Livebericht Overkill (mit Flotsam And Jetsam und Destruction) |
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Ein Livebericht von Rockmaster aus München (Backstage) - 10.02.2019 (42259 mal gelesen) |
Am 10.3.2019 soll um 19:00 das "Killfest" im Backstage in München steigen. Ich bin spät dran, die Schlange geht bis auf die Straße, und der Einlass hat noch nicht begonnen. Schnell mal angestellt und auf den Freund gewartet, der noch später kommt. Endlich bewegt sich die Schlange, und ich schaue, dass ich reinkomme. Das "Backstage Werk" mit einer Kapazität von etwa 1200 Personen ist ausverkauft, füllt sich aber nur langsam. Freundlicherweise schickt man auch den ersten Act nicht auf die Bühne, bevor die Halle sich nicht halbwegs gefüllt hat. Bevor es losgeht, habe ich noch ein wenig Zeit zu ratschen (Achtung, Exil-Rheinländer in Bayern mit minimalen Anzeichen von Sprach-Assimilation. Ganz geht das nie. "Ratschen" = "Quatschen"). Dann zeichnet sich der erste Auftritt ab, und ich verabschiede mich temporär von meinem Freund und gehe vor die Bühne. Enter stage: DESTRUCTIONVier junge Metaller betreten die Bühne, einer setzt sich hinters Schlagzeug, die anderen stellen sich mit dem Rücken zum Publikum, Gitarren beginnen zu lärmen, die drei vorne drehen sich rum, und los geht's ... Moment ... junge Metaller? Haben die DESTRUCTION mit der Zeitmaschine abgeholt? Nochmal genauer hingeschaut, irgendwas passt da nicht. O.K., zurück auf null. Die Schrift hinter der Bühne kann ich nicht entziffern, da muss ich mich tatsächlich später am Merchandise-Stand schlaumachen und einige Quellen konsultieren, um die Setlist zu ermitteln. Enter stage: CHRONOSPHEREDie vier Jung-Thrasher aus Athen haben den zumeist undankbaren Job, das Publikum in Stimmung zu spielen. 2009 als HOMO SAPIENS gegründet, haben sie dafür immerhin schon drei Alben im Gepäck, aber leider nur ca. 30 Minuten Zeit, einen Überblick über ihr Schaffen zu präsentieren. Technische Probleme (Sänger und Gitarrist Spyros Lafias' Verstärker zickt schon vor der Show, und nach zwei oder drei Titeln lässt er das Gitarrespielen ganz sein) machen den Auftritt nicht leichter, aber die Band ist von Anfang an dabei und macht mächtig Alarm. Stam an der zweiten Gitarre rifft nach Spyros Ausfall für zwei und spielt auch alle Soli, was die Band etwas tighter, "klassischer" klingen lässt. Ein bisschen Rock 'n' Roll à la MOTÖRHEAD klingt aber ohnehin von Anfang an mit. Bassist Thunders bildet mit der Rhythmusgitarre oft eine melodische Einheit, und am Schlagzeug macht Thanos Krommidas mächtig Dampf. Klasse Thrashnummern aus dem Repertoire von CHRONOSPHERE sind der Titel 'Envirusment' und, nach der Ansage "Do you have a good time or what? 'Cause I can't fucking hear you." die Nummer 'Picking Up My Pieces'. Entgegen der Ansage, das Publikum geht dabei mit, einige Fans der Band sind sicher mit anwesend, aber auch die Menge klatscht und jubelt deutlich mehr als einen Anstandsapplaus. CHRONOSPHERE erfüllen ihren Job, die Menge anzuheizen, energetisch und überzeugend. Es dauert ein paar Titel, da kommt auch zum ersten Mal Bewegung ins Publikum, und schließlich, nach der letzten eigenen Nummer, 'Brutal Decay', wird die Band schon sauber abgefeiert. Zum Abschluss gibt es das MOTÖRHEAD-Cover 'Ace Of Spades', mit dem die Jungs nochmal schön abrocken. Spyros lässt sich eine Runde Crowdsurfing nicht nehmen, und dann war's das leider auch schon. Man darf davon ausgehen, dass die Band, die auch schon 2013 in Wacken spielen durfte, hier wieder ein paar potenzielle Anhänger neugierig gemacht hat (ich habe schon mal neben allen anderen Ressourcen für diesen Artikel YouTube bemüht, und noch ein paar Studio-Songs angehört - wirklich lohnenswert). FLOTSAM AND JETSAMDer Auftritt von FLOTSAM AND JETSAM kündigt sich an, als Ken Mary beim Einstellen des Drumkits auf dem Hocker Platz nimmt und ebendiese mit ein paar ersten Drumfiguren testet. Dann dauert es noch eine Weile, bis es wirklich losgeht. Gitarre und Mikro werden nochmal angetestet, und dann leitet eine Sirene das Ende - oder den Anfang - des Chaos ein. FLOTSAM AND JETSAM beginnen ihren Auftritt mit dem Song 'Prisoner Of Time' vom aktuellen Album "End Of Chaos", der auch live hammermäßig zündet. Danach kommt, au weia, wie heißt der Song nochmal? Ich habe tatsächlich später recherchieren müssen, um sicher zu sein, dass es sich um 'Desecrator' vom ersten Longplayer der Band, "Doomsday For The Deceiver" handelt. Die flirrenden Gitarrensoli und -duette von Michael Gilbert, der mit seiner Kurzhaarfrisur im Vergleich zu den langhaarigen Bubi-Fotos von damals nicht wiederzuerkennen ist, und Steve Conley sind brillant wie in alten Tagen - "dinosaur days", wie es A.K. in einer Ansage nennt. Abgesehen von 'Iron Maiden' kommen in Folge nur Titel von "Doomsday", dem Follower "No Place For Disgrace" (mit dem ich FLOTSAM AND JETSAM-Fan wurde) und dem aktuellen Album. A.K. singt immer noch wie ein junger Thrash-Metal-Gott, und die Band, von der (abgesehen von A.K.) nur Michael Gilbert bei den Aufnahmen der beiden alten Alben dabei war, vereinnahmt die alten Titel derart lebendig, dass man glaubt, es hätte nie Änderungen im Line-up gegeben oder als wären die Songs gerade erst geschrieben worden. 'Hammerhead' darf da nicht fehlen, Wahnsinn, wie frisch der Song noch klingt. Eine Erleuchtung, wie ich vielleicht an anderer Stelle schon einmal erwähnt habe, ist Ken Mary, der den Songs einen unglaublichen Drive gibt. Michael Spencer, dem ich bei der Album-Rezension ein paar "coole Bassläufe attestierte", zuzuschauen ist eine Wucht. Was er aus seinen fünf Saiten herauszaubert, ist unglaublich und war auf der Album-Produktion so nur schwer wahrnehmbar. Wenn die Rhythmus-Fraktion durch eine oder zwei Gitarren unterstützt wird, dann gibt es einen mega-fetten Sound. Sicherlich sind FLOTSAM AND JETSAM schon etwas bekannter als die erste Vorgruppe und haben auch mehr Songs und Erfahrung auf dem Buckel. Aber garantiert überzeugen sie auch viele derjenigen im Publikum, die die Band vorher so nicht auf dem Radar hatten. Die Reihen haben sich gefüllt, es wird fleißig gebangt und nach den Songs begeistert applaudiert. "Goddamn, look at all those beautiful people here tonight", befindet auch A.K. "Are you ready for motherfucking DESTRUCTION? Are you ready for OVERKILL?" wird noch pflichtbewusst vom Publikum bejaht, aber natürlich geht das nicht, ohne noch ein paar Songs von FLOTSAM AND JETSAM. "You think you're ready but you're not", lautet trocken das Urteil, und schon geht es mit 'Demolition Man' weiter. Ein Schalk, wer dabei an US-amerikanische Präsidenten denkt. 'Recover' wird noch von dem unumgänglichen 'I Live You Die' und 'No Place For Disgrace' eingerahmt, und mit dem Klang der Sirene erwacht die bedauerliche Erkenntnis: Das ist das "End Of Chaos". Schade, mit gut 40 Minuten war der Auftritt zwar erste Sahne aber viel zu kurz. Ein bisschen enttäuscht bin ich, dass 'Unwelcome Surprise' gefehlt hat. Das wäre eine willkommene Überraschung gewesen. Ansonsten geht es mir wie einem Großteil des Publikums: Wir sind hin und weg. Auch der Freund, der mich begleitet, bestätigt, dass der Auftritt "obergeil gewesen und er beeindruckt sei". Zugaben gibt es leider keine. Sniff. Enter stage: Da sind sie nun also, motherfucking DESTRUCTIONFür mich der am schwierigsten zu beschreibende Auftritt, denn DESTRUCTION habe ich nie wirklich auf dem Radar gehabt. Aber schnell wird klar, was DESTRUCTION heute Abend vorhaben: Hier wird mit der Hilti durch massiven Beton gethrasht. Vom ersten Song, 'Curse The Gods' aus alten Zeiten von "Eternal Devastation", wird mit grobem, schnellen Drive von Randy Black am Schlagzeug und fliegenden Haarschöpfen vom Rest der Band das Publikum zu ekstatischer Höchstleistung angetrieben. Trotz klasse Soli von Lead-Gitarrist Mike ist klar, Filigranarbeit ist hier weniger gefragt. Dafür liefern Schmier am Bass (und Gesang), Damir Eskić an der Rhythmusgitarre und Randy schon in 'Release From Agony' hammermäßige Grooves ab. Wer bei 'Nailed To The (fucking) Cross' noch nicht bangt oder ein Moshpit gefunden hat, der hat hier irgendwas nicht verstanden. 35 Jahre Bandgeschichte in etwa 50 Minuten Auftritt zu packen ist nicht leichter als die Songauswahl von CHRONOSPHERE, aber DESTRUCTION gelingt es, aus jedem Jahrzehnt etwas zu spielen. 'Mad Butcher' gehört dazu, und das Publikum weiß das ebenso zu goutieren wie das permanente, gnadenlose Tempo der Band. Zweifelsohne interagiert Schmier im Vergleich zu den anderen Bands des Abends am meisten mit dem Publikum - ohne Sprachbarriere auch nicht weiter schwer. Und die Songs animieren einfach, zu feiern. So ist es nicht verwunderlich, dass in Reihe fünf bis neun sich ständig ein Circle Pit dreht, und dass das Publikum fast ausnahmslos der Aufforderung zur kollektiven Pommesgabel nachkommt (schade, die Kamera hat man bei sowas nie schnell genug zur Hand). Stimmung pur. Schmier findet's "schweinegeil". Mir gefällt's auch, obwohl mir der Auftritt in Erinnerung ruft, warum ich nie zum DESTRUCTION-Fan wurde. Mein Wunsch nach komplexeren Songs wird hier tendenziell weniger bedient. Das ist aber heute sch*** egal, denn einige hundert anwesende Fans beweisen, dass die Band es genau richtig gemacht hat. Das Fichtenmoped (Kettensäge) am Anfang von 'The Butcher Strikes Back' hat schon was Trashig-Kultiges. 'Thrash Till Death' und 'Bestial Invasion' haut die Band noch raus, und dann muss es mit der Zerstörungswut erst einmal genug sein. Künstlerischen Anspruch mögen andere Bands mehr mitbringen, Stimmung machen wenige Bands mehr als DESTRUCTION. Vor dem letzten Song fragt Schmier noch: "Seid Ihr bereit für OVERKILL? Die Jungs sind heiß!" Und es ist klar, ja, das Publikum ist jetzt endlich bereit für ... OVERKILLDie ersten Fanchöre rufen nach der Band, man hört schon die Gitarren schrammeln, und dann läuft ... 'For Whom The Bell Tolls' ... vom Band. Das wird aber schnell abgewürgt, und das Intro zum Auftritt von OVERKILL ertönt. Die Band betritt die Bühne und es geht in atemberaubendem Tempo mit 'Last Man Standing' los. Mit beinahe vierzig Jahren Bandgeschichte sind OVERKILL die dienstältesten Recken heute Abend auf der Bühne. Als erklärter Fan der frühen Ära mit Bobby Gustavson an der Gitarre, der alleine meiner Ansicht nach besser spielte als das ein oder andere Gitarrenduo der Bandgeschichte, kenne ich eine Handvoll der Songs nicht, erklärtermaßen gab es aber auch künstlerische Differenzen, die zum Weggang von Bobby geführt hatten. Nun spielen OVERKILL schon seit fast zwei Jahrzehnten mit Live-Rhythmusgitarrist Derek "The Skull" Tailer und Leadgitarrist Dave Linsk, die die Band wieder ihr volles Potential ausschöpfen lassen. Während Derek gerne ein wenig Show macht, ist Dave in seiner Bühnenpräsenz stets unscheinbar, aber an den Saiten um so besser. Von FLOTSAM AND JETSAM haben OVERKILL Schlagzeuger Jason Bittner abgeworben. Danke, Jungs (siehe Absatz über FLOTSAM AND JETSAM)! Jason spielt für eine Thrash-Metal-Band vergleichsweise technisch, anstatt ständig vollstoff draufzutrümmern. An zwei Namen kommt man bei OVERKILL einfach nicht vorbei. In der Mitte der Bühne macht Bobby "Blitz" Ellsworth eine expressive Show sondergleichen, die man einfach gesehen haben muss, ganz abgesehen davon, dass man seine extraordinäre Stimme mal gehört haben muss. Wenn er jedes zweite Wort mitgestikuliert, seine Posen einnimmt und den Mikrofonständer wirbelt, wird der Rest der Band annähernd unsichtbar. Dankenswerterweise verlässt er die Bühne, wenn es keinen Gesangspart gibt, und überlässt dann dem Rest der Band die Show. Setzt der Gesang wieder ein, flitzt er schneller zurück ans Mikro, als man das von jemand in seinem Alter erwartet hätte. Wirkt sein Gesicht schon etwas faltig, ist er dennoch überaus drahtig und agil. Und, was der Hammer ist, seine Stimme klingt wie vor fünfunddreißig Jahren auf "Feel The Fire". Rechts neben ihm spielt D.D. Verni Bass und geht dabei ab wie ein Zäpfchen auf Speed . Der Knabe ist Energie pur. Sein schnelles, tiefes Bassspiel hat etwas von Punk - wenig überraschend, da doch die Ursprünge der Band eher dort als im Thrash Metal zu suchen sind. Die wilde, lockige Matte von anno dazumal ist runter, dafür tritt rein optisch seine B.C. Rich Widow etwas mehr in den Vordergrund. Und über sein Können an den vier Seiten muss man nichts sagen, oder? Blitz hat ihn liebevoll so vorgestellt: "On the four string Bass, because he can't play the six ..." Mit 'Hello From The Gutter', 'Elimination' und 'Deny The Cross' kommen schnell drei Songs aus meiner Lieblings-Ära. Das Publikum ist eh nicht mehr zu halten, obwohl die Fans in meiner Altersklasse langsam Ermüdungserscheinungen zeigen sollten. Richtig schön wird es irgendwie, als Blitz sein leicht bipolares Weltbild erkennen lässt. Es gibt für ihn offenbar nur "Me (= Blitz, OVERKILL), and you (= Fans, Audience)". Zitat: "Twothousandandfuckingnineteen and we both still are doing this." Danach kommt 'Distortion' vom aktuellen Album "The Wings Of War", das eindrucksvoll belegt, dass die Band nach all der Zeit auf allerhöchstem Niveau spielt und eine Instanz ist, an der man im Thrash Metal einfach nicht vorbeikommt. Mit 'Necroshine' ist auch ein Vertreter der Periode, in der OVERKILL etwas mehr groovte und etwas weniger thrashte, vertreten. Blitz geht versiert auf das deutsche Publikum ein ("deutsche Metalheads") speziell auch auf das Münchner Publikum (bei einem etwas zu leise ausgefallenen Applaus: "I believe I'm in Hamburg"). Herrlich auch die Bekundungen "We got a lot of history together, don't we? ... It makes me feel old sometimes, but as soon as I stand on one of these motherfucking stages in Germany I feel like I'm 25." und (greift sich links an die Brust) "My motherfucking heart is about to explode up here. I don't know if I'm having a heart attack or if it's love." Nach den unvermeidbaren Titeln 'Under One' und 'Bastard Nation' aus den 90ern geht es mit 'Mean Green Killing Machine' noch einmal in die musikalische Neuzeit der Band, bevor 'Feel The Fire' und 'Rotten To The Core' erahnen lassen, dass sich der Auftritt dem Ende neigt. Tatsächlich ist dann erst mal kurz Schluss, und OVERKILL lassen sich zum Glück nicht sehr lange bitten. Neben 'Ironbound' und 'Welcome To The Garden State' bildet der (einzige?) Coversong des Abends, und dennoch ein Klassiker, ohne den sich kein Fan OVERKILL vorstellen kann, nämlich 'Fuck You' den Abschluss des Abends. Angekündigt mit den Worten, "Mein Deutsch ist nicht so perfect, my English is bad, but my sign language", und der entsprechenden Geste ist klar, was kommt, und es ist klar, nach der Reprise ist Schluss. Knappe 90 Minuten haben die Jungs uns fertig gemacht, und, Hölle, es hat verdammt Spaß gemacht. weitere Fotos:hier Setlists:CHRONOSPHEREBefore It's Gone Envirusment Warriors Picking Up My Pieces Brutal Decay Ace Of Spades (MOTÖRHEAD Cover) FLOTSAM AND JETSAMPrisoner Of time Desecrator Iron Maiden Hammerhead Demolition Man I Live You Die Recover No Place For Disgrace DESTRUCTIONCurse The Gods Release From Agony Nailed To The Cross Mad Butcher Dethroned Life Without Sense Total Desaster The Butcher Strikes Back Thrash Till Death Bestial Invasion OVERKILLLast Man Standing Electric Rattlesnake Hello From The Gutter Elimination Deny The Cross Distortion Necroshine Under One Bastard Nation Mean, Green, Killing Machine Feel The Fire Rotten to The Core Encore: Ironbound Fuck You (THE SUBHUMANS-Cover) Welcome To The Garden State Fuck You (Reprise) Dank an Wikipedia, Encyclopedia Metallum und setlist.fm. Und an alle Fans und Metalheads, sollte ich irgendetwas falsch wiedergegeben haben, zögert nicht, mich zu korrigieren. |
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