Interview mit Christian Stöver von Love Might Kill

Ein Interview von Stradivari vom 14.08.2011 (9557 mal gelesen)
imgleftSelten hat mich eine Scheibe auf Anhieb dermaßen überzeugt wie das Debut von LOVE.MIGHT.KILL. Fette neun Punkt heimste "Brace For Impact" ein, und dass dies keineswegs eine exklusive Ansicht ist, beweisen die Reaktionen in sämtlichen Printmedien und Webzines. Da will man natürlich wissen, wie so etwas möglich ist, aus dem Stand ein solches Mörderalbum rauszuhauen. LOVE.MIGHT.KILL-Mastermind und Sprachrohr Michael Ehré gab uns bereits im Dezember in seiner Funktion als Drummer von FIREWIND ein spannendes Interview, daher musste sich diesmal ein Anderer opfern. Es erwischte Christian Stöver, seines Zeichens Gitarrist der Melodic Metal-Shooting Stars. Der introvertierte Vollblut-Musiker erwies sich als typisches Nordlicht - da wird nicht unnötig gelabert und rumgekaspert, nein, der Mann sagt, was er zu sagen hat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Auf Grund seiner Erfahrungen mit enormer Bodenhaftung gesegnet, erläutert und kommentiert er völlig sachlich unter anderem das Innenleben von L.M.K., warum Metal-Fans nicht downloaden und weshalb ROBBEN FORD sein Vorbild ist.

Hallo Christian, zunächst mal vielen Dank, dass Du Dir Zeit für bleeding4metal.de nimmst. Eigentlich ist ja Michael Euer Pressesprecher, aber da ich ihn bereits vor ein paar Monaten zu Gast hatte, musst Du nun leider dran glauben. Hahaha... Allerdings denke ich, das machst Du auch relativ gerne, mit einem solch großartigen Album und der euphorischen Presseresonanz im Rücken. Ich spare mir daher nun auch die überflüssige Frage, wie Du Dich fühlst, aber andererseits muss es doch gerade für Dich irgendwie eigenartig sein. Du warst Mitglied einer der meist gehypten deutschen Metalbands, CROSSROADS, hattest einen Major Deal in der Tasche, aber dies endete letztlich in einem kompletten Desaster und nun bist Du quasi ohne Vorwarnung und großes Heckmeck auf dem Höhenflug. Schizophren, oder?

Christian Stöver: Richtig, Das ist schon alles ziemlich verrückt. Und über das Kapitel CROSSROADS könnten Stefan (Ellerhorst, der andere L.M.K.-Gitarrist und ebenfalls Ex-CROSSROADS) und ich ein ganzes Buch schreiben. Und das wäre sicherlich sehr unterhaltsam... Aber nun zu LOVE.MIGHT.KILL. Auf dem Höhenflug sind wir bestimmt nicht, aber wir freuen uns natürlich über die durchweg guten Reaktionen auf das Album und das spornt zu weiteren Taten an.

Wie kamst Du eigentlich zu LOVE.MIGHT.KILL? Hat Michael Dich einfach angerufen und gesagt, "Hey, ich stell' gerade 'ne geile Combo zusammen, hast Du Lust?", oder wie ist es gelaufen?

Christian Stöver: Wir kennen uns aus der CROSSROADS-Zeit vor zwanzig Jahren. Damals reiste er uns als Fan ständig hinterher und nervte rum...Hahaha... Als ich nach dem zweiten Album bei CROSSROADS ausgestiegen war, wollte mich Michael für seine damalige Band verpflichten, aber ich hatte erst einmal die Nase voll vom Metalbusiness. Irgendwann rief Michael mich dann wieder an und fragte, ob ich nicht bei den Aufnahmen für das Album seiner Band MURDER ONE mitmachen wollte - was ich tat. Im Laufe der letzten Jahre habe ich für Michael bei Studioproduktionen immer mal wieder soliert. So auch für die Songs auf unserer CD. Tatsächlich hatte Michael dann bei mir angerufen und gesagt "Das wird geil, willst Du nicht mitmachen?". Nach einigem Zögern - man ist ja nicht mehr der Jüngste - habe ich dann zugesagt.

Gott sei Dank! Bevor wir detaillierter auf "Brace For Impact" eingehen, wo siehst Du allgemein die Stärke von LOVE.MIGHT.KILL? Ihr seid alle großartige, erfahrene Musiker, keine Frage. Aber viele andere Bands haben die gleiche Voraussetzung und kriegen ein solches Album nicht ansatzweise auf die Kette... ...da muss es doch irgendetwas geben, was bei Euch funktioniert und bei anderen nicht...

Christian Stöver: Michael weiß genau, was er will. Seine Songideen sind über einige Zeit gereift und wir haben diese zusammen optimal umgesetzt... Besonders Jan (Manenti, Sänger von L.M.K.) hatte mit seinen Melodien eben genau das richtige Händchen für die Musik.

Mich wundert vor allem, dass Ihr nun wahrlich keine gewachsene Gruppe seid, sondern von Michael bewusst zusammen "rekrutiert" wurdet. Und trotzdem klingt die Scheibe so unvorstellbar organisch, ehrlich und homogen...

Christian Stöver: Am Anfang hatte alles schon eher Projektcharakter. Aber als wir dann gemerkt haben, wie gut es funktioniert, haben wir uns dann mächtig ins Zeug gelegt. So kam eines zum anderen. Zudem stimmt die Chemie bei uns. Nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich.

Der einzige Kritikpunkt in meinem Review von "Brace For Impact" ist die Wahl des Openers. Warum habt Ihr eigentlich 'Tomorrow Never Comes' und keinen klassischen, schnellen Auftakt gewählt?

Christian Stöver: Genau dieses Klischee wollten wir eben nicht erfüllen. Deshalb ein Midtempo-Song als Opener.

Diesen Track hat Michael mit Doogie White komponiert, wie auch 'Pretty Little Mess'. Im Grunde ist "Brace For Impact" ja quasi eine Soloscheibe von Michael, aus der sich eine Band entwickelt hat. Ich frage mich, wie sieht es mit dem nächsten Output aus. Wartet Ihr, bis Michael erneut genügend Titel komponiert hat, oder plant Ihr jetzt eine demokratische Vorgehensweise? Zumindest sind Stefan und Du ja ebenfalls überdurchschnittliche Songwriter...

Christian Stöver: Wir sehen uns schon als demokratische Band, auch wenn Michael den musikalischen Weg vorgegeben hat. Obwohl er Kopf der Band ist, lässt er uns dennoch genügend kreativen Spielraum. Beim nächsten Album werden sich sicherlich alle am Songwriting beteiligen, ohne den Stil von L.M.K. grundsätzlich zu verändern.

Mein absolutes Gänsehaut-Erlebnis auf "Brace For Impact" ist das eben bereits erwähnte 'Pretty Little Mess'. Welches ist Dein persönlicher Favorit, und wenn Du die Chance hättest, jemandem, der das Album nicht kennt, einen einzigen Song zu empfehlen, der Euch am besten repräsentiert, welchen würdest Du wählen?

Christian Stöver: Schwierig zu sagen. Es sind zu viele gute Songs auf dem Album. Außer 'Pretty Little Mess' für mich persönlich vielleicht das von Dir erwähnte 'Tomorrow Never Comes'. 'We Are The Weak' ist auch ein Favorit von mir.

Bevor ich das Album gehört habe, hätte ich Euch an Hand der Pics eher etwas härter vermutet, zumal Ihr die klassische Metal-Besetzung habt. Dabei tragen gerade die Keys teilweise extrem zur Atmosphäre der Songs bei. Warum verzichtet Ihr auf einen festen Tastenmann und behelft Euch live mit einem Aushilfs-Keyboarder? Ist das nicht etwas inkonsequent?

Christian Stöver: Wir haben bei den Proben sofort gemerkt, dass unser Sound stark vom Keyboard mitgeprägt wird. Deshalb haben wir Sascha Onnen (Ex-MOB RULES) vom Aushilfs-Keyboarder umgehend zum festen sechsten Mann befördert.

Habt Ihr mit LOVE.MIGHT.KILL eigentlich einen Masterplan, oder regiert im Moment noch das Prinzip Zufall?

Christian Stöver: Der Erfolg gibt vor, wohin die Reise geht. Wir freuen uns erst einmal alle riesig auf weitere Livekonzerte, die im Herbst stattfinden werden. Eventuell wird's dann auch im Frühjahr 2012 noch eine Tour geben. Ich kann da leider noch nicht ins Detail gehen, da es bislang noch nicht confirmed ist.

Von dem durchgehend überaus positiven Echo in den Medien mal abgesehen, wie messbar ist der Erfolg eines Albums heute eigentlich noch? Früher hat eine Band eben so und so viele Einheiten abgesetzt, das war halt gut oder enttäuschend. Heute kann man doch gar nicht mehr exakt nachvollziehen, wer, wo, was gedownloadet hat. Oder führt Euer Label Buch und Ihr bekommt Infos darüber?

Christian Stöver: Was bis jetzt vom Album verkauft wurde, weiß ich nicht. Es läuft aber gut an, sonst hätten wir bestimmt kein Japan-Release bekommen. Ein messbarer Erfolg sind schon die tollen Album-Reviews - große Verkaufszahlen erreicht heutzutage sowieso kein Newcomer mehr und wir sind nie davon ausgegangen, viel Geld damit umzusetzen. Gedownloadet wird im Metal-Bereich eher weniger - hab' ich gehört. Richtige Fans wollen doch das Album mit Originalcover haben!

Zum Abschluss noch mal zu Dir persönlich. Neben den üblichen Verdächtigen wie MAIDEN, AC/DC und ACCEPT zählt der Bluesgitarrist ROBBEN FORD zu Deinen Alltime-Favourite-Bands. In der puristischen Blues-Ecke hätte ich Dich ehrlich gesagt nicht vermutet... Vor allem, gute Blues-Gitarristen gibt es viele, was unterscheidet ROBBEN FORD von den anderen, und inwieweit hat er Dich beeinflusst?

Christian Stöver: Man muss immer das spielen, was zur Musik passt. Wenn mich jemand fragen würde, ob ich auf seiner Bluesscheibe mitspielen möchte, würde ich das tun. Und ich glaube, keiner würde dann meinen, dass ich ein Metaller bin... ROBBEN FORD ist ein unglaublich flexibler Musiker. Er kann den sogenannten Urban Blues ebenso virtuos spielen, wie Fusion und Jazz. Deshalb ist sein Spiel eine Bereicherung meines musikalischen Horizontes. Ein echtes Vorbild eben..

Ich weiß, dass sehr viele Fans nun auch neugierig sind, LOVE.MIGHT.KILL auf der Bühne zu sehen. Die ersten beiden Gigs sind absolviert und es muss richtig gut abgegangen sein, wenn man sich die YouTube-Videos anschaut. Du hast uns ja vorhin bereits Hoffnung gemacht, dass es im Herbst einige Gigs geben wird und für kommendes Jahr eventuell eine Tour angedacht ist. Geht es denn auch gen Süden oder beackert Ihr nur Norddeutschland?

Christian Stöver: Wie gesagt, wir arbeiten dran. Das Booking macht zur Zeit noch Michael, und der hat leider noch Vieles neben L.M.K. am Start. Definitiv werden wir im Herbst im hohen Norden wieder auf der Bühne stehen. Wenn alles weiter so gut läuft, wagen wir uns im neuen Jahr weiter nach Süden vor.

Das wäre klasse, kommt ruhig, wir beißen nicht. Hahaha... Christian, nochmals ganz herzlichen Dank, dass Du Dich zur Verfügung gestellt hast. Es ist wirklich schön, dass es mit LOVE.MIGHT.KILL endlich wieder eine richtig geile, "neue" Band aus Deutschland gibt, die wir von bleeding4metal.de selbstverständlich aufmerksam begleiten werden. Alles Gute und riesig viel Erfolg, Dir und dem Rest von LOVE.MIGHT.KILL!

Christian Stöver: Ein riesiges Dankeschön für Eure tolle Unterstützung. Bis zum nächsten Interview.

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