Lynx - Watcher Of Skies | |
---|---|
Review von baarikärpänen vom 28.11.2021 (5300 mal gelesen) | |
Gießen ist über die Grenzen Hessens hinaus eher als Universitätsstadt bekannt, die zwar ruhig und beschaulich wirkt, aber im Gegensatz zu Marburg leider auch immer noch mit vielen Bausünden des Wiederaufbaus nach dem Krieg - vor allem in der Innenstadt - leben muß. Ich hatte zumindest das Glück, meine studentischen Jahre im Neuen Schloß verbringen zu dürfen. Was Musik angeht, ist Gießen deutschlandweit eher durch eine schreckliche Band wie JULI aufgefallen, die zumindest einen Sommer lang die 'Perfekte Welle' reiten durfte. Hard Rock oder Metal aus Gießen blieb leider immer eine regional begrenzte Attraktion. Zumindest fällt mir aus dem Stehgreif keine Band ein, die international mit einigem Erfolg operiert hätte. Aber das könnte sich nun ändern, denn LYNX (nicht zu verwechseln mit der schwedischen Band gleichen Namens) sind schon mal gut aufgestellt, was das Internationale angeht, denn die Griechen von No Remorse veröffentlichen jetzt das Debüt der Jungs mit dem Titel "Watcher Of Skies". Und das, wo die Band auch erst seit dem Frühjahr 2020 existiert. Große Schritte zum Ruhm also? Nun ja, mit ihrer musikalischen Ausrichtung sollten LYNX schon mal am Puls der Zeit sein, denn Truppen, die sich dem Classic Rock widmen, haben durchaus immer noch Konjunktur. Genau das macht die Sache auch etwas tricky. Denn man sollte schon eine gewisse Nische besetzen, um überhaupt aufzufallen. Die haben LYNX auf jeden Fall schon mal gefunden. Die Musik des Vierers ist schon im härteren Rock der 70er und frühen 80er verwurzelt, und das Infoschreiben des Labels liegt auch nicht so falsch, wenn es auf early BOSTON (ohne die genialen Soundspielereien eines Tom Scholz wohlgemerkt) oder auch die SCORPIONS verweist. Ganz klassisch auch der Einsteig in das Album mit 'Miscovery', einem kurzen Instrumental, beginnend mit den Drums von Franz Fesel, zu dem sich zuerst der Bass von Phil Helm und dann die Gitarren von Marvin Kiefer und Tim Künz gesellen. Nahtlos der Übergang zu 'Grey Man', das mit seinem lockeren Groove zu gefallen weiß und bei dem die unaufgeregten Vocals von Marvin Kiefer schön zur Geltung kommen. Das leicht treibende nachfolgende 'Lynx' könnte ich mir als tollen Opener für eine Show vorstellen. Leicht sperrig kommt danach 'Savage Mountain' daher, wohl auch wegen seiner Richtungswechsel, inklusive leicht psychedelisch klingender Parts. Wer die SCORPIONS zu Zeiten von "Lovedrive" mag, der sollte mit 'Eternity's Hall' auf seine Kosten kommen: ein Song, der mit ausgeklügeltem Songwriting aufwartet. Überhaupt fällt auf, daß LYNX trotz der kurzen Zeit ihres Bestehens intensiv an eben jenem Songwriting gearbeitet haben dürften, denn "Watcher Of Skies" ist alles andere als ein Schnellschuß. Klar, wir haben es hier mit einem Debüt zu tun, die nur in den seltensten Fällen zu 100 Prozent fehlerfrei sind. Das gilt auch für die Gießener, die manchmal etwas zu viel wollen und die stattdessen besser das eine oder andere Hook mehr hätten einbauen können. Aber - wie oft - Meckern auf höchstem Niveau. Das wird spätestens nach dem Instrumental 'Odyssey' in 'Heartbreak City' deutlich, einem feinen Heavy Rocker, der ganz bestimmt Freunde der frühen NWoBHM ansprechen sollte. Die - und auch die Fans von frühem Metal aus Deutschland - dürften ihren Spaß mit dem Uptempo-Song 'Dark Shadows Rising' haben. Mich erinnert der Track sehr an das Debüt der deutschen STEELER, was wohl auch daran liegt, daß Marvin Kiefer verdammt nach Peter Burtz klingt. Einen richtigen Grower haben LYNX dann schließlich mit dem Titeltrack ans Ende ihres Albums gepackt. Was getragen beginnt, entwickelt sich spätestens nach zwei Minuten zu einem feinen Heavy Rocker. Wie LYNX das Album eröffnet haben, so beenden sie es auch, wenn zuerst die Gitarristen ihren Job beenden, dann der Bassist, bis zum Schluß nur noch der Drummer übrig bleibt. Letztendlich gibt es nur einen Punkt, den ich vielleicht am gesamten Album zu bemängeln hätte. Ich würde nie sagen, daß der Classic Rock der ersten acht Songs schlecht wäre, aber wie LYNX diesen mit deutlich härteren Zutaten auf den letzten beiden Songs mischen, davon hätte ich mir mehr gewünscht. Wie bereits gesagt, "Watcher Of Skies" ist ein Debüt, und die Luft, die nach oben beibt, darf beim nächsten Streich gerne genutzt werden. "Watcher Of Skies" ist ein Album, das grundsätzlich als gelungen bezeichnet werden darf, was auch an der Produktion liegt, die - so wie es in diesem Genre eigentlich sein sollte - nicht überfrachtet ist. Man hört den Jungs von LYNX an, daß sie voll und ganz hinter ihrer Musik stehen und einfach nur das machen, worauf sie Bock haben. Auch wenn hier noch nicht alles Gold ist, was glänzt, sollten LYNX sich nicht entmutigen lassen und ganz einfach ihren eingeschlagenen Weg gehen. So sind dann auch die siebeneinhalb Punkte unter dem Review zu verstehen. Gesamtwertung: 7.5 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Miscovery 02. Grey Man 03. Lynx 04. Savage Mountain 05. Eternity's Hall 06. Odyssey 07. Heartbreak City 08. Beyond The Infinite 09. Dark Shadows Rising 10. Watcher Of Skies | Band Website: www.facebook.com/Lynxheavyrock Medium: CD, LP Spieldauer: 43:56 Minuten VÖ: 26.11.2021 |
Alle Artikel