Accept - Humanoid | |
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Review von Rockmaster vom 07.05.2024 (9911 mal gelesen) | |
Gibt man bei der führenden Suchmaschine im weltweiten Netz den Begriff "Teutonenstampf" ein, fallen zunächst einige mehr oder minder bekannte Namen der deutschen Metalszene, und dann kommen die ersten Bilder von Pfanni-Packerln und von Kochseiten, bevor endlich in einer Randnotiz mal der Name ACCEPT erscheint. Was zunächst verwundern könnte - wird doch die Band stets mit der Erschaffung dieser eigenen Spielart des klassischen Metals in Verbindung gebracht. Schön indes, dass die weltweite Suchheuristik uns Deutsche gleichermaßen mit exquisiter Haute Cuisine und künstlerisch feinsinnigem Musikgeschmack in einen Topf wirft. Was die (zwischen den anderen Treffern) genannte Pfadfindergruppe Teutonen Wilmersdorf davon hält, traue ich mich gerade nicht zu fragen. Um aber mal die vor unzähligen Jahrzehnten in Solingen gegründete Formation in diese zugegebenermaßen etwas krude Einleitung einzusortieren: Die Assoziation mit Teutonenstampf kommt nicht von ungefähr, denn ohne Titel mit der stilprägenden markanten, treibenden Monotonie schafft es, glaube ich, nicht eine einzige ACCEPT-Scheibe auf den Markt. Sie allerdings darauf zu reduzieren, wäre eine gewaltige Unterbewertung. Was Wolf Hoffmann, Udo Dirkschneider & Co. in den späten 70er- und 80er-Jahren für die Entwicklung der deutschen Metalszene bedeuteten, kann man vermutlich nur nachvollziehen, wenn man sich damals mit einem Kumpel den Walkman-Kopfhörer mit schlackerndem Kabel zwischen die Köpfe gehalten hatte, das legendäre "Heidi heido heida" aus den kleinen Lautsprechermuscheln krächzte, und man dann 'Fast As A Shark' mit einem gluckernden Teenagerlachen kommentierte - der größten Anerkennung, die heranwachsende Jungs damals über die Lippen brachten. Seit inzwischen anderthalb Jahrzehnten und einem halben Dutzend Studioalben halten nun Gitarren-Mastermind Wolf Hoffmann und Sänger Mark Tornillo wieder die Metal-Banner hoch, und ACCEPT ist seitdem erneut ein unangefochtenes Aushängeschild des Teutonic Metal, wie sie selber ihren Stil lieber bezeichnen. Mit orientalischen Anklängen und starkem Riffing (das leicht 'Painkiller'-inspiriert klingt) empfängt einen der Opener 'Diving Into Sin' auf "Humanoid", und sogleich möchte man in den (un-)menschlichen Sündenpfuhl eintauchen. Der Titeltrack folgt auf dem Fuße und lässt wütend die assimilierten Mensch-Roboter-Hybride über uns hinwegmarschieren. Die stählernen Herzen der Antagonisten sind hier keine Referenz an den Klassiker 'Metal Heart', sondern gefühllos, kalt, rücksichtslos. Mark "Analog Man" Tornillo legt hier eine gehörige Schippe Aggression drauf, um seine Aversion gegen die zunehmende Digitalisierung unserer Existenz auszudrücken. Ausgerechnet 'Frankenstein' könnte man nun süffisant unterstellen, dass hier Leichenteile des stampfenden Genres verwertet und zusammengestückelt worden seien, um daraus die sich ungelenk fortbewegende Kreatur des wahnsinnigen Wissenschaftlers zu erschaffen. Phasenweise reflektieren Uwe Lulis an der Rhythmusgitarre, Martin Motnik am Bass und Christopher Willams am Schlagzeug die vordergründige Monotonie. Tatsächlich kann man sich aber auch dem Zuckreflex im Nacken nicht entziehen. Auch wenn Wolfs Gitarre im Mix stets dominanter repräsentiert ist, bringen die drei "jüngsten" Bandmitglieder den Groove mit, der auch heute noch ACCEPT zu einem herausragenden Phänomen des deutschen Heavy Metal macht, der stets von Wolfs Gitarrenkünsten sowohl beim Riffing als auch bei den Soli gekrönt wird. Zwar verstecken sich in der Albummitte auch einzelne schwächere Titel, aber bei 'Straight Up Jack' kommen noch einmal echte AC/DC-Vibes auf, und die Uptempo-Nummer 'Southside Of Hell' ist zwar gefühlt nicht haischnell, lädt aber zum wilden Headbangen oder Moshen ein. Inhaltlich wollen ACCEPT mit "Humanoid" die fortschreitende Einflussnahme künstlicher Intelligenz auf unser Leben kritisieren. Wer früher einmal Basic-Programme auf einem Schwarz-Grün-Monitor editiert hat oder "http://altavista.digital.com" in die Adresszeile vom Netscape Navigator getippt hat, hat den Wandel der Computer vom Werkzeug zum festen Bestandteil unseres Alltags miterlebt. Komplexe Algorithmen haben die eher wissenschaftlichen Anfänge der Suchmaschinen überrollt und finden nicht mehr nur Inhalte nach Stichworten, sondern sagen uns, was wir eigentlich gesucht haben und welche Musik uns gefällt. Lernende Maschinen wie Chat GPT (wirklich intelligent ist noch keine sogenannte KI!) haben das ganze auf ein neues Level gehoben, und die Science Fiction vom Chip im Hirn scheint gar nicht mehr so fern. "Ich habe ein bisschen Angst davor, dass die Menschlichkeit bei all dem verloren geht und verdrängt wird", äußert sich Wolf Hoffmann dazu. "Die Leute sind besorgt, dass echte Kunst bald obsolet wird ..." Und tatsächlich wird uns allen der schnurlose Draht in die Social Media-Welt über das Handydisplay oft wichtiger als das Gespräch mit dem Gegenüber, und das Ausmaß, in dem Streamingplattformen und ihre gewinnorientierten Algorithmen unsere "populäre" Musik nicht zum Guten verändert haben, habe ich hier schon oft genug kritisiert. Wolf Hoffmann denkt noch ein Stück weiter: "Werden sich die Leute überhaupt noch für Songwriter interessieren, oder für die Tiefe und Komplexität menschlicher Emotionen und von Menschen geschaffener Werke? Sind die Tage für echte Künstler gezählt?" Ob man nun "Humanoid" im CD- (oder virtuellen Download-) Regal unter "hohe Kunst" einsortiert oder unter "ballert geil rein", sei jedem persönlich anheim gestellt. So oder so, so lange Bands wie ACCEPT 'Too Mean To Die' sind und die Bande zu ihren Fans 'Unbreakable', besteht für uns alle Grund zur Hoffnung! Gesamtwertung: 8.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Diving Into Sin (4:00) 02. Humanoid (4:35) 03. Frankenstein (4:14) 04. Man Up (5:08) 05. The Reckoning (4:34) 06. Nobody Gets Out Alive (4:06) 07. Ravages Of Time (4:15) 08. Unbreakable (4:53) 09. Mind Games (4:05) 10. Straight Up Jack (3:27) 11. Southside Of Hell (4:56) | Band Website: www.acceptworldwide.com Medium: CD, LP Spieldauer: 48:13 Minuten VÖ: 26.04.2024 |
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