Interview mit Peter Tägtgren von Pain

Ein Interview von Vikingsgaard vom 21.04.2007 (28762 mal gelesen)
Es gibt nicht viele Typen, die so sind wie er. Er ist einer der erfolgreichsten Produzenten und Musiker derzeit und wir haben uns auf einen kurzen Plausch in den Roadrunner Records Büro's in Köln getroffen, um über das neue PAIN-Album "Psalms of Extinction" zu quatschen.

  In einem Statement sagtest du kürzlich: “ Mein Dad ist einer von den Typen, die einen Videorecorder aus einander nehmen und auch wieder zusammenbauen können. Dasselbe kann er auch mit Motherboards und anderem Computerkram.“ Waren die Anfänge von PAIN quasi ein Vater-Sohn-Projekt?

Peter Tägtgren:   Nein gar nicht. In den 70ern, als ich aufgewachsen bin, war ich einfach gewohnt, viel Synthi-Musik und solchen Kram zu hören. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal spielen würde, ich habe damals Deep Purple, Led Zeppelin, Kiss und so was gehört, der andere Kram hat mich nicht wirklich interessiert. Aber es war irgendwie immer in meinem Kopf. Vielleicht ist das der Grund, warum ich jetzt diese Musik mache, nur eben 20 Jahre später.

  PRINCE meinte mal in einem Interview, er habe so viele Ideen, das er jeden Tag 6! Songs schreibt. Hast du im Prinzip dasselbe „Problem“?

Peter Tägtgren:   Manchmal ja. Ich habe einen Haufen Ideen in meinem Kopf, aber ich habe nicht immer einen Recorder bei der Hand, um all diese Ideen dokumentieren zu können. Dass ist das größte Problem, denn ich habe ständig neue Sachen in meinem Kopf.

  Du reizt gern jede Idee bis zum Ende aus, geht denn das bei der Fülle?

Peter Tägtgren:   Weißt du, man muss hartnäckig sein und all diese Ideen ausprobieren und mit ihnen herumspielen. Ich denke, wenn man eine Idee ganz ausprobiert hat, findet man am Ende einen Weg. Vielleicht dauert es zehn Minuten, vielleicht eine Woche. Aber wenn ich eine Vision habe von dem, was ich in dem Song haben will, arbeite ich immer weiter und versuche sie umzusetzen. Für mich bedeutet Musik zu schreiben vor allem zu Experimentieren

  Zu experimentieren?

Peter Tägtgren:   Ja, ich meine, es gehört viel dazu, einen Song zu schreiben. Ich beginne, zum Beispiel, mit einer Melodie auf dem Keyboard. Dann lege ich ein Gitarrenriff drüber und dann Bass und Schlagzeug. Und vielleicht ist auf einmal die Melodie gar nicht mehr das Wichtigste. Vielleicht steht auf einmal die Gitarre im Vordergrund. Oder umgekehrt – wenn ich noch das Gitarrenriff habe, lege ich eine Keyboard-Melodie drüber und dann kann alles passieren. Und wenn dieses Riff fertig ist, fange ich an, darüber nachzudenken, was als nächstes kommen soll. Es ist wie ein Puzzle. Jede Sekunde, jede Passage, jeder Song ist wie ein großes Puzzle. Solange ich an etwas arbeite, weiß ich nie, was passieren wird, bis es schließlich fertig ist. Dann weiß ich: Aha, das ist dabei herausgekommen und dann geht man vielleicht nochmal zurück und denkt sich: Ach, dieser Teil ist nicht so gut. Und dann kann man es herausnehmen und etwas Neues an dieser Stelle probieren. Es ist wirklich ein großes Puzzle. Ein Experiment.

  Einer meiner Lieblingssongs ist zweifelsohne „Nailed to the Ground“ von der neuen CD. Ich möchte den Song jetzt hier nicht bis in ’s Detail analysieren, aber das Riff könnte auch von einem Hypo-Album stammen. Unterscheidest du bewusst beim schreiben, ob das jetzt für PAIN oder Hypo ist?

Peter Tägtgren:   Das hat mir schon mal jemand gesagt. Vielleicht liegt es daran, dass ich die Stücke alleine gemacht habe. Man merkt eben, dass ich die Songs für beide Bands schreibe. Manchmal werden sie einander ziemlich ähnlich, ohne dass ich es selbst merke. Für mich spielt das nicht wirklich eine Rolle! Weißt Du.... ich sage mir nicht:: „Das soll jetzt ganz anders klingen als HYPOCRISY“. Aber wenn man schreibt, dann versucht man etwas Neues zu kreieren, vielleicht etwas, das zu PAIN passen könnte, aber dann klingt es manchmal doch nach Hypo und das ist für mich unkontrollierbar. Ich denke einfach nicht über so etwas nach.

  Hast du eigentlich ein Problem mit den Kritiken bezüglich der, doch recht unterschiedlichen, musikalischen Facetten beider Projekte?

Peter Tägtgren:   Nein, eigentlich nicht. Ich denke, die Hälfte der Death Metal Fans, die auf HYPOCRISY stehen, finden auch PAIN gut. Die Anderen sagen: „Ich kann mit PAIN nichts anfangen, das ist mir zu soft, ich stehe auf HYPOCRISY.“ Sie sind eher froh darüber, dass ich das nicht mit Hypocrisy vermische. Jeder kann sich seine eigene Meinung darüber bilden, klar, Hypo und PAIN sind grundverschiedene Projekte, aber beide sind ein Teil von mir.

  Wie kann man sich einen normalen Tägtgren-Arbeitstag vorstellen?

Peter Tägtgren:   Na ja, wenn ich meinen Sohn habe, schaffe ich ihn 7 Uhr zur Schule, bin dann um halb 8 im Studio und arbeite. Gegen 17 Uhr hole ich ihn dann ab und dann ist der Tag beendet. Ich versuche sehr viel Zeit mit ihm zu verbringen, das ist mir wichtig. Habe ich ihn nicht, gehe ich schon mal nicht vor 2-3 Uhr nach Hause, schreibe Texte, feile noch an Kleinigkeiten…

  Wie entspannst du dann eigentlich? Deine ganzen Gedanken fahren sich doch nicht automatisch runter!

Peter Tägtgren:   Ich guck einfach TV ohne zu registrieren was da eigentlich läuft. Vielleicht kennst du das Gefühl, einfach da zu sitzen und scheinbar nichts zu denken…

  HYPOCRISY ist ja nun doch nicht tot, was ist für dich eigentlich deine „Hauptband“? Hypo hat den Namen und PAIN den kommerziellen Erfolg…

Peter Tägtgren:   Ja, aber Erfolg ist nicht alles. Das Problem ist tatsächlich, dass PAIN außerhalb von Skandinavien kaum bekannt ist! Man arbeitet wirklich hart an einem Album und dann versucht man das zu veröfffentlichen, aber niemand will das Zeug! Du denkst dir: „Ich hab zwei Jahre daran gesessen, was soll der Scheiß?“ Klar kann es sein, dass die Leute es nicht mögen, aber das Album sollte wenigstens die Chance haben rausgebracht zu werden, damit die Leute selbst entscheiden können, ob sie es gut finden oder nicht. Und genau das war das Problem. Mittlerweile bin ich sehr froh, mit Roadrunner zu arbeiten, die reißen sich für einen echt den Arsch auf und stehen hinter dir. Erfolg ist für mich nicht alles, für mich ist das Wichtigste, mit der CD zufrieden zu sein. Ich hab Herzblut in das Album gesteckt und alles auf dem Album gemacht und es tut mir gut, das sagen zu können, mir selbst und meinem Ego.

  Kann ich verstehen! Wo, und vor allem wie, kann man PAIN dieses Jahr live sehen? Hast du deine weibliche Gitarrenfront wieder im Gepäck?

Peter Tägtgren:   Dieses Jahr ist alles anders, es ist ein Neuanfang für PAIN und wir haben schon vor der Veröffentlichung des Albums Gigs gebucht, es wird alles vollkommen anders als bei Universal, meinem alten Management. Klar, ich habe auch gern saubere Toiletten Backstage und eine vernünftige Dusche nach dem Gig, aber wir versuchen so oft wie möglich zu spielen. Diesmal ist es eine neue Band. Ich hab Andre dabei, er spielt Bass und dann ist da noch Michael – er kommt eher aus der Industrial-Ecke. Michael und ich spielen Gitarre, der Schlagzeuger ist noch derselbe - David. Es gibt jetzt viel Action auf der Bühne, das ist Wahnsinn. Auf der Bühne mit den beiden Typen neben mir kann diesmal alles passieren. In einem Moment sieht man den Bassisten über der Bühne und im nächsten Moment springt er auf einmal in die Menge und der andere Typ liegt auf dem Boden und dreht total durch. Diesmal gibt es definitiv mehr Action! *lacht*

  Du hast tatsächlich mal daran gedacht, PAIN von jemand anderem produzieren zu lassen?

Peter Tägtgren:   Ja, das stimmt, aber ich hab noch keinen getroffen, der meine Vorstellungen umsetzen kann Ich meine, es gibt einen Haufen wirklich guter Produzenten, nicht nur im Metal-Bereich und wir sind alle auf dem gleichen Level, alle. Da ist keiner, der wirklich der „Mastermind“ ist. Und das ist es, was ich suche. Ich würde vielleicht so jemanden fragen we Bob Asrain oder Rick Rubin. Dann würde man auf jeden Fall ein paar andere Einflüsse reinkriegen. Keinen typischen Death-Metal-Produzenten, weißt du. Metal kann ich liefern, sie müssen das Andere mitbringen.

  ‚Just hate me’ von der „Nothing Remains The Same“ wurde doch auch von jemand anderem geschrieben und produziert? War das nicht sogar der Producer von Britney Spears?

Peter Tägtgren:   Oh ja, von Max Martin. Er hat den Song geschrieben, er und ein anderer Typ, Peer Alberhan. Max Martin ist der größte Producer und Songwriter der Welt. Sie haben mir den Song angeboten und ich fand ihn wirklich gut, also hab ich mir gesagt: „Ok, wenn ich Unterstützung bekommen kann, warum nicht von den Besten? “ Es war wirklich ein Privileg für mich, mit so einem großen bekannten Produzenten zu arbeiten, es war eine interessante Erfahrung auf der anderen Seite des Mischpults zu stehen und zu singen und jemand sagt mir: „Mach dies oder mach das“. Das war wirklich cool. Manche Passagen waren schwierig zu singen, aber am Ende war alles ok.

  Deine Stimme hat sich arg verbessert, scheint mir?

Peter Tägtgren:   Ja, das würde ich auch sagen.

  Hast du sie speziell trainiert?

Peter Tägtgren:   Nein, diesmal nicht. Ich habe wirklich hart gearbeitet und mich vor allem auf das Album konzentriert. An manchen Passagen habe ich immer wieder gebastelt. Ich glaube, dadurch singe ich besser. Das ist wie Proben. Man geht es immer und immer wieder durch. Ich habe auch versucht, die Vocal Styles für jeden Song und jede Passage etwas zu variieren, anstatt immer das Gleiche zu machen. Dadurch wird das Singen für mich auch interessanter und auch für die Leute, die es sich anhören. Man weiß nie was kommt. Diesmal habe ich mich sicherer gefühlt, ich habe im Mix die Vocals ein bisschen mehr aufgedreht, vorher war ich immer irgendwie in der Musik gefangen. *lacht*

  Peter, hast du mal darüber nach gedacht, ein reines Synthi-Album zu machen, wie zum Beispiel SAMAEL mit „Era One“ ?

Peter Tägtgren:   Ja, wenn ich einen guten Synthezisersound kriegen könnte. Ich bräuchte wahrscheinlich Unterstützung von jemandem, der darauf spezialisiert ist, denn ich will nicht den gleichen Scheiß machen wie andere Bands. Ich will was wirklich Anderes, wo man hören kann: „Wow, das ist professionell.“… den CASIO-Sound kriege ich auch alleine hin *lacht*

  Peter, vielen Dank für das nette Gespräch...

Peter Tägtgren:   Ich bedanke mich auch…willst du noch Foto ’s machen…wir zusammen?

  Nein, noch bist du der Rock-Star…

Peter Tägtgren:   …lacht…ok! Gehst du auf Festivals dieses Jahr?

  Natürlich, vielleicht sehen wir uns auf dem Summer Breeze.

Peter Tägtgren:   Ok…jetzt habe ich Hunger…*grinst*

  Vielen Dank an dieser Stelle noch an Anna und Dinah von Roadrunner Records für den netten Vormittag und die sehr professionelle Abwicklung!

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten