Novena - Eleventh Hour | |
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Review von Zephir vom 13.04.2020 (5469 mal gelesen) | |
Gegründet haben sich NOVENA eigentlich schon 2013, und doch hat die Welt der Progger bisher nicht allzu viel von den Engländern zu hören bekommen: 2016 gab es eine erste EP namens "Secondary Genesis", aber dann dauerte es nochmals vier Jahre, bis die Stunde des Debüts schlagen durfte. "Eleventh Hour" wird manch einen HAKEN-Fan aufhorchen lassen, denn Ross Jennings schenkt der jungen Prog-Rock-Formation seine Stimme. Auch sonst gibt es allerhand zu horchen in der Musik von Jennings' technisch hochversiertem Team, das da besteht aus Gareth Mason als weiterer Vocalist (Growls), Dan Thornton an der Gitarre, Harrison White an Gitarre und Keyboard, Moat Lowe am Bass und Cameron Spence hinter den Drums. Lange habe ich nicht mehr ein dermaßen vielschichtiges, kaleidoskopisches, offensiv experimentierfreudiges Album gehört - alles kann passieren, wenn die elfte Stunde schlägt. Nach einem Intro namens '22:58', in dem Schritte einem entfernten Choral näherkommen und schließlich hörbar eine Tür geöffnet wird, beginnt der erste überlange Track '22:59' mit besagtem Choral und einer happy Gitarrenmelodie. Diese wirkt erst einmal reichlich selbstzufrieden, führt aber schnell in eine kunterbunte Welt voller Stil- und Rhythmuswechsel, mal mit dem charismatischen Cleangesang von Jennings, mal mit den dumpfen Growls von Mason, die teilweise auch in ungezügeltes Geschrei übergehen. Melodisch, das zeigt sich schnell, ist man in allen und keiner Tonart unterwegs, die Musik frickelt sich über alle nur möglichen Zwischentöne durch eine nahezu wahnsinnige Welt voller Prog Rock, Fusion Jazz und keine Ahnung was noch alles. Hier hat sich aber jemand kompositorisch ausgelebt - und als wir die Kirchturmglocke elfmal schlagen hören, beginnt das Ganze erst so richtig. Zeitweise gibt es mehr Flow und Drive ('Sun Dance'), dazwischen verträumte Nummern à la angeproggtem Pop-Rock ('Disconnected'), durchaus auch mal mit Piano und dunkel raunenden Spoken-Words-Passagen und starkem Jazz-Einfluss ('Sail Away'). Mit 'Lucidity' packen uns irre Wahnträume. Der Keyboarder behauptet sein versonnenes Spiel gegenüber dunkel grollenden Riffs, abgedrehten Sologitarren und wilden Growls; in vielschichtig und wie übereinandergelagert erklingenden Vocals gepaart mit erneut gesprochenen Worten geht es wahrhaft psychedelisch zu Werke. Bitte das Fieberthermometer bereithalten oder gleich einen kalten Waschlappen auf die Stirn! Man weiß mit diesem Album bald nicht mehr, wo einem der Kopf steht: 'Corazón' wartet plötzlich mit spanischen Gitarren, Flamenco-Rhythmen (oder lateinamerikanischen Rhythmen - kenne mich da nicht so aus) und einer passenden Sängerin auf. 'Indestructible' klingt wiederum wie MEAT LOAF mit DREAM THEATER gepaart, bis auch hier kräftig gegrowlt wird, dann fehlt mir leider jegliche Vergleichsmetapher für dieses hochexplosive Gesamtkunstwerk. In einer Art Progressive Death Fusion nähern wir uns mit 'The Tyrant' dem Ende des Werkes, der Track wird gegen Ende noisig und schafft so einen abrupten Wechsel zum anfangs vergleichsweise fast schon entspannt abrockenden Rausschmeißer 'Prison Walls'. Achtung, nur anfangs: In über 15 Minuten hat dieser letzte Song viel Entwicklungsspielraum über desperate Monologe, harte Riffs mit wahnwitzigem Lachen, Nu-mäßiges Geprügel und Gebrüll bis zu einer fulminant rasenden Klimax, aus der nur mehr verlorene Pianotöne übrig bleiben. Haben wir's geschafft? Nein, eine Violine setzt ein, dezente Stimmen, und das Ganze schwimmt und schwurbelt sich zu einer Coda empor, aus der letztendlich aber wirklich nur einzelne Klavierklänge und ein Schlussakkord warmer Streicher (Synthies) verbleiben. Das ist "Eleventh Hour" von NOVENA. Intellektuell abfeiern oder Kopfschmerztablette einwerfen? Entscheidet selbst - aber bitte erst nach Zugemüteführen des kompletten Albums. Gesamtwertung: 7.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. 22:58 02. 22:59 03. Sun Dance 04. Disconnected 05. Sail Away 06. Lucidity 07. Corazón 08. Indestructible 09. The Tyrant 10. Prison Walls | Band Website: Medium: CD Spieldauer: 01:12:58 Minuten VÖ: 06.03.2020 |
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