Livebericht Ensiferum (mit Orphaned Land ) |
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Ein Livebericht von Krümel aus Siegburg (Bluebox) - 22.04.2006 (32127 mal gelesen) |
Preisfrage: wo gibt es ein Metal-Konzert mit 4 Bands, welches nur 6 Euro Eintritt kostet, und ein voller Club bei jeder Combo völlig aus dem Häuschen ist? Übliche Antwort: im Jugendclub von Hinterkleckersdorf, wo 4 schlechte bis mittelmäßige Dorf-Bands ihre bescheidenen Songs runterrotzen und die Mofa-Jugend froh ist, dass endlich mal was los ist. Neeee, geht auch anders! Die Wacken Roadshow spielte in Siegen mit NOISE FOREST, SPELLBOUND, und man höre und staune: ORPHANED LAND und ENSIFERUM als Headliner genau zu diesen Bedingungen auf. 6 Euro Eintritt, der kleine Bluebox-Club gefüllt bis hintenhin, und das Publikum drehte zu Thrash, israelischem Folk-Death und finnischem Fun-Speed völlig am Rad, als hätte es Jahre genau auf diesen Tag gewartet. Ob man die Band nun kannte oder nicht war völlig nebensächlich. Leute, das ist Metal, das ist Basisarbeit, das ist Support! Sowas findet man heute nur noch selten, dass ein Dutzend Leute einen freudigen Moshpit aufmachen und gleichzeitig überlegen, welche Band da eigentlich gerade spielt. In Siegen haben wir's gefunden. Als erste Band des Abends betrat NOISE FOREST aus Kiel die kleine Bühne der Bluebox. Der Vierer - bestehend aus Boris (Bass, Gesang), Owe (Gitarre, Gesang), Ali (Gitarre) und Dennis Schlagzeug) - wurde vom ersten Ton an durch das metalsüchtige Siegener Publikum abgefeiert. Es sah schon sehr verwunderlich aus, als kurz nach der Begrüßung die ersten Reihen "umklappten", um wie in einer einstudierten Choreographie zu Bangen. Ebenfalls lustig war die ungewollte Lachnummer des Drummers: beim ersten Schlag auf die Felle rutschte ihm der Kopfhörerbügel vor die Augen, so dass er blind trommeln musste, bis ein Roadie sich seiner erbarmte... Mit ihrem primitiven aber unterhaltsamen Death 'n' Thrash und ihrem just veröffentlichenten Album "Morbid Insticts" brachte NOISE FOREST sogar 1/3 der Leute in der Halle dazu ein Moshpit zu bilden. Meine Fresse, das ging ab. Hat Spaß gemacht - auch wenn ich das Spucken und Rotzen von Sänger Owe ziemlich ekelhaft fand. Die Thrasher SPELLBOUND wurden anschließend groß angekündigt, konnten aber leider über die ersten Songs nicht den Level von NOISE FOREST halten. Man musste sich erst einmal an den grellen Sound gewöhnen, der leider etwas zu drucklos über die viel zu kleine PA geschossen wurde und beinahe Ohrenschmerzen verursachte. Auch war das thrashige Material der Süddeutschen ein wenig hüftsteif. Erst gegen Ende, wo sich die Combo langsam wärmer spielte, wurde die Kommunikation mit dem Publikum etwas enger. Den anwesenden Besuchern war's aber wurscht. In den ersten Reihen wurde die Matte geschüttelt als stände da schon ein Headliner auf den Brettern, und natürlich starteten die Siegener wieder einige ihrer berühmten Moshpits. Bei solch einem begeisterungsfähigem Publikum werden SPELLBOUND bestimmt auch einige dankbare Abnehmer ihrer CD gefunden haben, die von Singh am großen Merch-Stand neben vielem anderen Material wohlfeil geboten wurde. Mit der dritten Band dieser Wacken Roadshow folgte ein exotischer Leckerbissen: ORPHANED LAND! Man hat ja nicht oft die Möglichkeit die genialen Folk Death Metaller aus Israel live zu erleben. Auch wenn der Großteil des jungen Publikums bis dato noch nie etwas von dieser Truppe aus dem geheiligten Land gehört hatte, so war direkt vom 1. Song 'Ocean Land' an eine super Stimmung zu verzeichnen. Trotz anfänglicher Gesangsprobleme bei Kobi, der etwas Schwierigkeiten mit den hohen Tönen hatte. Während der fast 50 Minuten Spielzeit, in denen ORPHANED LAND hauptsächlich Songs des aktuellen Werkes "Mabool" (z.B. 'Halo dies', 'Birth of the three', etc.) zum Besten gaben, aber auch zwei ältere Songs 'El meod na'ala' und 'Ornaments of gold' spielten, wurde ununterbrochen mitgebangt und - obwohl die meisten die Melodien nicht kannten - mitgesungen, was das Zeug hielt. Als dann fast die ganze Halle bis in letzte Reihe auf Kommando von Sänger Kobi bei 'Norra el norra' hüpfte, war das der Höhepunkt dieses Auftrittes. Schade, dass diese Band nicht öfter in unseren Gefilden auftritt. ENSIFERUM litten am Schluss unter dem Master Of Disaster, der für die PA zuständig war. Hielt das wacklige Teil gottseidank den Abend bis hier durch, segnete die provisorisch verlegte Anlage dann doch in der letzten Stunde das Zeitliche. Schon nach dem Intro, als die Finnen ihren Humppa-Speed losballerten, war der Gesang irgendwie stumpf. Der Menge war's - wie sollte es anders sein - auch wieder wurscht. ENSIFERUM wurden natürlich abgefeiert und der Moshpit nahm direkt beängstigende Ausmaße an. Die Boxenständer wackelten bedenklich und auf die Schnelle wurden ein paar verzweifelte Ersatzordner aufgetrieben, die auf der flachen Bühne versuchten, die rasende Meute irgendwie in Schach zu halten. Schon bei 'Tale Of Revenge' gab es dann die nächsten Ausfälle zu verzeichnen. Die Zweitstimme lag äußerst daneben, die Gitarren und Drums beschränkten sich immer mehr auf reinen Backline-Sound, und Petris Stimme versank irgendwo kläglich auf der linken PA-Hälfte. Wer auch immer da gepennt hat: er ist dafür verantwortlich, dass sich die Finnen so drucklos wie noch nie präsentieren mussten. Ihrem supertighten Spiel ist es zu verdanken, dass der Auftritt doch noch Spass gemacht hat. Besonders die alten flotten Stücke wie 'Windrider' wurden messerscharf runtergezockt und abgefeiert. Als Erholung für die Meute gab's von der neuen EP zum Mittelteil 'Warriors Quest' und das Debüt-Stück 'Treacherous Gods'. Als sie dann aber mit dem phänomenalen 'Hero In A Dream' loslegen wollten wurden die PA-Probleme noch ärger, denn irgendwie kam nur noch ein laues Lüftchen raus. Ein Glück, dass der Club klein genug war, so dass Drums und Amps beinahe ausreichten, um ihn ordentlich zu beschallen. Schade dennoch insofern, da ein ENSIFERUM-Gig ansonsten immer vor Power strotzt. Das Publikum nahm's ihnen aber nicht übel und feierte bis zum letzten Song, wonach es direkt lautstark die obligatorische Zugabe einforderte. Diese wurde dann im Medley-Stil nochmal künstlich in die Länge gezogen, bevor das Finale nochmal in Höchstgeschwindigkeit wie ein ICE von der winzigen Bühne geblasen wurde. Die beiden unterschiedlichen Headliner sorgten für tolle Stimmung, die Vorbands heizten stilsicher das Publikum an, und .... Siegen, ihr habt verdammt nochmal GEROCKT! |
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