My Diligence - Sun Rose

Review von Rockmaster vom 10.02.2019 (6805 mal gelesen)
My Diligence - Sun Rose Mein erster Eindruck des Albums "Sun Rose" der zum Trio geschrumpften Brüsseler MY DILIGENCE war: Schlimmer Sound. Garage? Schuhkarton? Das würde eine ganze Weile dauern, bis ich mich darauf einlassen könnte. Kurz darauf kam dann das Gefühl, der Song ist aber irgendwie gelungen - oder doch klasse? Und schon war klar, MY DILIGENCE haben sich auf eine Gratwanderung begeben zwischen einem Klang, der (absichtlich?) so fast alle Hörgewohnheiten über den Haufen wirft, und progressiven Ideen und Hooks. Stilistisch werden ihnen mitunter Progressive Rock und Stoner Rock unterstellt. Beides: Jein. Aber auch eine Gratwanderung. Progressive Ideen, wie gesagt, sind drin. Welche bewusstseinserweiternden Substanzen MY DILIGENCE konsumieren, und was sie geritten hat, den Song 'Flying Poney' zu schreiben (lasst Euch das mal auf der Zunge zergehen), das weiß ich nicht. Rein stilistisch passen sie nur teilweise in die "Stoner"-Schublade.

Nach einer Weile wird klar: Obwohl das ganze Album ungewöhnlich klingt, da hat echt jemand hinterm Pult rumgefrickelt, Fades und Effekte reingebastelt, die Gesangsstimme von John Sailor mal klar und mal verzerrt aufgezeichnet, und den beiden Gitarren von John Sailor und François Peeters mal einen flirrenden Sound und mal ein Bassfundament sondergleichen verpasst. In Vertretung eines ehemaligen Bandkollegen greifen die beiden wohl auch mal zur Viersaitigen - oder der Produzent hat hier wirklich Wunder vollbracht. Schlagzeuger Gabriel Marlier muss dann und wann gegen den dicht geknüpften Saitenteppich ankämpfen, dabei zeigt er kein Profilierungsbedürfnis durch schnelles Spiel oder besonders filigrane Figuren, sondern überzeugt mit bestechend gutem Rhythmusspiel.

Der Opener 'Resentful' ist nicht gleich typisch für das Album "Sun Rose". So sehr wie Groll und Ärger an einem nagen können, so scheinbar harmlos aber stet und monoton frisst er sich durch die Gehirnwindungen, bis die Gitarren ausbrechen und der launischen Verstimmung Luft verschaffen. 'Hunt The Hunter' setzt da gleich einen Kontrapunkt. Schnell und mit gitarregewordenem A****tritt wird die Jagd auf den Jäger eröffnet. Mein heimlicher Favorit auf dem Album. Bei 'Backstabber' nervt mich, ehrlich gesagt, der Refrain ziemlich. Ansonsten ist der Song eine hinterhältige Drecksau. Auf der zweiten Hälfte stechen vor allem 'Lecter's Song' und 'Serpentine' hervor.

Bleibt die Frage: Wohin führt die Gratwanderung die Jungs von MY DILIGENCE? Der Bergsteiger weiß: Über den Grat kann man einen Gipfel erreichen. Wenn man nicht abstürzt. Preisfrage 1: Was macht der erfahrene Alpinist, wenn der Kamerad vor ihm nach rechts in die Tiefe stürzt? Er springt nach links, bevor das Seil ihn dem Unglücksraben hinterher in den Abgrund zieht. So hängt einer links und einer rechts vom Grat und beide können sich wieder nach oben arbeiten oder den anderen retten (zum Glück war ich selber noch nie in einer solchen Lage). Preisfrage 2: Was machen MY DILIGENCE in diesem Fall? Entspannt weitergehen, sie haben ein 'Flying Poney' dabei. Ich glaube jedenfalls, sie wissen wo sie hinwollen und werden unaufhaltsam weitermarschieren. Den hindernisreichen Weg, der die Frage aufwirft, wie viele Fans ihnen da folgen werden, haben sie sich bewusst (oder doch stoned?) selber ausgesucht. Beinahe sicher scheint mir, dass, wer sich einmal der Anhängerschaft von MY DILIGENCE angeschlossen hat, sie so schnell nicht fallen lassen wird.

Gesamtwertung: 6.5 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Resentful (5:02)
02. Hunt The Hunter (4:55)
03. Backstabber (5:19)
04. An Asteroidal Arrow (4:01)
05. Flying Poney (4:27)
06. Lecter's Song (4:43)
07. So Pretty So Cruel (3:21)
08. Serpentine (2:41)
09. Unreal (3:01)
Band Website: www.facebook.com/mydiligence/
Medium: CD
Spieldauer: 37:30 Minuten
VÖ: 25.01.2019

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