Violet Cold - kOsmik

Review von Zephir vom 09.05.2019 (5887 mal gelesen)
Violet Cold - kOsmik VIOLET COLD kenne ich seit noch gar nicht so langer Zeit - mit Musik aus Aserbaidschan ist unser Markt schließlich auch nicht gerade übersättigt. Dabei lohnt sich ein ausgiebiger Exkurs durch die zahlreichen Outputs von Emin Guliyev, der VIOLET COLD als Ein-Mann-Projekt betreibt: "Desperate Dreams" (2015) passt in seiner Mischung aus Post Black Metal, Ambient und Elektronik in die Nische von AN AUTUMN FOR CRIPPLED CHILDREN oder GERM, "Magic Night" (2016) lädt ein auf eine instrumentale Reise in die Welt des Post Metal / Post Rock mit teils neoklassischen Elementen, "Anomie" (2017) paart auf höchst stimmige Weise blackmetallisches Geknüppel mit Ambient-Post-Rock und gar folkloristischen Einschlägen, und die interessanterweise deutsch betitelte Instrumental-Trilogie "Sommermorgen Pt. I - III" (2018) kommt mit ihrem Ambient Post Rock schon bald dem New Age nahe. Entsprechend neugierig war ich auf das jüngste Werk "kOsmik": Und das, liebe Leute, übertrifft meine Erwartungen bei Weitem. Zwar verzichtet das Album leider komplett auf Folklore-Klänge, dafür zündet Emin Guliyev hier ein wahres Feuerwerk an Klangfarben und -Formen.

'Contact' führt zur Eröffnung mit atmosphärischen Synthies und eingestreuten Sprachsamples wie aus der Kosmodrom-Kommandozentrale in futuristische Sternenschiffer-Welten. Die verträumte Leichtigkeit des Tracks, die durch dezente Elektrobeats noch verstärkt wird, geht über in schwebend-schwimmende Shoegazer-Gitarrenklänge und organische Drums, und eine (von älteren Alben bereits bekannte?) Frauenstimme setzt ein, in wunderbarem Kontrast archaisch. Überhaupt ist das eine beeindruckende Stärke des Künstlers: Ins Moderne, oftmals Unterkühlte, etwas Warmes, Archaisches einzuflechten.

Alsdann zeigt 'Black Sun' die geballte Post-Black-Power. Den rauen Gitarren-Klangteppich rahmt ein eigenwilliges Drumming, harsche Screams bezeugen die Zugehörigkeit zum schwarzen Genre, bis der Track sich im luftleeren Raum verliert und eine beschwörungsartige Frauenstimme den Hörer mit durchs All schweben lässt. In plötzlich einsetzendem Blast-Geprügel scheint die schwarze Sonne zu bersten, und in die Screams mischt sich mit einem Mal auch dumpfes Grollen.

'Mamihlapinatapai' heißt kryptisch der nächste Track. Das bedeutet in der Sprache der feuerländischen Yaghan eine bestimmte Art von Blickkontakt zwischen zwei Personen. Wird es hier wieder leicht romantisch, wie es auf den vergangenen Alben von VIOLET COLD durchaus nicht unüblich war? Jedenfalls scheint eine Begegnung stattzufinden, was auch die Mischung von sphärisch entrückten Female Vocals und dem harschen Gesang des Masterminds unterstreicht. Leider liegen mir die (in der Regel aserbaidschanischen) Texte nicht vor, die ich ja immerhin durch eine Übersetzungsmaschine hätte jagen können. Der Track überzeugt mit üppiger Blastbeat-Raserei und kontemplativen Passagen, und obgleich gegen Ende die Harmonien recht lieblich werden, erinnert mich 'Mamihlapinatapai' an ALCESTs Ära "Écailles De Lune".

'Space Funeral' drosselt das Tempo ganz titelgerecht bis aufs Doomige hinunter. Das Arrangement ist vieldimensional angelegt, und das absolute Highlight sind die tief doomig grunzenden Vocals, die im Klangteppich der Musik verschwimmen. Auch in 'Ultraviolet', einem Track, der im Gesamtkontext des Albums erstaunlich melancholisch ist, wird tief und erdig gegrowlt, gleichzeitig fern entrückt und wie aus den tiefsten steinernen Sedimenten geschürft im Kontrast zu den sphärischen Sounds stehend.

In 'kOsmik' kulminieren Blast, Black-Metal-Gekreisch und dramatische Moll-Harmonien, die nach und nach harmonisch erhellt werden und schließlich mit jubelnder Sängerin zwischen den schillernden Sternen in ein fulminantes Finale münden.

Was bleibt, ist Stille: Bachs berühmtes Air aus der Suite Nr. 3 in D-Dur findet seine ganz eigene kosmische Version in 'Ai(r)'. Das Klavier, unterlegt mit Klängen von irgendwo aus dem aufgehobenen Raum-Zeit-Kontinuum, folgt keineswegs der gewohnten Tonfolge - es lohnt sich, genau hinzuhören, die Variante von Emin Guliyev ist äußerst raffiniert.

Ich kann allen Freunden des Post (Black) Metal nur dringend ans Herz legen, sich einmal Zeit zu nehmen für VIOLET COLD. "kOsmik" wird hoffentlich das Album sein, das dem Projekt zu mehr Bekanntheit in Mitteleuropa verhilft - und sollte dem nicht so sein, dann wird eine eingefleischte kleine Fangemeinde eben glücklich unter sich bleiben. Diese überwältigende Reise durch Raum und Zeit verdient jedenfalls nicht weniger als die volle Punktzahl.

Gesamtwertung: 10.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Contact
02. Black Sun
03. Mamihlapinatapai
04. Space Funeral
05. Ultraviolet
06. kOsmik
07. Ai(r)
Band Website: violetcold.bandcamp.com/
Medium: CD
Spieldauer: 36:04 Minuten
VÖ: 11.04.2019

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Danke für das tolle Review, entspricht genau dem was ich vom Album mitgenommen hab
10/10   (25.12.2019 von Mathias)

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