Interview mit Oliver Nikolas Schmid (Gitarre) von Lacrimas Profundere

Ein Interview von Stormrider vom 15.06.2013 (22111 mal gelesen)
"Antiadore" dürfte problemlos zu einem der Jahreshighlights im Bereich des melancholischen Gothic-Dark-Heavy-Rock avancieren. Wir baten Bandgründer, Gitarrist und Hauptsongwriter Oliver Nikolas Schmid also, uns ein wenig mehr über das Album zu erzählen.

Hallo Oliver! Danke, dass Du Dir die Zeit für ein kleines Interview nimmst.

Oliver: Hi Stormi!

Lass uns doch gleich auf Eurer aktuelles Album zu sprechen kommen (für's Review hier klicken). "Antiadore" ist ja nun seit ein paar Tagen auf dem Markt, und mir persönlich gefällt das Album noch einen Tacken besser, als die beiden Vorgänger mit Rob. Wie waren denn die ersten Reaktionen von den Fans und den Medien?

Oliver: Vielen lieben Dank, ja uns auch! Rob ist jetzt endgültig angekommen, würde ich sagen! Wir waren uns diesmal alle einig. Wir wollten die Scheibe rauer, dreckiger, ja, verruchter haben, nicht so poliert wie die anderen Kapellen da draußen! Mehr CRADLE OF FILTH als BEACH BOYS sozusagen. Die Reaktionen sind gespalten, wie immer bei uns. Aber ich kann mich nicht erinnern, die letzten 20 Jahre solch einen Schwachsinn über eine Platte lesen zu müssen, aber gleichzeitig Höchstpunktzahlen einzufahren. Aber was soll ich sagen, wir können auf jeden Fall super ruhig schlafen, weil wir von "Antiadore" vom ersten bis zum letzten Ton überzeugt sind. Müssen wir auch, weil als kleine Band kannst du dir ein "Chinese Democracy" oder "Reload" auch nicht leisten.

Dass Du in der Vergangenheit der Hauptsongwriter warst, ist ja bekannt. Hat sich daran mittlerweile etwas geändert? Konnte sich z.B. Rob vermehrt einbringen, nachdem ihr ja nun schon das dritte Album zusammen macht? Und gab es sonstige Veränderungen in der Herangehensweise an die Recordings?

Oliver: Nein, die Songs entstehen immer noch bei mir zu Hause, und dann arbeiten Rob und ich gemeinsam die Details aus! Diesmal hatten wir noch Ricky Warwick und Christopher (Schmid - Bruder von Oliver und ehemaliger Sänger von LACRIMAS PROFUNDERE - Anm. des Redakteuers) immer auf cc! Erstmals haben wir aber eine Vorproduktion gemacht und daher eine Woche mit Hiili Hiilesmaa (HIM, SENTENCED, APOCALYPTICA) an den Demos gebastelt

Ihr spielt diesen Stil, nach der Kurskorrektur Ende der 90er, ja nun schon ein paar Jahre. Ich finde, dass Ihr dieses Mal, im Vergleich zu den Vorgängern, wieder etwas mehr härtere Momente habt. 'My Release In Pain' bspw. hat sogar wieder ein paar Growls. Wo liegen für Dich selbst die größten Unterschiede zu den Vorgängeralben, oder sagst Du selbst, ich brauche keine großartige Weiterentwicklung, sondern will in dem Stil lieber die für mich besten Songs des Moments festhalten?

Oliver: Jeder Musiker ist ja auf einer unendlichen Suche. Der Suche nach neuen Herausforderungen, der Suche nach dem nächsten Drink oder nur der Tür zum Tourbus... hahaha!! Wir haben für dieses Album nichts dem Zufall überlassen, haben akribisch an jedem einzelnen Part gearbeitet, und ich finde auch, wir haben uns sicherlich verändert in all den Jahren. Wäre ja auch langweilig, wenn wir immer noch so klingen würden wie 1993, wir sind aber trotzdem immer unseren Wurzeln und uns selbst treu geblieben. Ich halte immer die Augen offen nach Neuem, mich interessieren sehr viele Musikrichtungen und allgemein viele Dinge, und ich muss täglich schreiben um meinen Kopf frei zu bekommen, weil es passieren so viele verdrehte Sachen da drin! (lacht). Wenn du in der Nacht aufwachst und diese Melodie in deinem Kopf hast, die nicht verschwindet, bis du sie endlich aufgeschrieben hast, die dich nicht schlafen lässt, bis alles stimmt und am nächsten Morgen nimmst du es auf, hast bestimmte Erwartungen und am Ende kommt etwas ganz anderes dabei raus, weil dieser Moment ein anderer ist, das ist es, was alles spannend hält. Es ist die Idee selbst, die dir sagt, was getan werden muss, dabei gibt es keine Schubladen oder Vorgängeralben und wenn ich nicht weiter komme, denke ich einfach, was würden SKID ROW oder OVERKILL jetzt tun. Hahaha!

Die Growls hat ja Dein Bruder, Euer ehemaliger Sänger Christopher beigesteuert, der die Band vor ein paar Jahren verlassen hat. Werdet Ihr evtl. wieder häufiger etwas zusammen machen, oder war das ein einmaliger Gastauftritt?

Oliver: Das war eine spontane Idee, weil Christopher gerade im Studio war und einige Backingvocals eingesungen hatte. Uns hat der Part super gefallen. Wir bekommen von überall geniales Feedback, also mal sehen, wenn er Bock hat, sicherlich wieder!

Man hat das Gefühl, dass Ihr mit dem Album irgendwie hungriger wart, was auch die Produktion widerspiegelt. War die Tatsache, dass Ihr mit Hiili Hiilesmaa, Corni Bartels und Tue Madsen gearbeitet habt, hierfür verantwortlich?

Oliver: Nein! OK, dieses krasse Gitarren-Brett hat uns der Tue gezaubert, der ja auch für den Sound von Bands wie HEAVEN SHALL BURN oder THE HAUNTED verantwortlich zeichnet. Wir haben ihn zur Erschöpfung getrieben, denk ich. Aber das Ergebnis haut dich einfach weg, und das war es was wir wollten! Nach drei Platten mit unserem Vater John Fryer war es an der Zeit sich mal abzunabeln. Wir wollten das Nest verlassen, selber fliegen und zum Jubiläum auch durch unsere vergangenen Alben Einflüsse zulassen, ja sozusagen einen Querschnitt aus all den Jahren auf der Platte machen. Eine Platte ist wie Astronauten-Nahrung, die hält für die Ewigkeit, also sollte man die Zutaten genau wählen! Ein guter Song ist nicht nur die Musik, auch nicht nur der Text, es muss zusammen passen, gut klingen und man muss sich darin wieder erkennen, nebenbei muss er diese Magie besitzen, die dich einnimmt. Diese haben wir auf "Antiadore" wie ich finde wiedergefunden.

Lyrisch habt ihr ja, wie meistens, nicht gerade ein Album für frisch Verliebte veröffentlicht. Fast alle Songs haben missglückte Beziehungen zum Inhalt. Ist das heutzutage nach 20 Jahren Bandhistorie noch autobiographisch oder schreibt Ihr einfach depressive Geschichten, weil sie sich am besten mit der melancholischen Musik ergänzen?

Oliver: Hahaha!! Ja wir wollten dieses Mal zeigen, dass es auch ganz schön ist, nicht mehr lieben zu müssen! Es hat noch nie etwas gebracht, etwas Kaputtes wieder zusammenzuflicken! Wenn es einmal kaputt ist, kannst du dir jegliches romantische Zeugs sparen, so haben wir das jedenfalls oft erlebt!

Gibt es einen Song auf dem Album, der Dir besonders viel bedeutet, oder sind es alles Deine Babys, denen Du gleich viel Liebe schenkst?

Oliver: Ja klar, aber Songwriting ist ein durchgeknalltes Spiel. Du musst einfach versuchen dich fallen zu lassen, wenn du etwas Spezielles schaffen möchtest. Das, finde ich, ist es, was Rock 'n' Roll ausmacht. Dich in das Ungewisse zu stürzen, dich in der Musik zu verlieren, ohne groß darüber nachzudenken und einfach zu sehen, was passiert. Daher steckt in jedem Song eine Erinnerung, ein Gefühl und ich kann dir beim besten Willen keinen nennen! Erwähnenswert ist 'Head Held High', weil ich da mit meinem absoluten Idol Ricky Warwick dran gearbeitet hab und 'All For Nothing' weil es meiner Meinung nach die beste Ballade ist, die wir je geschrieben haben und das Team Rob und Oli super funktioniert hat. Aber beide Songs bedeuten mir nicht mehr und nicht weniger als all die anderen, 'A New Scar', der nur als iTunes-Bonus erhältlich ist, eingeschlossen.

Bonus ist ein gutes Stichwort. Ihr habt ja verschiedene Special-Editions des Albums angeboten. Beispielsweise konnte man bei einer Vorbestellung von "Antiadore" zusätzliches Bonusmaterial in Form von Akustikversionen erhalten, oder es gab bei EMP ein Shirt dazu. Kommen solche Ideen von Eurer Plattenfirma, oder geht das auf Euch zurück?

Oliver: Hahaha! Nein, das kommt von uns! Wenn du keine Eigeninitiative ergreifst, hast du am Ende gar nichts! Zusammen mit Napalm (Records - das Plattenlabel der Band - Anm. des Redakteures) haben wir dann die T-Shirt-EMP-Sonderedition gemacht, die ich super finde. Das mit dem Akustiktrack an alle Vorbesteller hat bei uns aber schon Tradition, weil wir einfach den Leuten danken wollen. Da wir aber nicht zu jedem fahren können, um an der Tür zu klingeln, dachten wir, dies ist eine schöne Geste, welche auch immer super ankommt!

Und weiterführend zum Thema iTunes und Co., wie steht Ihr in diesem Zusammenhang zu den Entwicklungen im Bereich digitale Musikverfügbarkeit? Immerhin wart ihr schon aktiv, als noch keiner ans Internet für alle dachte.

Oliver: Ich finde, das Internet raubt uns so viel! Jetzt nicht wegen den illegalen Downloads, dieses Thema muss jetzt nicht ich auch noch als der Eine-Millionst-Fünfter aufgreifen, nein ich meine das Stöbern im Plattenladen um die Ecke, das Anstehen in der Schlange am CD Player und du durftest nur 3 CD's mitnehmen, das Suchen nach geilen Coverartworks usw.! Ich vermisse die Zeit im Plattenladen und kann es in Worte gar nicht fassen, dass nun die Vinyl-Editionen wieder Einzug halten! Es kommt alles zurück, aber über diese Entwicklung freue ich mich besonders, und natürlich auch darüber, dass wir gleich mit einer Doppel-LP mitmischen!

Betreten wir nun noch kurz die Bühne. Pünktlich zum Release von "Antiadore" habt ihr ja bereits eine kleine Clubtour gespielt. Wird es noch weitere Clubgigs dieses Jahr geben? 5 Dates sind ja nicht gerade eine große Promotionreise durch Deutschland.

Oliver: Hahaha! Hey, du kennst uns nicht, nach 5 Tagen sind wir komplett durch, weil wir das Tourleben noch so richtig old school durchziehen. Hahaha! Aber du hast natürlich recht und die 5 Shows waren ja auch nur der Anheizer; da im Juni aber schon die Festivalsaison in vollem Gange ist, müssen wir die große Tour auf Oktober/November verschieben. Mal sehn, was da alles kommt, entweder als Support oder selbst als Headliner - aber es geht weiter, fest versprochen!

Damit kommen wir auch so langsam zum Ende unseres kleinen Interviews, für das ich mich herzlich bedanken möchte. Wie es bei bleeding4metal.de gute Sitte ist, gehören Euch die letzten Worte. Noch etwas, dass Ihr unseren Lesern unbedingt ans Herz legen wollt?

Oliver: Vielen Dank für das schöne Interview! Würde uns freuen wenn ihr "Antiadore" ein Ohr schenkt, oder auch zwei! Wir sehn uns auf Tour, Prost!

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