Interview mit Michael Ehré von Firewind

Ein Interview von Stradivari vom 15.12.2010 (17107 mal gelesen)
Er ist eine der großen grauen Eminenzen in der deutschen Schwermetall-Branche. Multi-Instrumentalist, Songwriter und Produzent. Er hat mit dem who is who der internationalen Szene Platten veröffentlicht und weltweite Touren absolviert. Von der breiten Öffentlichkeit wird er jedoch nie so wirklich wahrgenommen, da er "nur" Schlagzeuger ist. Die Rede ist von Michael Ehré. Anlässlich des neuen FIREWIND-Albums "Days Of Defiance" sowie den bevorstehenden Abschieds-Gigs von METALIUM gab der Wahl-Hamburger bleeding4metal nun ehrliche, humorvolle sowie extrem ausführliche Antworten auf teilweise auch unbequeme Fragen und gewährte zudem einen kleinen Einblick hinter die Kulissen des Metal-Zirkus.

Michael, wir kennen uns noch aus Zeiten, in denen Du als Nachwuchs-Drummer bei den lokalen Hardrock-Combos REACC CRUTT und LOST LEGIONS in der musikalischen Diaspora Nordenham getrommelt hast. Es folgten die ersten überregionalen Bands, PRYER und MURDER ONE, wobei Du mit PRYER auch Dein Album-Debüt ("Kick'n'Rush") gegeben hast. Dann wurde es deutlich ruhiger um Dich, bis Du 2001 als neuer Drummer der Hamburger Schwermetall-Institution METALIUM vorgestellt wurdest. Wie kam die Verbindung zustande, beziehungsweise, warum hast Du es geschafft, wovon andere Musiker in tausenden Probe-Bunkern nur träumen, nämlich Profi-Musiker zu werden?

Michael Ehré: Es wurde vielleicht ruhiger um mich - trotzdem war ich auch zwischen PRYER und METALIUM sehr aktiv. Mit MURDER ONE habe ich 1996 die erste "eigene" Band gegründet, die voll und ganz auf meinen Geschmack zugeschnitten war. Frank Schütte, der Sänger von PRYER war mit dabei und wir haben 1998 unser Debüt veröffentlicht, eine Band zusammengestellt - im Studio habe ich für das Album nahezu alle Instrumente selbst eingespielt - und sind dann 1999 zusammen mit MOB RULES und IVORY TOWER auf Tour gegangen. Wir haben dann auch noch ein zweites Album produziert, das aber nie veröffentlicht wurde, da genau zu diesem Zeitpunkt das Angebot von METALIUM kam. Lars Ratz von METALIUM habe ich 1999 auf dem Wacken-Open-Air kennengelernt und ihm die erste MURDER ONE-CD geschenkt. Seitdem waren wir in ständigem Kontakt, bis ich schließlich selbst im September 2001 Mitglied bei METALIUM wurde.

METALIUM war letztlich ja nur der erste Schritt. Du warst in den Folgejahren bekanntlich auch für - unter anderem - ULI ROTH, KEE MARCELLO sowie VINNIE MOORE tätig und bist nun auch festes Mitglied bei FIREWIND. Desweiteren spielst Du Gitarre, produzierst und hast Songs, zum Beispiel für SAEKO/WEINHOLD, geschrieben. Verliert man bei diesem riesigen Tätigkeitsfeld nicht komplett die emotionale Bindung zu den einzelnen Bands und Projekten? Oder härter ausgedrückt, ist es nicht irgendwie eine Form von akustischer Prostitution? Hättest Du nicht auch gerne nur die eine einzige Band, in welche Du Deine ganze Energie und Dein Herzblut investierst?

Michael Ehré: Ganz klar: Nein! All diese Bands und Künstler kennengelernt zu haben und mit ihnen spielen zu dürfen, ist doch ein Privileg und eine Anerkennung für meine musikalischen Fähigkeiten. Klingt jetzt vielleicht etwas komisch - aber letztendlich ist es doch genauso. Herzblut und Energie stecke ich in ALLES, was ich musikalisch anfasse. Da gibt's für mich überhaupt keine Unterschiede. Und als Schlagzeuger hat man es auch nicht ganz so schwer wie als Sänger. Wenn Sänger auf mehreren Alben von verschiedenen Künstlern oder Bands zu hören sind, dann besteht die Gefahr, dass sich der Hörer schnell an der Stimme überhört. Dieses Problem habe ich als Drummer nicht! Und ganz abgesehen davon, ist es heutzutage auch nahezu unmöglich, von nur einer Band zu leben. Das kann man jetzt positiv oder negativ sehen. Ich sehe es auf alle Fälle positiv, weil ich so unwahrscheinlich viele Musiker kennen gelernt habe, von denen ich unheimlich viel gelernt habe und von denen nahezu alle meinen Freundeskreis unheimlich erweitert haben!

Okay, so wie Du es darstellst, kann ich es absolut nachvollziehen. An einem unerfreulichen Thema kommen wir nicht vorbei. METALIUM haben verkündet, sich nach der Veröffentlichung einer Live-CD 2011 aufzulösen. Als Grund werden auf der Homepage die mannigfaltigen musikalischen und privaten Aktivitäten der Band-Mitglieder genannt. Offene Worte, bitte - liegt es nicht eher, oder zumindest auch, an der Frustration, dass Ihr zwar in Asien und Südamerika auf beachtliche Erfolge verweisen könnt, in Europa - speziell in Deutschland - jedoch kein Bein auf die Erde bekommen habt?

Michael Ehré: Auch das wird Dich wundern, aber es ist tatsächlich so, wie wir es auch erklärt haben: Lars hat sich auf Mallorca mit seiner Familie eine neue Existenz aufgebaut und ist dort auch beruflich sehr erfolgreich. Henning hat mit SONS OF SEASONS eine Band, die immer aktiver wird und ich... ...naja, Du weißt ja... ...über allzu viel Freizeit kann ich mich auch nicht beklagen... Hahaha... Natürlich ist es ja auch kein Geheimnis, dass Bands wie METALIUM und viele andere auch, mit den sinkenden Verkaufszahlen und den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Musikbusiness zu kämpfen haben. Da war es einfach an der Zeit Prioritäten zu setzen - und genau das haben wir gemacht. Es gab und gibt keinen Stress, wir sind nach wie vor stolz auf mittlerweile acht Alben und zwei DVDs. Mit dem letzten Album im nächsten Jahr wollen wir uns dann gebührend von unseren Fans verabschieden.

Darauf freuen wir uns natürlich, auch wenn nicht nur ich sicherlich das Ende von METALIUM bedauere. Viel erfreulicher sieht es ja bei FIREWIND aus. Du sitzt seit diesem Jahr bei den Griechen hinter der Schießbude und hast bereits auf dem aktuellen Output "Days Of Defiance" mitgewirkt. Konntest Du Dich eigentlich schon einbringen oder es stand bereits alles konkret und Du hast nur nach Vorgabe eingetrommelt?

Michael Ehré: Ehrlich gesagt konnte ich mich überhaupt nicht einbringen, weil ich zwar schon fast ein Jahr zur Band gehöre, das Album allerdings schon fertig war, als ich dazu stieß. Es hätte keinen Sinn gemacht, die Scheibe nochmal zu trommeln, weil Mark (Cross, Vorgänger von Michael) einen prima Job gemacht hat. Es hätte nur Zeit und Geld gekostet. Man kann mich allerdings auf der DigiPack-Ausgabe hören. Da ist die Coverversion 'Breaking The Law' von JUDAS PRIEST drauf, die ich eingespielt habe. Immerhin, Hahaha...

Etwas ganz anderes. Eine banale Frage aus Fansicht - ist es nicht selbst für Dich als Profi schon ein tolles Feeling, mit dem OZZY OSBOURNE-Sixstringer Gus G. in einer Band zu spielen? Und negativ betrachtet, besteht nicht die Gefahr, dass FIREWIND unter dem Engagement von Gus bei einem solchen Act leidet? Ozzy - oder zumindest Sharon - wird wohl keine allzu große Rücksicht auf Eure Planungen nehmen...

Michael Ehré: Selbstverständlich ist es cool mit Gus zu spielen. Aber nicht nur, weil er gerade bei OZZY ist. Ich kannte ihn bereits vorher und war schon immer ein Fan seiner Bands (u. a. DREAM EVIL und MYSTIC PROPHECY). Sein Engagement bei OZZY ist für FIREWIND nicht hinderlich - ganz im Gegenteil: die Band hat dadurch doch enorm an Popularität gewonnen. Und dass Sharon keine Rücksicht auf unsere Aktivitäten nimmt, stimmt nicht - das haben wir schon erlebt.

Wie unterscheidet sich eigentlich die Arbeitsweise der beiden Gruppen? Bei METALIUM konntet Ihr Euch wöchentlich im Proberaum treffen, für FIREWIND musst Du dafür einen ganzen Kontinent überqueren. Also seht Ihr Euch quasi nur auf der Tour, korrekt?

Michael Ehré: Nein, das stimmt so nicht. Alle Bands, in denen ich spiele, proben nicht regelmäßig. Bei ULI JON ROTH proben wir zum Beispiel mittlerweile gar nicht mehr. Bei METALIUM und FIREWIND wird nur geprobt, wenn auch tatsächlich Gigs oder Touren anstehen. Und einen Kontinent muss ich für FIREWIND auch nicht ganz überqueren, da die Band in Griechenland beheimatet ist. Das ist zwar nicht gleich bei mir nebenan, aber immer noch machbar.

Naja, ich muss von Düsseldorf aus nach Hellas schon einen Großteil Europas überfliegen. Ich kann aber selbstverständlich sehr gut verstehen, dass ein Musiker, der mehrmals im Jahr zwischen Europa, Asien sowie dem amerikanischen Kontinent pendelt, da mit der Zeit ein etwas anderes Wahrnehmungsvermögen bezüglich Entfernungen entwickelt... Apropos Tour. Wie sieht es mit Live-Aktivitäten von FIREWIND in Deutschland aus? Ist etwas in der Planung?

Michael Ehré: Es gibt Pläne für 2011, allerdings nichts Konkretes bislang.

Schade. Auf Deiner Homepage (www.michaelehre.de) weist Du auf die Veröffentlichung des ARNAUD KRAKOWKA-Albums "ANTIC JOURNEY" im März 2011 hin. Ganz ehrlich, sagt mir überhaupt nichts. Was hat es sich denn damit auf sich? Wer oder was ist ARNAUD KRAKOWA und was können wir von der CD erwarten? Ich meine, da augenscheinlich sehr viel Flöten, Sitars und Percussion auf der Scheibe vertreten sind, wird es wahrscheinlich nicht das klassische Metal-Brett werden...

Michael Ehré: Bei ARNAUDS Album handelt es sich um ein reines Instrumentalalbum. Es wird tatsächlich nicht das klassische Metal-Brett gefahren, trotzdem bewegt sich alles natürlich im Hardrock-Bereich mit allerlei zusätzlichen "Zutaten". Ich habe das fertige Album noch nicht gehört und bin genauso gespannt wie Du! Hahaha...

Da sich 2010 ja bedenklich dem Ende nähert, liegt die Frage auf der Hand, was wir von Dir 2011 erwarten können, beziehungsweise Du für Ziele und Wünsche hast...

Michael Ehré: Ich habe vor kurzem ein neues, eigenes Album produziert. Wie seinerzeit bei MURDER ONE ist wieder nahezu alles auf meinem Mist gewachsen. Ich habe mittlerweile auch eine komplette Band am Start und mir einen Jugendtraum erfüllt: ich konnte die beiden ehemaligen CROSSROADS-Gitarristen für diese Band gewinnen. Beide haben seit 1992 (!!!) nicht mehr miteinander gespielt - eine Schande, Hahaha... Die Band hört auf den Namen LOVE.MIGHT.KILL und ich hoffe, dass das Album in der ersten Hälfte des nächsten Jahres veröffentlich wird. Persönlich hoffe ich natürlich, dass meine Familie gesund bleibt. Mit Frau und Kind verschieben sich die Prioritäten natürlich ein wenig und man bekommt eine andere Sicht auf einige Dinge!

Das ist natürlich ein absoluter Hammer! Für unsere jüngeren Leser, denen CROSSROADS eventuell nichts mehr sagen: die Wilhelmshavener waren mit dem kongenialen Gitarristen-Duo Stefan Ellerhorst und Christian Stöver Anfang der 90iger Jahre DIE große deutsche Metal-Hoffnung, haben mit "The Wild One" eines der furiosesten Debüt-Alben aller Zeiten rausgehauen sowie mit 'Sign Of The Time' den besten nie auf CD veröffentlichten Song geschrieben. Was mir da so einfällt, Ihr sucht nicht zufällig noch einen Bonustrack für Euer Album?! Hahaha... In diesem Sinne wünschen die bleeding4metal-Redaktion und insbesondere ich Dir und Deiner Familie frohe Weihnachten, einen guten Rutsch und natürlich viel Erfolg mit Deinen Projekten im kommenden Jahr!

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