Marilyn Manson - One Assassination Under God - Chapter 1 | |
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Review von Damage Case vom 28.11.2024 (3359 mal gelesen) | |
Brian Warner, vielen besser bekannt unter seinem seiner Band namensgebenden Alias MARILYN MANSON, ist ein Phänomen. Damit sind nicht seine derzeitigen (außer)gerichtlichen Scharmützel bezüglich diverser Sexualdelikte, die ihm zulasten gelegt werden, gemeint. Nein, dieses Review soll sich ausschließlich um Musik drehen. Das Phänomenale an diesem inzwischen 55 Lenze zählenden Künstler ist, dass er quasi im schleichenden Prozess völlig en passant einen vergleichbaren Status der Zeitlosigkeit wie seine großen Vorbilder ALICE COOPER und DAVID BOWIE erreicht hat. Waren seine frühen Alben bis einschließlich "Holy Wood" (2000) entweder gewaltorgiastische Bürgerschreckeruptionen, tiefste Glam-Verbeugung ohne jedwede Geschlechtergrenzen oder vertonte Horrorszenarien der alltäglichen "horroresken" Szenarien auf diesem Globus. Nach drei Albumgroßtaten binnen vier Jahren schien das Pulver verschossen und die folgenden gut zehn Jahre kühlte der kreative Ofen im Bandlager aus - was auch durch die Abgänge tragender Säulen wie Ginger Fish, John 5 und vor allem Twiggy Ramirez sichtbar war. In Form von "The High End Of Low" kehrte 2009 eine neue Seite von Mr. Manson an die Öffentlichkeit: Mit latenten zwischen Blues, Americana und Düster-Wave oszillierenden Stimmungsschwankungen kokettierend, gerierte sich der Sänger zu einer Art nachdenklichen Elder Statesman des Schock Rock, und zog damit eine deutliche Linie zu dem stilistisch bis dato nicht unähnlichen ROB ZOMBIE, der zu häufig wie ein Gute-Laune-Clown in der selbst geschaffenen Zirkusmanege auftritt. Diesem Pfad folgend, immer wieder von der Geschwindigkeit abkommend, eine Gänsehautstimmung aufbauend, zeigte bei allen folgenden Alben die Formkurve stetig nach oben. Der neue Leadgitarrist Tyler Bates schrieb und produzierte Manson die beiden mit Hits gespickten Klassealben "The Pale Emperor" (2015) und "Heaven Upside Down" (2016) auf den bleichen Leib. Das letzte Album "We Are Chaos" (2020), musikalisch und qualitativ immer noch im selben Fahrwasser unterwegs, wurde zur Abwechslung von Shooter Jennings verantwortet. In der Zwischenzeit trennten sich 2021 die Wege von Manson und seinem langjährigen Manager Tony Ciulla und die Band erhielt Anfang 2024 einen neuen Plattenvertrag beim Branchenriesen Nuclear Blast. Heuer erscheint deshalb des Meisters 12. Album und Tyler Bates feiert darauf seine Rückkehr in den Produzentensessel und die Kompositionsverantwortung. Dementsprechend sind die Veränderungen im Vergleich zu den drei Vorgängern wie zuvor lediglich evolutionär - doch ansonsten passt hier immer noch alles. Sofern man mit der getragenen Stimmung moderner MARILYN MANSON-Alben kann, ist man mit "One Assassination Under God - Chapter 1" mehr als ordentlich bedient. Denn lediglich 'Nod If You Understand', der leicht an 1996 erinnernde Big-Band-Stakkato-Swinger 'Sacrilegious' (Achtung: verzerrte Saxofone!), der leicht an 'Heart-Shaped Glasses' erinnernde Gothic Rocker 'Meet Me In Purgatory' sowie dem mit irre guten Hooklines flankierten 'Raise The Red Flag' fetzen wirklich. Die fünf übrigen Songs dieser Dreiviertelstunde sind balladeske bis schleppende Klagelieder, deren Färbung von tiefen Gefühlsachterbahnen, Verzweiflung, Sucht, Einsamkeit und sonstigen nicht allzu herzerheiternden Themen zeugen. Das Cover, eine skurrile Zeichnung von Mansons Gesicht, passt in den Kontext der bisherigen Optik bestehend aus auf den Hauptcharakter fixierten Fotos und gezeichneten Bildern. Fun Fact hierzu: Das erste Mal in der Bandgeschichte wurde der Schriftzug "Marilyn Manson" recycelt. Zuvor wurde er in nahezu identischer Schreibweise im vor einem knappen Vierteljahrhundert auf "Holy Wood" verwendet, dem Album, auf dem Marilyn Manson nicht nur bildlich erstmals das Fenster für einen Blick auf den finster-ernsten Horror der Menschheit öffnete. Zufall oder Reminiszenz? Fazit: Marilyn Manson, der Mensch, mag ein Arschloch sein. Möglicherweise sogar ein Sexualstraftäter - das sollen Gerichte entscheiden. Doch an ihm als Künstler und seinem musikalischen Schaffen gibt es nichts zu kritisieren. Zum sechsten Mal in Folge liefern er und seine wechselnde Begleitband tadellos ab und bieten neue Hits, die sich nahtlos in den reichen Fundus an Klassikern einreihen. Was zur Phänomen-Werdung der Zeitlosigkeit führt, denn Mr. Manson bleibt stets relevant, bedient mit neuen Songs einerseits Erwartungshaltungen und ist dennoch weit entfernt von Stagnation durch billigen Fanservice oder Repetition des Althergebrachten. Das hievt ihn auf eine Stufe mit den ganz Großen, wegen derer er dereinst begann, Texte zu schreiben und diese auf Bühnen in ein Mikrofon zu klagen. Man darf gespannt sein auf "Chapter 2" dieses Werks, so es denn jemals geplant, geschrieben und aufgenommen werden sowie erscheinen sollte. Anspieltipps: Der zwischen knallhartem Riffing und verträumten Keyboards abwechselnde Titelsong ist eine richtig große Nummer, die live zwar nie funktionieren würde, aber ein Album herzlich gerne eröffnen darf. 'Sacrilegious' ist einfach chartverdächtig eingängig und versprüht ein wenig den leicht spitzbübischen Charme des ganz frühen MARILYN MANSON. Wenn ein Song 'Death Is Not A Costume' heißt, trägt er nicht nur einen Monstertitel, sondern muss auch fett grooven - was diese fünf Minuten denkbar schleppend wie sich eindrucksvoll im Verlauf steigernd tun. 'Raise The Red Flag' ist ein ganz hinten verstecktes Juwel, getragen von geilen Melodien und einem MANSON-typischem Krächz-Groove in der Stimme, wie er eigentlich immer geht, wenn nichts mehr geht. Gesamtwertung: 8.5 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. One Assassination Under God 02. No Funeral Without Applause 03. Nod If You Understand 04. As Sick As The Secrets Within 05. Sacrilegious 06. Death Is Not A Costume 07. Meet Me In Purgatory 08. Raise The Red Flag 09. Sacrifice Of The Mass | Band Website: www.marilynmanson.com Medium: CD, LP Spieldauer: 43:22 Minuten VÖ: 22.11.2024 |
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