVD habe ich natürlich auch die Extended Version geschaut und konnte sie mir sogar von Christopher Lee persönlich signieren lassen. Was soll da noch kommen aus meiner Sicht? Wenn ich mir nun die Szenen mit Christopher Lee als Saruman anschaue, seine tiefe Stimme höre und sein Schauspiel bewundere, macht mich das zutiefst stolz. Wir hatten so viel Glück! RHAPSODY OF FIRE war die erste Heavy Metal-Band, die Christopher Lee als Erzähler und sogar Sänger bei unseren Studioalben hatte. Das, was er danach musikalisch gemacht hat, ist künstlerisch nicht mit dem zu vergleichen, was wir mit ihm erschaffen haben. Es war letztlich Christopher Lee selbst, der uns fragte, ob er in einem unserer Songs singen könne und im Grunde eine echte Zusammenarbeit anbot, die sich dann im Song 'The Magic Of The Wizard's Dream' und dem Videoclip manifestierte.
Wenn RHAPSODY OF FIRE damals gefragt worden wären, ob sie die Musik für Peter Jacksons Filme machen könnten, hättet ihr das getan? Wie hätte das wohl geklungen?
Alex Staropoli: Ich möchte mich nicht mit den großen Soundtrack-Komponisten auf eine Stufe stellen. In meinen bisherigen Leben habe ich exakt einen Soundtrack geschrieben. Aber ich bin sicher, wir hätten das ziemlich gut gemacht. Manche Fans haben schon Szenen aus den "Herr Der Ringe"-Filmen mit unserer Musik zusammengeschnitten und das sieht toll aus und klingt fantastisch. So, und jetzt wieder zurück zur Realität!
Angenommen, ihr bekämt heute diese Aufgabe, was würdest du dann anders machen als du es damals getan hättest?
Alex Staropoli: An sich nichts, ich glaube daran, was ich kann.
Was hältst du von neuerlichen Bestrebungen, Tolkiens Werke für ein "modernes Publikum" aufzubereiten, so wie etwa "Die Ringe Der Macht" bei Amazon oder andere in Planung befindliche Filme?
Alex Staropoli: Um Peter Jacksons "Herr Der Ringe"-Filme zu übertreffen, würde es eine Unmenge Arbeit, Investitionen und Talent erfordern. Letztlich ist es unmöglich etwas zu übertreffen, was meiner Meinung nach perfekt ist. Dieser Wahn, bestehende Filme neu mit anderen Schauspielern zu drehen, ist pervers. Ich mag das nicht, rein gar nicht. Das stinkt einfach nur.
Nach mehr als einem Vierteljahrhundert mit RHAPSODY OF FIRE: Was ist momentan dein nächstes großes Ziel mit der Band?
Alex Staropoli: Der Aufstieg zum Ruhm endet niemals. Wir haben so viele Ziele und Projekte, die wir noch verwirklichen möchten! Dazu wird es in Kürze auch ein paar News geben, die wir teilen werden.
Sofern du auch "Game Of Thrones" magst, was hältst du von dieser Saga und was sie aus den Büchern mit der Fernsehserie gemacht haben?
Alex Staropoli: Ich bin kein großer Leser, dafür fehlt mir wirklich die Zeit. Wenn es um "Game Of Thrones" geht, ich mochte es, aber es hat mich nie so umgehauen wie "Herr Der Ringe". Das Schauspiel ist enorm wichtig, wenn das bei 10/10 liegt und die Schauspieler richtig abliefern - denken wir mal an Ian McKellen oder Christopher Lee -, gewinnt ein Film oder eine Serie automatisch an Authentizität und Glaubwürdigkeit.
Welchen Rat würdest du deinem jüngeren Selbst geben, um im Musikgeschäft voranzukommen?
Alex Staropoli: Geh nach der Veröffentlichung des ersten Albums definitiv auf Tour!
Manche Leute verschmähen Musik wie RHAPSODY OF FIRE wegen der Fantasy-Thematik und nennen es sogar "cheesy". Was würdest du diesen Leuten entgegnen, wenn sie dir so was ins Gesicht sagen würden?
Alex Staropoli: Mit all den Filmen und Fernsehserien, die alle Arten von Fantasy und epischen Geschichten ausschlachten und die von Millionen von Zuschauern weltweit geschätzt werden, sehe ich an sich gar keinen Sinn darin, mich mit diesen Leuten überhaupt zu beschäftigen. Als Band machen wir die Musik, die wir lieben, mit dem größtmöglichen Enthusiasmus und Energie. Du kannst ohnehin nie alle glücklich machen, von daher konzentrieren wir uns da auf uns selbst und glauben an uns.
Hast du zum Abschluss noch eine Botschaft für unsere Leser?
Alex Staropoli: Danke für die Gelegenheit, über RHAPSODY OF FIRE zu sprechen. Ich hoffe, wir sehen uns alle bei unserer nächsten Tour!