Livebericht Lacuna Coil (mit Moonspell und Passenger) |
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Ein Livebericht von Opa Steve aus Cologne (Live Music Hall) - 30.12.2003 (38424 mal gelesen) |
Century Media schieben momentan schwer die Promotionschiene an. Nicht nur, dass sie für Lacuna Coil ein Video auf Dauer-Rotation bei Viva setzen - sie schicken die Mailänder direkt noch auf 'ne Headliner-Tour, und das ohne brandneues Album im Gepäck. Aber warum auch nicht? Die typische Business-Schiene Album-Tour-Album-Tour ist eh ausgelutscht, und Bands sind nun mal gut on stage, oder sie sind es nicht. Und da mich Lacuna Coil ohnehin noch nie enttäuscht haben, war ein Besuch der Live Music Hall in Köln natürlich Ehrensache, wo ich die sympathische Band bereits zum dritten Mal bewundern durfte. Aber zuerst zum restlichen Reisetross. Die Opener waren wohl Poison Black. Ich frag mich immer noch, wie man so halbgare Bands aus dem Proberaum heraus direkt in die Öffentlichkeit schicken kann. Der Sänger hatte circa "null" Live-Qualitäten, jammerte sich einen ab und merkte noch nicht einmal, dass seine Aufforderungen ins Publikum auf überhaupt keine Resonanz stießen. Verquere und überhaupt nicht zündende Ansagen waren ein deutliches Indiz, dass diese Band eigentlich noch nicht auf Tour gehört. Zum Teil glaubte man, eine grottenschlechte HIM-Coverband zu hören, denn die Anleihen an Villes Schmachttruppe waren nicht zu überhören. Für kompositorisches Niveau, spielerische Leistung sowie Bühnenpräsentation kann man leider nur ein komplettes "Durchgefallen" konstatieren. Nicht viel besser erging es Passenger. Auch sie hatten mit der Eigenständigkeit so ihre Probleme - merkte man doch ein starkes Rüberschielen zu den modernen Einflüssen (bis zur Augenstarre - dem Moment, wo man vom Lehrer spätestens beim Abgucken ertappt wurde) des aktuellen In Flames Albums "Reroute to remain". Auch hier war die Kopie leider wesentlich schlechter als das starke Original. Der Musik fehlt einfach die Substanz, wenn man sich auf ein paar rhythmische Arrangements verlässt, welche superspärlich mit ein paar Akkorden und Sprechgesang unterlegt werden. Die gelegentlich aufbrausenden Refrains konnten das dann auch nicht mehr retten, denn zu abgelutscht war dieses Kontrasteschema, als dass es wirklich mitreißen könnte. Insgesamt waren Passenger aber wesentlich besser zu ertragen als ihre Vorgänger an diesem Abend. Tolle Momente gab es immer, wenn aus dem Off eine frauliche Zweitstimme die Harmonien deutlich aufwertete und etwas mehr Schwung in die ansonsten recht trockene Angelegenheit brachte. Moonspell, die mit ihrem wesentlich aktuelleren Album "Antidote" vor Lacuna Coil auf die Bretter mussten, hatten trotz der unterschiedlichen musikalischen Ausrichtung zum Headliner dennoch eine große Anhängerschaft im Publikum. Die Band, die nach ihrem Über-Album "Irreligious" ja eher durch experimentellen Stilbruch bei den Folgealben ins Gerede kam, besann sich ihrer alten Fans und bot durchaus härteres Material alter Zeiten vom Wolfhart-Album bis zum zitierten Irreligious. Natürlich wollte man auch die neue Scheibe vorstellen, so dass es ein steter Mix aus altem und neuem Material war. Ihre Keyboardrock-Ära wurde gottseidank stiefmütterlich behandelt, so dass die Menge wenigstens zu den meisten Songs gepflegt das Haupt schütteln konnte. Fernando besitzt nach wie vor eine prächtige Stimme und tolle Ausstrahlung. Wenn er mit dem Hexenstab und bösem Blick im Takt auf die Bühne schlägt, kommt die Gesamtperformance schon wesentlich besser rüber, als ohne diese optischen Eindrücke. Opium knallte ganz gut, und das Finale "Full moon madness" darf man durchaus als Höhepunkt des gesamten Gigs bezeichnen. Auch wenn das neue Album durchaus wieder positive Stimmen einfahren kann, konnten mich diese Songs noch nicht ganz überzeugen. Mag sein, dass man ungerecht ist, aber Moonspell wird man immer an Irreligious messen, und dieses Niveau erreichen sie einfach nicht mehr. Zu modern klingt Antidote im Vergleich dazu, und dies nimmt eine Menge der Atmosphäre. Übrig bleibt eine Band mit groovigen Songs, deren Niveau der Kapelle durchaus ihre Daseinsberechtigung verleiht. Wenn man aber die Augen schließt und Fernandos Performance vergisst, ist es doch leider nur noch eine der gehobeneren modernen Crossover-Kapellen. Lacuna Coil starteten mit lustigem Halloween-Intro zu einem der denkwürdigsten Gigs des Jahres. Nun sehe ich diese Band schon auf der dritten Tour, und sie steigern sich immer weiter. Cristina, die früher einst schüchtern am Mikro klebte, hatte sich ja schon lang zur souveränen Frontfrau gemausert, aber nun bot sie eine dermaßen intensive Performance auf der Bühne, dass der Begriff "professionell" einfach nicht mehr ausreicht. Sie taucht tief in die Songs und Emotionen ein, zelebriert zerbrechliche Titel wie "Cold Heritage" (untermalt mit irren Bässen und Loops), mimt die Wildkatze bei Banger-Material und feuert das Publikum (nicht nur hormongetriebene Kerle!) gekonnt immer wieder an, welches auf jede erdenkliche Art reagiert. Fäuste, geschüttelte Matten, Clap-Alongs, oder auch Chöre aus hunderten von Mündern ("Heaven's a lie"), die erfolgreich gegen die übermächtige PA (saulaut, aber kristallklar) ankämpften und die Band mit einem breiten Grinsen dazu motivierte, den Refrain doch ganz dem Publikum zu überlassen. Cristinas Stimme ist sicherlich nicht perfekt ausgebildet und bedarf einigen technischen Einsatzes, um sie voll klingen zu lassen, aber sie strahlt einfach diese Power aus, hält saubere Töne mühelos in den lautesten Passagen. Eine wahrlich taugliche Frontfrau. Die blöden "Ausziehen!"-Rufe gehören endgültig der Vergangenheit an, und man akzeptiert sie endlich als Künstlerin. Andrea seinerseits, der - man muss es offen sagen - natürlich niemals die Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann wie eine verdammt gutaussehende Frau, hat an seinem Gesangsstil schwer gearbeitet und sich dort deutlich gesteigert, was ihm hilft, sich etwas aus Cristinas Schatten zu singen. Er wird vom Publikum längst gleichberechtigt behandelt, und das zu Recht. Überhaupt ist niemand aus der Band wegzudenken. Die Lacunas präsentieren sich so als Einheit, dass man einen fast familiären Eindruck gewinnt. Die Saitenfront mit ihren Kutten (Jedis, wenn ich die StarWars-Leidenschaft einiger Member richtig deute) ist natürlich wieder freaky und einfach cool, und wenn sie zusammen mit Cristina und Andrea Gruppenbild mit Dame am Bühnenrand machen und als geschlossene Front im Takt bangen, dann bleibt kein Auge trocken. Man glaubt ohnehin nicht, wie hart die die Stücke, die auf CD ja mittlerweile erheblich aufwendig produziert werden, in der originalen Liveinstrumentierung klingen. Cristiano bearbeitet sein Kit mit einer enormen Power, und es ist immer wieder eine Pracht, wie unaufdringlich er kleine jazzige Spielereien in seine Technik einfließen lässt, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Lacuna Coil sind definitiv mehr Sein als Schein, und zusammen mit einem tollen stressfreien Publikum war dieses Konzert einer der seltenen magischen Momente, die sich nur in einer ganz besonderen Symbiose einstellen können. Ganz großartig. Ich könnte sie mir direkt wieder ansehen. |
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