Livebericht Nervosa (mit Rezet ) |
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Ein Livebericht von Rockmaster aus München (Backstage) - 08.05.2019 (38417 mal gelesen) |
Am 8.5.2019 haben sich die deutschen Thrash Metaller REZET und die drei brasilianischen Mädels NERVOSA im Backstage in München angekündigt. Nach dem überaus unterhaltsamen Interviewtermin mit Ricky und Attt von REZET dauert es noch eine Weile, bis sich der Laden gefüllt hat, mit 'Behind Glass' (vom Band) vom aktuellen Album der Band, "Deal With It", der erste Auftritt des Abends eingeläutet wird, und die Musiker vonREZETnacheinander auf der Bühne eintrudeln. Nach dem Intro geht es mit dem Titel 'Treadmill To Hell' gleich hoch energetisch los. Die Bühne im "Backstage Club", der kleinsten der drei Locations des Backstage, ist recht beengt, und der Saal hat, obwohl mit schätzungsweise 250 Gästen gut gefüllt, etwas vom heimischen Wohnzimmer. So springt auch gleich der Funke über und das Publikum lässt sich nicht lange bitten, sondern ist vom ersten Moment an dabei, und die ersten Metalheads fangen alsbald an zu bangen. Der Sound ist durchwachsen, aber das war hier schon immer so, und das ist auch heute dem Publikum vollkommen egal. Die Stimmung ist vom ersten Moment an toll, und man merkt, dass der Titel, der schon auf dem Album klasse rüberkommt, auch live verfängt. In der kurzen Pause vor dem zweiten Titel, 'Toxic Avenger' von der ersten veröffentlichten EP von REZET, gibt es Applaus und die ersten Rufe, und schon fliegen weiter die Haare. Auch wird hier zum ersten aber nicht letzten Mal mit ge-"Hey, hey, hey"-t. Gemessen am Status der Band, die sich nach eigenem Bekunden gerade aus dem Underground hervorgearbeitet hat, mag das überraschend erscheinen, gemessen an den technischen Fähigkeiten, den Songs und vor allem der Live Performance, hätten sie schon längst einen größeren Bekanntheitsgrad verdient. Von hinten treibt Bastian "Attt" Santen am Schlagzeug die Band an. Dabei kommt natürlich häufig das Thrash Metal-übliche, schnelle "Geknüppel" vor, aber als gelernter Jazz-Drummer versteht er es auch, geschickt den Rhythmus zu wechseln und unerwartete Figuren einzustreuen, was einigen Titeln eine für Heavy Metal besondere Note verleiht. Besonders gefällt mir rechts auf der Bühne Bassist Bjarne Otto, der sowohl an seinem Instrument klasse ist und Attt perfekt ergänzt, als auch eine gute Bühnenperformance macht. An der Gitarre und am Mikro steht in der Mitte der Bühne Ricky Wagner, dem man seine Routine und Bühnenerfahrung anmerkt. Wer sich mit REZET ein wenig befasst hat, weiß, Ricky ist das verbliebene Gründungsmitglied, die Band, das ist sein Ding, und mit dementsprechend viel Leidenschaft ist er bei der Sache. Die Doppelbeschäftigung schränkt seine Show gelegentlich ein, aber wenn er mal die Gelegenheit hat, dann fliegen auch seine Haare, oder er steigt auf das kleine Podest am vorderen Bühnenrand zwischen den Monitoren und interagiert mit dem Publikum. Sein Gesang ist mal mehr, mal (meistens) weniger melodisch, aber immer kompromisslos volle Kanne. Thrash Metal halt. Last but not least, spielt links von Ricky Heiko Musolf die zweite Lead-Gitarre im Wechsel mit Ricky. Erst letztes Jahr bei REZET eingestiegen, hatte er seinen ersten Gig mit der Band in Wacken. Das ist wohl mal ein gelungener Einstieg. Ein bisschen habe ich den Eindruck, Heiko habe seine Anspannung, auf der Bühne zu stehen, noch nicht ganz abgelegt. Dafür gefällt mir aber sein Gitarrenspiel ziemlich gut. Technisch versiert und mit einem Koffer voller Elektronik und Pedalen für seinen Gitarrensound, ist auch sein Beitrag zur Musik unverzichtbar. Nach 'No Plan B' folgt der klasse Titel 'Minority Eraser' von der EP "You Asked For It", der, wie einige andere Titel von REZET, politisch klar Stellung gegenüber Intoleranz, Rassismus und den populistischen Kräften, die diese propagieren, bezieht. Ricky lässt es sich nicht nehmen, dies auch in seiner Ansage nochmal klar auszudrücken. Etwas später, bei 'Chaos In My Mind', glaube ich einen Moment lang, jetzt käme ein Cover-Song. Die ersten Takte klingen wie eine tiefe Verneigung vor 'Master Of Puppets'. Sicher kein Zufall, liegen doch in METALLICA, MEGADETH und Co. die Wurzeln für die musikalische Ausrichtung von REZET. Mit 'Thunder Raiders' haut die Band noch einen ihrer besten aktuellen Titel raus, bevor es noch einmal mit 'Have Gun, Will Travel', dem Titelsong des gleichnamigen Longplayer-Erstlings von 2010, zu den Wurzeln der Band geht. Den Abschluss des gelungenen Auftritts bildet das VIOLENT FORCE-Cover 'Dead City'. In der Pause spreche ich einige Bekannte und Unbekannte aus der Münchner Szene, und mein subjektiver Eindruck wird bestärkt: Ich höre nur absolut positive Kommentare zur Band, lediglich der bereits kommentierte Sound wird mal bekrittelt. Da bleibt nur eines: Ab zum Merchandising Stand, ab zum CD-Dealer des Vertrauens, und zugreifen! Zu behaupten, das Publikum sei traurig, dass REZET nach knapp 50 Minuten die Bühne verlassen, wäre jetzt nicht ganz korrekt, denn natürlich wollen alle noch die zweite Band des Abends sehen. Nach kaum mehr als zehn Minuten lassen sich die Mädels zum ersten Mal auf der Bühne blicken, checken noch ein paarmal ihren Sound (nicht ohne den erste Applaus zu bekommen), und beinahe unvermittelt beginnt der Auftritt von NERVOSAImmerhin gibt das Intro vom Band dem Publikum kurz Zeit, die Last-Minute-Bierbestellung zu vollenden und sich schleunigst wieder vor der Bühne einzureihen. Die drei Mädels aus São Paulo in Brasilien sind eine Thrash Metal-Alarmkapelle sondergleichen. Absolut kompromisslos in Sound und Stil, in Bezug auf Rhythmus und Gitarrenspiel eher reduziert, aber dafür mit brachialer Gewalt, wird im Death Metal-Bereich und Hardcore gewildert, was das Zeug hält. Für meinen persönlichen Musikgeschmack ist der Stil der drei Mädels auf der Kippe zwischen "nicht meins" und "grandios", aber NERVOSA schaffen die Gratwanderung zwischen monotonen Passagen und explosivem Feuerwerk mit Bravour. Los geht es mit den beiden Krachern 'Horrordome' und 'And Justice For Whom...', und auch hier kommt gleich danach mit 'Intolerance Means War' ein klares politisches Statement. Ich vermute mal ganz stark, es wird noch eine Weile dauern, bevor Herr Bolsonaro glühender Anhänger von NERVOSA wird. Warum die drei Mädels ZORNig sind, ist um so verständlicher. Machen wir es mal wie bei REZET: Am Schlagzeug, klein und zierlich, sitzt Luana Dametto, und irgendwie frage ich mich die ganze Zeit, woher Luana diese Power nimmt, sie hat einen ganz schönen Wumms drauf. Auf komplexe Figuren und Rhythmen wird hier wenig Wert gelegt, vor allem geht es meistens in wilder Hatz durch den Wald, schnell und die Meute vor sich hertreibend. An der Gitarre spielt Prika Amaral mit der Ausstrahlung, Figur und blonden, wallenden Haaren wie eine Walküre vor allem - Rhythmus. Lead-Gitarre spielen andere. Explosive Show machen andere. Spektakuläre Soli spielen andere. Einen so krachenden, rhythmusbetonten, kompakten Sound wie NERVOSA haben dafür ganz wenige. Das Show-Highlight ist ohne Frage Fernanda Lira, die Frau mit den 1000 bösen Blicken, an Gitarre und Gesang. Neben ihren Posen und Gesten besteht ihre Bühnenshow aus expressiver Mimik, den wütend herausgeschrienen Lyrics, und wildem Bassspiel, mit dem Fernanda näher am Lead-Instrument dran ist als Bandkollegin Prika. Während sie am Mikro steht, weht ein Ventilator am Boden ihre Haare nach oben, was sie in Verbindung mit den anderen Merkmalen ihres Auftritts noch ein wenig mehr wie eine Furie wirken lässt. Bei allen Simplizismen im technischen Repertoire wirkt das Gesamtkunstwerk NERVOSA überaus anspruchsvoll, dem brutal kompakten Sound und der Ausstrahlung aller drei Mädels kann man sich nicht entziehen. Natürlich haben die drei einige Fans am Start, so dass zwischen den Songs einige Male "NERVOSA"-Rufe ertönen, Lieblingstitel gewünscht werden und Zwischenrufe auf Brasilianisch ertönen. Vom aktuellen Album "Downfall Of Mankind" kommen unter anderem die Titel 'Enslave', und 'Raise Your Fist'. Diese sind häufig politisch und sozialkritisch, nur schwer zu verstehen, da muss man sich schon mal mehr Zeit nehmen, das Studioalbum hören und gegebenenfalls die Lyrics mitlesen. 'Vultures' widmet Fernanda Heiko von REZET, ansonsten hält sie sich nicht mit vielen Ansagen auf, und das Publikum muss gar nicht erst groß animiert werden. Einige Titel später kommt der Hammersong 'Never Forget Never Repeat', bevor die Band mit dem zuvor gewünschten 'Into Moshpit' ihren Auftritt beendet. Klar bildet sich auch ein Moshpit, ich verliere im Gedränge mal kurz den Kameradeckel, aber so ganz in Rotation kommt der Circle Pit dann doch nicht, dafür stehen die ersten Reihen etwas zu dicht. Während des Titels erscheint dann auch nochmal Heiko auf der Bühne, nicht um zu musizieren, sondern um das No-Stage-Diving-Schild geflissentlich zu ignorieren und zum Finale des Songs eine gepflegte Runde zu crowdsurfen. Zugabe gibt es leider keine, und mit unter 80 Minuten ist das nicht der längste Auftritt, den ich jemals gesehen habe, aber irgendwie hat Ricky im Interview recht gehabt: "Wir heizen den Leuten ein, und NERVOSA gibt denen nochmal den Rest. So ist das jeden Abend, wirklich. Ist geil." Genau so war es. Das waren zwei Hammer-Gigs von zwei herausragenden Bands, die man mal gesehen haben muss. Erfreulicherweise lassen sich Luana und Prika eine Weile nach der Show noch einmal im Saal blicken, und die Jungs stehen Schlange, um sich mit ihnen ablichten zu lassen. Auf Fernanda muss man etwas länger warten, bis sie, lange nach Schluss, mit gepackten Koffern für die Reise zum nächsten Veranstaltungsort Wien sich doch nochmal kurz Zeit für ein paar Erinnerungsfotos mit Fans nimmt. Mehr Fotos in der GalerieSetlistsREZETTreadmill To Hell Toxic Avenger No Plan B Minority Erazer Reality Is A Lie Chaos In My Mind Breaking The Chains Thunder Raiders Have Gun, Will Travel Dead City NERVOSAHorrordome And Justice For Whom... Intolerance Means War Bleeding Arrogance Hostages Enslave Time Of Death Kill The Silence Raise Your Fist Vultures Masked Betrayer Fear, Violence And Massacre Guerra Santa Death Never Forget Never Repeat Into Moshpit |
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